# taz.de -- Proteste von Landwirten: Bauern sind auch nur Kapitalisten | |
> Die Landwirte sind verzweifelt, das darf man ihnen ruhig glauben. Aber | |
> auch sie müssen bestimmte Regeln akzeptieren – wie andere Branchen auch. | |
Bild: Auf Ertragsoptimierung kommt es an – notfalls auch auf Kosten der Umwelt | |
Mobilisieren können die Bauern, das muss man ihnen lassen: Bundesweit gibt | |
es nur noch 267.000 landwirtschaftliche Betriebe – trotzdem sind derzeit | |
einige Tausend Traktoren unterwegs, um gegen die Bundesregierung zu | |
demonstrieren. So motiviert ist sonst keine Gruppe. | |
Die Bauern sind verzweifelt, das darf man ihnen ruhig glauben. Ausgerechnet | |
auf dem Land, [1][das die Städter so gern romantisieren], herrscht der | |
Kapitalismus uneingeschränkt. Mit seinen Vor- und Nachteilen. | |
Zu den Vorteilen gehört, dass die Bauern nicht mehr arm sind. Heute ist es | |
vergessen, aber noch in den 1930er Jahren waren viele Höfe so klein, dass | |
ihre Besitzer hungern mussten. Die bayerische Bäuerin Anna Wimschneider hat | |
in ihren Memoiren „Herbstmilch“ eindrucksvoll beschrieben, wie dürftig das | |
Leben auf dem Land war. Ihr Vater hatte nur neun Hektar Grund, und das | |
Essen war so knapp, dass die Kinder die Kartoffeln verschlangen, die | |
eigentlich als Futter für die Schweine gedacht waren. | |
Die Familie von Anna Wimschneider war kein Einzelfall: 1933 lebten rund 12 | |
Millionen Deutsche auf Bauernhöfen, die eigentlich zu klein waren, um einen | |
ausreichenden Lebensstandard zu sichern. Das waren 18 Prozent der | |
Gesamtbevölkerung. Erst ab den 1950ern wurde das Landleben langsam bequemer | |
und auskömmlicher: Die Felder wurden zusammengelegt und Landmaschinen | |
eingesetzt. Pro Kopf ließ sich eine größere Fläche bearbeiten – und damit | |
kam der Reichtum auch aufs Land. | |
## Die Bauern müssen auch die Regeln akzeptieren | |
Die Technik blieb nicht folgenlos: Die Landwirtschaft verwandelte sich in | |
eine Art Industriezweig und unterliegt nun ebenfalls den Mechanismen des | |
Kapitalismus. Wie in allen anderen Branchen setzte auch auf dem Land die | |
Konzentration ein. Große Höfe verdrängten die kleinen, weil die eingesetzte | |
Technik umso billiger wird, je mehr Güter produziert werden. Dieses Gesetz | |
gilt für Autos genauso wie für Weizentonnen. Die EU-Subventionen haben | |
diesen Trend zur Größe nicht ausgelöst, verstärken ihn aber noch | |
zusätzlich. | |
Die meisten konventionellen Bauern sind überzeugt, dass nur eine „moderne“ | |
Landwirtschaft Zukunft hat. Sie begrüßen die Industrialisierung auf ihren | |
Höfen. Doch dann müssen sie auch die [2][Regeln akzeptieren, die für andere | |
Industriebetriebe gelten]. | |
Für jeden Chemiekonzern ist klar, dass man Abfälle nicht in den nächsten | |
Fluss leiten darf. [3][Für Landwirte kann es kein Sonderrecht geben, das | |
Grundwasser zu verseuchen.] Gülle ist kein Dünger, wenn sie im Übermaß auf | |
die Weiden gekippt wird – sondern Sondermüll. | |
26 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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