| # taz.de -- Antisemitismus und Rassismus in Italien: Polizeischutz für Shoah-�… | |
| > Die Auschwitz-Überlebende Liliana Segre wehrt sich gegen Hass. Deshalb | |
| > wird sie so sehr bedroht, dass nun Polizisten sie überallhin begleiten. | |
| Bild: Liliana Segre | |
| Rom taz | Seit Donnerstag steht die italienische Senatorin Liliana Segre | |
| unter Polizeischutz. Zwei Beamte begleiten die alte Dame rund um die Uhr | |
| auf Schritt und Tritt, weil die Präfektur von Mailand angesichts von | |
| mittlerweile rund 200 Hassmails täglich eine akute Gefährdung sieht. | |
| Den Hass zog die 89-jährige Jüdin sich zu, weil sie gegen Rassismus und | |
| Antisemitismus mobilmacht. Auf ihren Antrag nämlich beschloss der Senat die | |
| Einsetzung eines Ausschusses, der sich mit den Phänomenen des Rassismus, | |
| des Antisemitismus und der Aufstachelung zum Hass in der italienischen | |
| Gesellschaft und Politik auseinandersetzen soll. Den Vorsitz dieses | |
| Ausschusses soll Liliana Segre, die im Januar 2018 von Staatspräsident | |
| Sergio Mattarella zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt worden war, selbst | |
| übernehmen. | |
| Für ihren Vorschlag allerdings hat die Shoah-Überlebende, die als | |
| 13-Jährige nach Auschwitz deportiert worden war, wo ihr Vater ebenso wie | |
| ihre Großeltern ermordet wurden, im Senat alles andere als einhellige | |
| Zustimmung gefunden. Für den Antrag stimmten nur die Regierungsparteien der | |
| Fünf Sterne, der gemäßigt linken Partito Democratico, der neuen Partei | |
| Matteo Renzis, Italia Viva, und der radikalen Linken. | |
| Dagegen enthielt sich der Rechtsblock aus Matteo Salvinis Lega, aus den | |
| postfaschistischen Fratelli d'Italia (FdI – Brüder Italiens) und aus Silvio | |
| Berlusconis Forza Italia geschlossen der Stimme. Als das | |
| Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wurde, zollten die Senatoren des | |
| Regierungslagers Segre stehend Applaus, die Parlamentarier der Rechten | |
| dagegen blieben sitzen, und in ihren Reihen rührte sich keine Hand. | |
| ## Das wird man doch wohl noch sagen dürfen | |
| Die Rechte macht gar kein Geheimnis daraus, was sie an dem neuen Ausschuss | |
| stört. So sehen die Ex-Faschisten von FdI gar nicht gerne, dass der | |
| Ausschuss sich auch mit neuen Nationalismen und mit dem Ethnozentrismus | |
| auseinandersetzen soll. Und Salvini ist natürlich „ohne Wenn und Aber gegen | |
| Rassismus“, spezifiziert dann jedoch: „Wir wollen nicht, dass jemand von | |
| links das als Rassimus ausgibt, was unser Recht und unsere Überzeugung ist: | |
| ‚Italiener zuerst!‘“ Das würde man wohl noch sagen dürfen, ansonsten | |
| drohten „Knebel und ein Polizeistaat, der uns zu Orwell zurückbringt“. | |
| Gar nicht bedrohlich finden Lega und FdI dagegen, dass auf ihren | |
| Kundgebungen der letzten Monate immer wieder auch die Faschisten der Casa | |
| Pound auftauchten und ungehindert teilnehmen durften, gar nicht bedrohlich | |
| findet Salvini, dass etwa der prominente Journalist Gad Lerner bei diesen | |
| Kundgebungen von Lega-Anhängern als „Jude“ und „Zecke“ geschmäht wurd… | |
| unter Polizeischutz den Platz verlassen musste. Gar nicht bedrohlich findet | |
| Salvini auch die Hassbotschaften an Liliana Segre – auch er erhalte täglich | |
| Mails mit Schmähungen, gab der Lega-Chef als Kommentar ab. | |
| Salvini und die FdI-Chefin [1][Giorgia Meloni] haben gute Gründe, sich | |
| gegen den Ausschuss zu sträuben. „Zecke“ zum Beispiel ist ein Wort, das | |
| auch der Lega-Chef gerne in den Mund nimmt, etwa gegen die deutsche | |
| Kapitänin Carola Rackete, die es gewagt hatte, im Mittelmeer gerettete | |
| Flüchtlinge nach Lampedusa zu bringen. | |
| Er ebenso wie die FdI-Chefin Giorgia Meloni haben den [2][Aufstieg ihrer | |
| Parteien] – die Lega liegt in den Meinungsumfragen gegenwärtig bei 34 | |
| Prozent, FdI bei 8 Prozent – vor allem mit ihren Kampagnen gegen | |
| „kriminelle Immigranten“, gerne aber auch gegen Roma zuwege gebracht, und | |
| sie haben allen Grund zur Hoffnung, dass auch ihre Positionierung gegen den | |
| von Segre gewollten Ausschuss ihrer Popularität keinen Abbruch tun wird. | |
| 8 Nov 2019 | |
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| Michael Braun | |
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