# taz.de -- Hotelbranche und Bürokratie: Zettelwirtschaft wird digital | |
> Der digitale Meldeschein soll ab 2020 in Hotels die Zettel aus Papier | |
> ersetzen. Der Polizei erleichtert dies den Zugriff auf die Daten. | |
Bild: Wer hier übernachtet, muss sich anmelden: Motel One in Berlin | |
KARLSRUHE taz | Ab dem Jahreswechsel dürfen Hotels digitale Meldescheine | |
verwenden. Die Hotelmeldepflicht wird aber nicht abgeschafft. Entsprechende | |
Anträge von Grünen und FDP haben bei der großen Koalition keine Chance. | |
Wer sich in einem Hotel an der Rezeption anmeldet, muss [1][seit | |
Jahrzehnten erst einmal einen speziellen Meldeschein ausfüllen]. Name, | |
Adresse, Geburtstag, Staatsangehörigkeit werden abgefragt. Seit 2015 können | |
die Daten bereits vorab digital eingetragen werden. Doch der Gast muss | |
bisher immer noch persönlich unterschreiben. Bei Ausländern muss das Hotel | |
auch den Pass kontrollieren. Das Hotel muss die ausgedruckten Meldescheine | |
dann ein Jahr aufbewahren. Das alles ist im Bundesmeldegesetz geregelt. | |
Die Hotelmeldepflicht soll die Aufklärung und Verhütung von Straftaten | |
erleichtern. Zugriff auf die Daten haben die Polizei und die | |
Staatsanwaltschaft (nicht aber der Verfassungsschutz). Mit Hilfe der | |
Meldescheine könnten zum Beispiel Alibis überprüft werden. Stammt die | |
Unterschrift wirklich vom Verdächtigen? Finden sich auf dem Meldeschein | |
Fingerabdrücke oder DNA-Spuren? | |
Als die Bundesregierung Ende 2018 von der FDP gefragt wurde, wie oft die | |
Hotelmeldepflicht zu Fahndungserfolgen führte, hieß es aber nur, dazu habe | |
die Regierung „keine Erkenntnisse“. Datenschützer fordern schon lange die | |
Abschaffung der Hotelmeldepflicht. | |
## 500 Tonnen Papier pro Jahr | |
Für die Hotels ist die Zettelwirtschaft ein Ärgernis. Pro Jahr werden in | |
deutschen Beherbergungs-Betrieben rund 150 Millionen Meldescheine | |
ausgefüllt. Gewicht: rund 500 Tonnen. Für Anschaffung, Hilfe beim | |
Ausfüllen, Speichern und Vernichten der Meldescheine rechnet die | |
Hotelwirtschaft mit jährlichen Kosten in Höhe von 100 Millionen Euro. | |
Die Bundesregierung hat auf die Klagen der Hotels nun zum Teil reagiert. Ab | |
2020 können Hotels volldigitale Meldescheine verwenden – die nicht mehr | |
ausgedruckt und unterschrieben werden müssen. So sieht es das dritte | |
Bürokratieentlastungsgesetz vor, das im Bundestag in diesem Herbst | |
beschlossen wurde. Statt einer Unterschrift ist künftig eine Verknüpfung | |
mit dem Zahlungsvorgang erforderlich – wenn dieser mittels Kreditkarte | |
erledigt wird. Alternativ kann der Personalausweis an speziellen | |
Lesegeräten digital ausgelesen werden. Die Unterschrift per Stift oder | |
Finger auf einem Hotel-Tablet genügt nicht. | |
Die Polizei dürfte vom digitalen Meldeschein eher profitieren. Anders als | |
bisher können Inländer nicht mehr einfach Phantasienamen und | |
Phantasieadressen angeben. Die Authentifizierung durch digitale Dokumente | |
ist stärker als mit einer bloßen Unterschrift. Und da die Polizei die Daten | |
künftig maschinenlesbar anfordern kann, erleichtert dies die Auswertung und | |
wird den Zugriff vermutlich vervielfachen. | |
Allerdings hält sich der Bürokratie-Abbau noch in Grenzen. Manche Pension | |
liegt zwar idyllisch, hat aber kein stabiles Internet und kann daher die | |
neuen Möglichkeiten gar nicht nutzen. Viele Inhaber von Kleinhotels und | |
Ferienwohnungen scheuen auch die Anschaffung neuer Geräte. Die | |
Bundesregierung rechnet deshalb nur mit rund 50 Millionen digitalen | |
Meldescheinen, also nur rund einem Drittel der Gesamtzahl. Ansonsten bleibt | |
es beim alten Zettelsystem. | |
## Grüne fordern Abschaffung | |
Die Grünen im Bundestag haben darum beantragt, die Hotelmeldepflicht ganz | |
abzuschaffen. Sie sei eine Art frühe Vorratsdatenspeicherung, die „alle | |
Hotelgäste als potenzielle GefährderInnen und StraftäterInnen“ einstufe. | |
Mehr Datenschutz könnte also gleichzeitig zu einer nachhaltigen | |
Entbürokratisierung führen. | |
Die FDP will im Januar einen ganz ähnlichen Antrag in den Bundestag | |
einbringen. Chancen haben die Initiativen aber nicht. Der Innenausschuss | |
und der Tourismusausschuss des Bundestags haben vorige Woche für die | |
Ablehnung des Grünen-Antrags votiert. | |
Aus rechtlichen Gründen könnte die Hotelmeldepflicht nur für Inländer | |
sofort abgeschafft werden. Für „Ausländer“ (einschließlich EU-Bürgern) … | |
die Pflicht im Schengener Durchführungsabkommen von 1990 festgeschrieben. | |
Eine Abschaffung der Hotelmeldepflicht nur für deutsche Staatsbürger lehnt | |
die Beherbergungs-Branche allerdings ab. „Sonst wäre ja die erste Frage im | |
Hotel ‚Sind Sie Ausländer?‘“, warnt der Hotel-Dachverband Dehoga. | |
1 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.deutschertourismusverband.de/politik/melderecht.html | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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