| # taz.de -- Regierungsprogramm der Kenia-Koalition: Sachsen wird diverser | |
| > Migrantenorganisationen staunen: Der Koalitionsvertrag von CDU, Grünen | |
| > und SPD beinhaltet aus ihrer Sicht gewaltige Verbesserungen. | |
| Bild: Unterzeichneten am Freitag den Koalitionsvertrag: Dulig (SPD), Meier (Gr�… | |
| Berlin taz | Nach der Landtagswahl in Sachsen Anfang September sahen sie | |
| rabenschwarz: Mit „Bleiben oder gehen?“ hatte der Dachverband der | |
| Migrantenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst) seine Stellungnahme zur | |
| Wahl überschrieben. „Wir befürchten eine weitere Verschlechterung der | |
| Lebensbedingungen von Menschen mit internationaler Biografie in den neuen | |
| Bundesländern“, hieß es darin. | |
| Der Koalitionsvertrag des Kenia-Bündnisses in Sachsen zumindest hat diese | |
| Befürchtungen nicht bestätigt. Mit dem [1][vergangene Woche bestätigten] | |
| Regierungsprogramm von CDU, Grünen und SPD „macht Sachsen einen großen | |
| Schritt in Richtung einer vielfaltbewussten Gesellschaft“, lobt der | |
| Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen (DSM), der Mitglied im | |
| DaMOst ist. | |
| Tatsächlich mussten die Grünen in Sachen Asyl und Integration weniger | |
| Zugeständnisse an die CDU machen, als viele angesichts des Rechtsrucks | |
| erwartet hatten. Der Vertrag trägt in vielen Passagen ihre Handschrift – | |
| und nimmt Forderungen der Zivilgesellschaft auf. | |
| So soll es in den Unterkünften ein neues Gewaltschutzkonzept für besonders | |
| schutzbedürftige Gruppen – vor allem Frauen und Kinder – geben. Ein | |
| medizinisches und psychologisches Clearingverfahren soll schon bei der | |
| Registrierung klären, wer besonderer Unterstützung bedarf. | |
| ## Unabhängige Beratung | |
| Seit August sieht das „Geordnete Rückkehr-Gesetz“ des Bundes eine | |
| verbindliche Verfahrensberatung für Asylsuchende vor. Diese kann aber laut | |
| dem Gesetz auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) selber | |
| angeboten werden. Asylorganisationen hatten das wegen mangelnder | |
| Unabhängigkeit der Bamf-Berater heftig kritisiert. Die Kenia-Koalition in | |
| Sachsen hat sich nun festgelegt: Die „unabhängige Beratung durch die | |
| Wohlfahrtsverbände“ habe sich „bewährt“ und soll „verstetigt“ werde… | |
| im Koalitionsvertrag. Soll wohl heißen: Das Land gibt Geld, damit | |
| Flüchtlinge von tatsächlich unabhängigen Stellen beraten werden können | |
| statt vom Bamf, das gleichzeitig für das Asylverfahren zuständig ist. | |
| Flüchtlingskinder sollen ab dem vierten Monat des Aufenthalts in Sachsen | |
| eine Schule besuchen. Was nach einer Selbstverständlichkeit klingt, ist | |
| keine: In den bayrischen „Ankerzentren“ etwa wird den meisten | |
| Flüchtlingskindern Regelunterricht verwehrt. | |
| Der „Heim-TÜV“, der die Unterbringungen kontrolliert, soll stärker die | |
| „Betroffenenperspektive“ einnehmen. Ohnehin sollen Flüchtlinge „zügig�… | |
| den großen Heimen in dezentrale, kommunale Unterbringung kommen. | |
| Schließlich will die Landesregierung sich für den „Spurwechsel“ für | |
| abgelehnte Asylbewerber einsetzen – die sollen ein Bleiberecht in | |
| Deutschland erhalten, wenn sie den Lebensunterhalt für sich selbst und ihre | |
| Familie verdienen und ausreichend Deutsch sprechen können. Abschiebehaft in | |
| Strafgefängnissen schließt die Kenia-Koalition aus, „humanitäres“ | |
| Aufenthaltsrecht für Härtefälle soll gestärkt werden. | |
| ## Ein paar Leerstellen | |
| Nicht alles ist absolut formuliert, es finden sich viele Formulierungen wie | |
| „streben an“ oder „soll“. Doch insgesamt ist der Koalitionsvertrag alles | |
| andere als ein Katalog der Grausamkeiten. | |
| „Alle drei Koalitionsparteien haben uns mit offenen Armen empfangen, uns | |
| zugehört und zentrale Forderungen von uns in den Koalitionsvertrag | |
| übernommen“, sagt Kanwal Sethi vom Dachverband sächsischer | |
| Migrantenorganisationen. Berücksichtigt wurden zum Beispiel die Forderungen | |
| nach einer beschleunigten Anerkennung von im Ausland erworbenen | |
| Bildungsabschlüssen sowie nach einer unabhängigen Ombudsperson beim | |
| Kultusministerium, an die sich von Diskriminierung Betroffene wenden | |
| können. | |
| Eine Leerstelle gebe es bei der politischen Teilhabe für MigrantInnen. Zu | |
| Fragen der interkulturellen Öffnung in der Verwaltung, zu Ausländer- und | |
| Migrantenbeiräten auf kommunaler Ebene oder zu einer gleichwertigen | |
| Gesundheitsversorgung für Geflüchtete stehe im Koalitionsvertrag nichts. | |
| „Da erwarten wir noch klarere Bekenntnisse“, sagt Tatjana Jurk vom DSM. | |
| Schon während der Verhandlungen schrieb der Sächsische Flüchtlingsrat | |
| (SFR), dass einige Vereinbarungen „Anlass zu Optimismus“ geben. Eine der | |
| wichtigsten Forderungen werde erfüllt: Wenn eine Ausbildungsduldung in | |
| Aussicht steht, die Ausbildung aber noch nicht beginnt, dann sollen | |
| betroffene Personen bis dahin vor Abschiebung sicher sein. Beim | |
| Beschulungsrecht für Kinder ab dem vierten Aufenthaltsmonat aber könne das | |
| „Innenministerium weiter recht frei agieren“, schrieb der SFR. Und auch an | |
| die „Kehrtwende hin zur dezentralen Unterbringung und weg von der | |
| Lagerpolitik“ glaubt der SFR mangels konkret festgelegter Schritte noch | |
| nicht – und vermisst weiter einen Abschiebestopp nach Afghanistan. | |
| 23 Dec 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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