| # taz.de -- Mitgliederentscheid um SPD-Vorsitz: Ein hitziger Schlagabtausch | |
| > Die zwei Kandidatenduos debattierten im Willy-Brandt-Haus. Saskia Esken | |
| > und Norbert Walter-Borjans kritisierten die Groko-Politik scharf. | |
| Bild: Olaf Scholz, Klara Geywitz, Walter-Borjans und Saskia Esken in der SPD-Ze… | |
| Berlin taz | Am Ende wird es gefühlig. Oder es soll so aussehen. Norbert | |
| Walter-Borjans erzählt von „der Straße, der Kneipe und der Fleischtheke“, | |
| wo alte Sozialdemokraten ihn ansprechen und ihm und seiner Co-Kandidatin | |
| Saskia Esken einen Sieg wünschen. Saskia Esken will „die Fenster und Türen | |
| der Sozialdemokratie aufmachen“ und den Menschen und der Partei „ein | |
| Angebot“ machen. | |
| Ihre Kontrahentin Klara Geywitz will, dass die Menschen sagen: „Die SPD ist | |
| die Partei an meiner Seite.“ Und Gleywitz Partner Olaf Scholz, politisch | |
| eher als emotionsarm bekannt, muss seine Emotionen extra benennen: Es | |
| stecke „tief und emotional“ ihn ihm drin, dass die SPD die einzige Partei | |
| sei, die dafür stehe, dass jeder den gleichen „Respekt“ bekomme. Er | |
| erwähnt, zum dritten Mal während des Abends im Willy-Brandt-Haus, dass die | |
| SPD für einen „robusten Sozialstaat“ stehen müsse. | |
| Es ist nach 23 Regionalkonferenzen das zweite direkte Aufeinandertreffen | |
| der beiden Zwischensieger-Paare im gefühlt schon ewig andauernden | |
| [1][SPD-Mitgliederentscheid] um das künftige Vorsitzendenpaar – und das | |
| einzige von der SPD organisierte überhaupt. Bis auf drei Dutzend | |
| Journalisten und ein paar SPD-Mitarbeiter ist das Atrium des | |
| Willy-Brandt-Hauses am Dienstagabend menschenleer – die Debatte wird | |
| [2][per Livestream übertragen]. | |
| Um es vorwegzunehmen: Es ist die kontroverseste aller Debatten bislang. Die | |
| gegensätzlichen Positionen – eher mittig ist das Duo Geywitz/Scholz, linker | |
| das Duo [3][Walter-Borjans/Esken] -, die bisher untergingen, wurden | |
| deutlich. Der Verlauf des Abends in der Boxersprache: Das angriffslustige | |
| Team Walter-Borjans setzt einige effiziente Punches. Team Scholz/ Geywitz | |
| weicht aus oder versucht, einen Vorteil durch überraschende Seitwärtshaken | |
| zu erzwingen, was die Gegner dazu bringt, einige Schritte zurückzugehen. | |
| Olaf Scholz legt mit Regierungserfolgen vor und nennt den Kompromiss bei | |
| der Grundrente einen „Meilenstein“. Saskia Esken kontert: „Olaf, die | |
| Grundrente repariert doch nur, was wir durch den Niedriglohnsektor haben | |
| entstehen lassen.“ Zack. | |
| Eine knallharte, aber riskante Strategie: Die Enttäuschten haben sich | |
| längst von der SPD verabschiedet, entweder als Mitglieder oder als Wähler | |
| oder beides. Erreichen müssen die Kontrahenten aber die verbliebenen treuen | |
| SPD-Mitglieder: Durchschnittsalter rund 60 Jahre, zu über 40 Prozent Beamte | |
| oder im öffentlichen Dienst stehend, mental eher staatstreu. Es ist | |
| unsicher, ob sie die Selbstkritik auch teilen. | |
| ## Walter-Borjans für höhere Spitzensteuer | |
| Das Team Scholz/Geywitz weicht der [4][Grundrenten]-Attacke aus. Geywitz | |
| sagt, dass man die Probleme der Gesellschaft nicht auf die Frage „Markt | |
| oder Staat“ reduzieren könne, sondern dass man angesichts autoritärer | |
| Staaten und des Rechtspopulismus die individuellen Freiheitsrechte | |
| verteidigen müsse. Walter-Borjans setzt nach und kritisierte die | |
| beschlossenen Einkommensgrenzen, die den Kreis der Grundrenten-Bezieher | |
| reduziert. Scholz, merklich angefasst: „Es macht keinen Sinn, Erfolge der | |
| SPD kleinzureden!“ | |
| Olaf Scholz präsentiert sich als moderater Sozialstaats-Ausbauer, Klara | |
| Geywitz als Fürsprecherin von Demokratie und Zusammenhalt; | |
| Walter-Borjans/Esken positionieren sich als Befürworter eines starken, | |
| rahmensetzenden Staats, dem über höhere Steuern von Spitzenverdienern das | |
| nötige Geld zur Hand gegeben werden soll, um soziale Ungleichheit zu | |
| reduzieren und die Digitalisierung der Infrastruktur sowie die ökologische | |
| Wende zu schaffen. | |
| Geradezu hitzig wird es bei diesem Thema. Walter-Borjans prophezeit: „Das | |
| wird Verzicht für alle nach sich ziehen.“ Es könne aber nicht sein, dass | |
| nur Kohlekumpel und Pendler die Lasten tragen sollen. Er fordert, dass | |
| Spitzenverdiener mehr herangezogen werden müssten, um die Transformation zu | |
| schaffen. „Sie dürfen sich nicht vom Acker machen“, sagt Walter-Borjans und | |
| bringt damit seine Rolle als [5][Steuer-CD-Aufkäufer] ins Spiel, als er | |
| Finanzminister in Nordrhein-Westfalen war. | |
| Saskia Esken kritisiert das [6][„Klimapaketchen“ der Bundesregierung] und | |
| forderte einen sofortigen CO2-Preis von 40 Euro pro Tonne – sozial | |
| abgefedert werden soll er durch eine pauschale Pro-Kopf-Prämie. Wer viel | |
| verbraucht, muss demnach netto mehr bezahlen. „Warum machen wir das | |
| nicht?“, fragt sie. „Das Klimapaket ist heute gerade fast einstimmig von | |
| der SPD-Fraktion beschlossen worden, giftet Scholz mit einem Seitenblick | |
| auf die Bundestagsabgeordnete Esken zurück. „So schlecht scheint es nicht | |
| zu sein.“ | |
| ## Das Dilemma der Linken | |
| Sie und Walter-Borjans geraten immer dann in die Defensive, wenn sie die | |
| bisherige SPD-Politik in der Groko loben. „Ich finde das ja nicht schlecht, | |
| was wir gemacht haben“, sagt Walter-Borjans an einer Stelle. „Schon wieder | |
| was nicht schlecht“, kontert Scholz. | |
| Das Dilemma des linkeren Teams: Sie wollen mehr, als die SPD in der Groko | |
| bisher geschafft hat. Mehrmals sagen sie, es müsse jetzt Veränderungen | |
| geben, nicht erst in zwei Jahren, und lassen damit offen, ob sie aus der | |
| Groko aussteigen wollen oder nicht. Gleichzeitig aber können und wollen sie | |
| Erfolge der Partei wie bei der Grundrente vor dem SPD-Publikum nicht | |
| kleinreden. | |
| Der Ausgang des Abends, um in der Boxersprache zu bleiben: Unentschieden | |
| nach Punkten. | |
| 13 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gunnar Hinck | |
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