# taz.de -- Abstimmung über EU-Kommission: Ein blasser Neustart | |
> Der Auftritt der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in | |
> Strassburg war eher unspektakulär. Ihr Team legt jetzt trotzdem los. | |
Bild: Nicht gerade visionär: Von der Leyen am Mittwoch im EU-Parlament | |
STRAßBURG taz | Das Warten hat ein Ende. Sechs Monate nach der Europawahl | |
kann die umstrittene neue EU-Kommission um die deutsche CDU-Politikerin | |
Ursula von der Leyen durchstarten. Nach harten Anhörungen, die von Frust | |
über die gescheiterten Spitzenkandidaten und die Einmischung der Staats- | |
und Regierungschefs geprägt waren, hat das Europaparlament am Mittwoch in | |
Straßburg den Weg frei gemacht. | |
Die neue Kommission wurde mit 461 zu 157 Stimmen bestätigt, 89 Abgeordnete | |
enthielten sich. Die Brüsseler Behörde kann nun am 1. Dezember die Arbeit | |
aufnehmen. Vor der Abstimmung hatten sich die Chefs der drei größten | |
Fraktionen – Konservative, Sozialdemokraten und Liberale – hinter das | |
27-köpfige „Team von der Leyen“ gestellt. Nur die Linken sagten geschlossen | |
Nein, die Grünen enthielten sich. | |
Anders als im Juli, als von der Leyen mit einer hauchdünnen Mehrheit | |
gewählt wurde, fällt die Unterstützung diesmal deutlich aus. Doch [1][über | |
eine eigene stabile Mehrheit] verfügt die Nachfolgerin von Jean-Claude | |
Juncker immer noch nicht. Viele Abgeordnete sagten, dass sie nur mit | |
Bauschmerzen zugestimmt hätten. Bis zuletzt hatten sogar | |
CDU/CSU-Abgeordnete mit „Nein“ gedroht. | |
Es sei höchste Zeit für einen „Neustart“, entgegnete von der Leyen ihren | |
Kritikern. „Machen wir uns an die Arbeit“, rief sie den Abgeordneten zu. | |
Danach listete die Kommissionschefin ihre Prioritäten auf. Doch während sie | |
im Juli rot-grüne Akzente gesetzt hatte, wirkte die Rede am Mittwoch blass. | |
Nur ein Verweis auf die Samtene Revolution vor 30 Jahren in Prag hauchte | |
ihr etwas Leben ein. | |
## Es bleibt offen, wie Klimawende finanziert wird | |
Ganz oben auf der Agenda steht der „European Green Deal“. Von der Leyen | |
präsentierte ihn als Strategie gegen die Klimakrise, aber auch als | |
marktgängige Industriepolitik. Details blieb sie schuldig, die soll der | |
neue mächtige Klimakommissar Frans Timmermans nachliefern. In der Rede | |
blieb auch die Frage offen, wie die Klimawende finanziert werden soll. | |
Und wie sieht es mit der Schlagkraft aus, die die neue EU-Präsidentin | |
versprochen hat? „Europa muss die Sprache der Macht lernen“, forderte von | |
der Leyen in einer Rede zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Wie dies | |
praktisch aussehen soll, ist jedoch unklar. Wenn es um militärische „hard | |
power“ geht, ist sie weitgehend machtlos – wie der Streit zwischen Macron | |
und Merkel um die Nato gezeigt hat. | |
Macron bezeichnete das Bündnis als „hirntot“. Merkel widersprach, von der | |
Leyen schwieg. Auch vom neuen EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, einem | |
Spanier, hat man zu diesem Thema noch nichts gehört. Dennoch lobte ihn von | |
der Leyen in ihrer Rede in Straßburg. Auch Margrethe Vestager (Wettbewerb | |
und Digitales) und Thierry Breton (Binnenmarkt und Industrie) hob sie | |
positiv hervor. | |
Dabei war der Franzose Breton bis zuletzt umstritten. Bis zu seiner | |
Nominierung hatte er als Chef des IT-Konzerns Atos gearbeitet – es ist das | |
erste Mal, dass ein Konzernboss direkt in die EU-Kommission wechselt. Die | |
Linke und „Die Partei“-Chef Martin Sonneborn haben sich schon auf Breton | |
eingeschossen. Nahezu alle Bereiche, für die er bisher bei Atos tätig war, | |
werde Breton künftig als Kommissar selbst regulieren, kritisiert Sonneborn. | |
## Versprochene Geschlechter-Parität verfehlt | |
Von der Leyen ging über diesen Einwand ebenso hinweg wie über die Kritik am | |
ungarischen Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi. Viele Abgeordnete werfen | |
ihm zu große Nähe zu Regierungschef Viktor Orbán vor. Außerdem sei schwer | |
zu verstehen, dass nun ausgerechnet ein Land, in dem Demokratie und | |
Rechtsstaat missachtet werden, die EU-Werte auf dem Balkan voranbringen | |
soll, kritisierte die SPD-Europaabgeordnete [2][Katarina Barley in der | |
taz]. | |
Die neue Kommissionschefin konzentrierte sich lieber auf das Positive. Sie | |
sei nicht nur die erste Frau in diesem Amt, sondern habe auch das | |
weiblichste Team aller Zeiten aufgestellt. Die versprochene Parität wurde | |
allerdings verfehlt: Der neuen Kommission gehören 15 Männer an – aber nur | |
12 Frauen. Kleiner Trost: Von der Leyen will ab jetzt auf allen | |
Managementebenen ihrer Behörde für Gleichheit sorgen. Allerdings soll die | |
Parität erst 2024 erreicht werden, zum Ende ihrer Amtszeit. | |
28 Nov 2019 | |
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[1] /Neue-EU-Kommission-im-Amt/!5641057 | |
[2] /Interview-mit-Europapolitikerin-Barley/!5643290 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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