| # taz.de -- „Agrargipfel“ im Kanzleramt: Mit dem Traktor gegen die Wand | |
| > Wer sich wie die Bauernbewegung radikal der Realität verweigert, erreicht | |
| > kaum etwas. Das hat der „Agrargipfel“ im Kanzleramt gezeigt. | |
| Bild: Traktor an Traktor auf der Demonstration gegen die Agrarpolitik | |
| Der „Agrargipfel“ bei Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gezeigt, dass die | |
| Bauernbewegung mit ihrer radikalen Realitätsverweigerung [1][kaum etwas | |
| erreicht]. Es ist höchste Zeit, dass die Landwirte sich bereit erklären, | |
| die Umwelt besser zu schützen. Damit sie nicht pleitegehen, sollten sie | |
| eine Wende der Agrarpolitik fordern – weg von der Orientierung am Weltmarkt | |
| und seinen Dumpingpreisen, hin zu regionalen Wirtschaftskreisläufen. | |
| Mit ihren Trecker-Demonstrationen im Oktober und November hat die Bewegung | |
| „Land schafft Verbindung“ bisher nur eins geschafft: Ausschließlich | |
| Lobbyisten der Landwirtschaft durften am Montag stundenlang auf Merkel | |
| einreden. Umwelt- und Tierschützer mussten vor dem Kanzleramt warten. | |
| Die Bauern haben jede Menge warme Worte von der Regierungschefin gehört: | |
| „Respekt“, „wichtiger Teil der Gesellschaft“ und so weiter. Doch in der | |
| Sache hat Merkel nicht nachgegeben. Es bleibt dabei: Die Bauern werden bald | |
| im Schnitt weniger düngen und weniger Pestizide nutzen dürfen. | |
| Die Unnachgiebigkeit der Kanzlerin hat zwei Gründe: Zum einen haben selbst | |
| die Unionsparteien inzwischen begriffen, dass die Landwirtschaft erheblich | |
| zu Insektensterben, Klimawandel und [2][Wasserverschmutzung] beiträgt. Der | |
| Europäische Gerichtshof hat Deutschland sogar schon verurteilt, weil immer | |
| wieder zu viel Nitrat, vor allem aus Düngern, im Grundwasser gemessen wird. | |
| Es droht eine Strafe von 800.000 Euro – täglich. | |
| ## Die Bauern verpassen eine historische Gelegenheit | |
| Viele Bauern ignorieren diese Sachzwänge einfach; Merkel kann das nicht. | |
| Zumal sie immer noch Rücksicht auf ihren Koalitionspartner SPD nehmen muss, | |
| der über das Umweltministerium Druck ausübt. | |
| Zum anderen sind die Bauern insbesondere für CDU/CSU nicht mehr so wichtig | |
| wie früher. Denn es gibt nur noch 270.000 Höfe, Tendenz: fallend. Die Union | |
| verliert aber substanziell Wähler an die Grünen, Tendenz: steigend. Solche | |
| Bürger lassen sich nicht von haltlosen Behauptungen so mancher Bauern in | |
| die Irre führen, wonach Kläranlagen das Grundwasser stärker belasteten als | |
| Dünger (sie leiten vor allem in Flüsse ein). Und: Die Grünen mit ihrer | |
| Forderung nach einer „Agrarwende“ werden auch als potenzieller | |
| Koalitionspartner immer wichtiger. | |
| Deshalb werden die Landwirte mit ihrer Strategie gegen die Wand fahren, die | |
| Union durch maximalen Druck zum Einknicken zu zwingen. Vielmehr führt ihr | |
| Vorgehen dazu, dass sie die Sympathie weiter Teile der Bevölkerung | |
| verlieren. | |
| Und sie verpassen eine historische Gelegenheit, das einzufordern, was sie | |
| wirklich brauchen: erstens eine Marktreform, die ihnen faire Preise für | |
| ihre Produkte garantiert und es ermöglicht, bei drastischem Überangebot | |
| gemeinsam die Erzeugung zu drosseln. Und zweitens eine Umverteilung der | |
| Agrarsubventionen zugunsten jener Bauern, die mehr Rücksicht auf die Umwelt | |
| nehmen. | |
| 2 Dec 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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