Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Menschenrechte in Russland: Kreml verschärft den Druck
> Nichtregierungsorganisationen haben verstärkt mit Strafzahlungen,
> Festnahmen und Übergriffen auf ihre Büros zu kämpfen.
Bild: Gedenken an ein Opfer der Stalinschen Repressionen auf einem Friedhof in …
Moskau taz | Lew Ponomarjow lässt sich nicht unterkriegen. Der 78-jährige
Menschenrechtler ist ein Urgestein der sowjetischen und [1][russischen
Bewegung für Menschenrechte]. Früher arbeitete er schon mit Andrei Sacharow
und Ludmila Alexejewa zusammen, der Grande Dame der russischen
Menschenrechte. Als diese im vergangenen Jahr verstarb, saß Ponomarjow
gerade zwei Wochen in Haft, weil er zu einer nicht genehmigten
Demonstration für die Rechte von inhaftierten Jugendlichen aufgerufen
hatte.
Die Haltung gegenüber Menschen- und Bürgerrechtlern war unter Präsident
Wladimir Putin selten von Wohlwollen geprägt. Seit den Protesten gegen
Wahlmanipulationen bei den Moskauer Lokalwahlen im Sommer hat sich das
Verhältnis noch verschärft. Ponomarjows Organisation „Für Menschenrechte“
(FM) wurde Anfang November vom obersten Gericht in Moskau aufgelöst.
Anlass war ein Verfahren wegen Unterlassung. Ponomarjow hatte den Hinweis
„[2][ausländischer Agent]“ auf den Websites der FM nicht vermerkt. Dazu
sind Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, seit einigen Jahren
verpflichtet. Derartige Vermerke sollen die Glaubwürdigkeit der
Organisationen untergraben. Ponomarjow will unterdessen mit einem neuen
Zusammenschluss weiterkämpfen, der keine Agentenmarkierung erfordert.
Auch die größte russische Menschenrechtsgruppe [3][Memorial] lehnte es ab,
sich das Label anzuheften. Der Leiter der Gruppe, Alexander Tscherkassow,
wurde deswegen zu einer Strafe von 100.000 Rubel (1.450 Euro) verurteilt,
die Organisation soll 300.000 Rubel (4.300 Euro) zahlen.
## Übergriffe in der Provinz
Darüber hinaus erhalten weder die Helsinki-Gruppe, die älteste
Menschenrechtsorganisation Moskaus, noch FM weiterhin Gelder aus dem
präsidialen Fonds zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen.
Mittlerweile kann sich die Helsinki-Gruppe nur noch aus eigenen Mitteln und
Spenden finanzieren.
Auch Übergriffe auf einzelne Memorial-Büros in den Provinzen laufen weiter.
Erst am vergangenen Wochenende drang ein TV-Team (REN-TV) in das
Memorial-Büro in der Stadt Perm ein. Im August hatte die Gruppe einen alten
Friedhof in dem verlassenen Dorf Galjaschor von Unkraut gereinigt. Früher
lebten dort deportierte Polen und Litauer.
Zu den Helfern gehörten Nachkommen der ehemaligen Häftlinge. Zunächst wurde
Memorial Perm zur Zahlung von umgerechnet 3.500 Euro Strafe verurteilt, da
es angeblich „ein Waldstück widerrechtlich besetzt hatte“. Danach wurden
Büro und Wohnräume des Leiters Robert Latypow von Mitarbeitern des
Inlandsgeheimdienstes FSB und Vertretern des Zentrums für
Extremismusbekämpfung durchsucht. Am vergangenen Wochenende drangen dann
Journalisten ein und forderten ihn auf, vermeintliche „Pädophilie“-Vorfäl…
unter Mitarbeitern zu kommentieren.
Zur Erinnerung: Der Historiker Juri Dmitrijew sitzt derzeit im Hausarrest.
Er hatte Massengräber von Stalin-Opfern an einer früheren
Hinrichtungsstätte ausgehoben und deren sterbliche Überreste beigesetzt.
Dmitrijew wurde zunächst auch der Pädophilie mit seiner angenommenen
Tochter angeklagt, später aber freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft
stellte ihn jedoch erneut unter Hausarrest.
## Neue Leitung kein Zufall
Das Vorgehen in Perm, sagte Memorial-Vorstandsmitglied Robert Latypow, sei
ein „weiterer ungeheuerlicher Versuch, unseren Ruf zu schädigen. Im ganzen
Land ist eine Welle von Drangsalierungen gegen alle unabhängigen
Nichtregierungsorganisationen angelaufen“, erklärte er.
Daher ist es wohl kein Zufall, dass der Kreml den Menschenrechtsrat im
Oktober mit einer neuen Leitung besetzte und Mitglieder wie die
Politikwissenschaftlerin Jekaterina Schulman ausschloss. Der langjährige
Vorsitzende Michail Fedotow wurde offiziell aus Altersgründen entlassen.
Ihn ersetzte Waleri Fadejew, der Mitglied der Kremlpartei Vereinigtes
Russland (VR) ist und bis vor Kurzem für den staatlichen TV-Kanal Eins als
Moderator wirkte. Fadejew teilte mit, dass er Menschenrechte vor allem im
sozialen Bereich vernachlässigt sehe.
12 Nov 2019
## LINKS
[1] /Debatte-EU-prueft-Russland-Sanktionen/!5602239
[2] /Kommentar-Gesetz-gegen-Agenten/!5462680
[3] /Justiz-in-Russland/!5408901
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
Menschenrechte
Memorial
Kreml-Kritiker
Kreml
Russland
Russland
Russland
Wladimir Putin
Russland
Russland
Russland
Russland
Russland
Russland
Tschetschenien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Menschenrechtler*innen in Russland: Konzertierte Attacke in Moskau
Unbekannte stürmen eine Filmvorführung von Memorial. Die Polizei hält
jedoch die Organisator*innen und die Zuschauer*innen fest.
Giftanschlag auf kremlkritische Zeitung: „Gefährlich für Leib und Leben“
Der Anschlag auf die Moskauer Zeitung hat Ähnlichkeiten mit jenen aus der
Vergangenheit. Chefredakteur Muratow fordert eine schnelle Aufklärung.
Opposition in Russland: Bald noch mehr „Auslandsagenten“
Russlands Justizministerium setzt erstmals fünf Einzelpersonen auf die
schwarze Liste. Drei von ihnen sind Journalist*innen.
Urteil gegen russischen Menschenrechtler: Entwertung der Geschichte
Dreieinhalb statt 15 Jahre für Juri Dmitrijew. Klingt milde – doch das
Urteil belegt die Infamie des Systems.
Opposition in Russland: Dreieinhalb Jahre Haft
Ein Menschenrechtler ist in Russland wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt
worden. Doch es dürfte um seine Forschung über Stalin-Opfer gehen.
Opposition in Russland: Vorwurf Landesverrat
Der Ex-Journalist und Mitarbeiter einer Raumfahrtbehörde Iwan Safronow soll
Informationen an die Nato weiter gegeben haben. Nun wurde er angeklagt.
Opposition in Russland: Justiz-Farce geht weiter
Der Menschenrechtler Juri Dmitrijew steht ab Montag wieder vor Gericht. Der
Historiker wird der Herstellung von Kinderpornografie beschuldigt.
YouTube-Kanal gesperrt: Kein „Real Talk“ über LGBT
In Russland wird gegen ein YouTube-Format ermittelt, in dem Kinder mit
Vertretern der LGBT-Community über Homosexualität sprachen.
Kommentar Europarat und Russland: Kaum noch ernst zu nehmen
Dass der Europarat Sanktionen gegen Mitglieder der russischen Delegation
aufhebt, ist ein Punkt für Putin. Der kommt mit Erpressung erneut zum Ziel.
Text- und Bildband zum Gulag: Eine Fußnote in Wladimirs Reich
Ein eindrucksvoller Text- und Bildband: Masha Gessens und Misha Friedmans
„Vergessen – Stalins Gulag in Putins Russland“.
Schauprozess gegen Bürgerrechtler: Tschetschenisches Rollenspiel
In der Kaukasusrepublik steht Ujub Titijew wegen Drogenbesitzes vor
Gericht. Zufällig war er der Chef der Menschenrechtsgruppe Memorial.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.