| # taz.de -- Neue Logistikchefin der Deutschen Bahn: Bereit für den Höllenjob | |
| > Die Gütersparte der Deutschen Bahn ist in einer schweren Krise. Die neue | |
| > Logistikchefin wird keine einfache Aufgabe vorfinden. | |
| Bild: Soll den Güterverkehr auf der Schiene retten: Sigrid Nikutta | |
| Das Ansehen ihres potenziellen Arbeitgebers dürfte auf jeden Fall besser | |
| werden, wenn die Frau den Job tatsächlich bekommt. Am Donnerstag wird der | |
| Aufsichtsrat der Deutschen Bahn der bisherigen Chefin der Berliner | |
| Verkehrsbetriebe (BVG) Sigrid Nikutta [1][voraussichtlich die Leitung der | |
| Logistiksparte und der DB Cargo übergeben]. Die erfolgreiche Managerin wäre | |
| neben der für Digitalisierung und Technik zuständigen Sabina Jeschke die | |
| zweite Frau im Bahnvorstand. | |
| Nikutta ist die erfolgreichste Managerin im deutschen Verkehrswesen. Als | |
| die promovierte Psychologin 2010 an die Spitze der Berliner | |
| Verkehrsbetriebe trat – eines der größten kommunalen Verkehrsunternehmen | |
| Europas –, war sie nicht nur die erste Vorstandsvorsitzende, sondern auch | |
| das erste weibliche Vorstandsmitglied. | |
| Die BVG ist wie die ganze Branche eine Männerdomäne. Nikutta gilt als | |
| versierte Strategin und hat unkonventionelle Führungsmethoden. Sie koppelte | |
| die Gehälter der Führungskräfte daran, dass sie einen bestimmten | |
| Frauenanteil bei Neueinstellungen erreichen. Sie schaffte es, die BVG | |
| erstmals in der Nachkriegszeit aus der Verlustzone zu holen. Vor ihrem | |
| Wechsel zur BVG war sie unter anderem Chefin der LokführerInnen im | |
| Güterverkehr. | |
| Die 50-Jährige steht als Vorstand für die Güterbahn vor einer gigantischen | |
| Aufgabe. „Das ist ein Höllenjob“, sagt Uwe Höft, Bahnexperte von der | |
| Technischen Hochschule Brandenburg. Auch wenn es passionierte Bahnfahrende | |
| kaum glauben mögen: [2][Im Güterverkehr ist die Lage noch viel desolater | |
| als im Personenverkehr.] Regelmäßige Verspätungen, Zugausfälle, zu wenig | |
| Kapazitäten, nicht auffindbare Waggons, schlechter Service – die KundInnen | |
| laufen davon. | |
| Denn anders als im Personenfernverkehr haben sie auf der Schiene eine | |
| Alternative. Der Marktanteil von DB Cargo in Deutschland ist von 79 Prozent | |
| im Jahr 2008 auf jetzt unter 50 Prozent gesunken. Dafür steigt der Verlust. | |
| 2018 lag er bei 180 Millionen, in diesem Jahr wird er voraussichtlich weit | |
| darüber liegen. „Der Strudel wird immer stärker“, sagt René Naumann, | |
| Bahnexperte beim Beratungsunternehmen KCW, das unter anderem Gutachten für | |
| die Denkfabrik Agora Verkehrswende erstellt. | |
| ## Potenzial verschenkt | |
| Es werden immer mehr Güter transportiert. Zwischen 2009 und 2016 ist der | |
| Anteil der Schiene am Güterverkehr hierzulande zwar von 16 auf 18 Prozent | |
| gestiegen. In der Schweiz wuchs er dagegen von 38 auf 43 Prozent. In | |
| Österreich stagnierte der Anteil – aber auf einem hohen Niveau von 30 | |
| Prozent. Güterverkehr ist nicht gleich Güterverkehr. Kunden können ganze | |
| Züge oder einzelne Waggons buchen. | |
| Ersteres ist logistisch vergleichsweise einfach und profitabel. Hier | |
| tummeln sich auch private Anbieter. Im Einzelwagengeschäft nicht, es ist | |
| kostenintensiv, weil dafür Kapazitäten vorgehalten werden müssen. „Der | |
| Einzelwagenverkehr hängt wie ein Damoklesschwert über der Bahn“, sagt | |
| Bahnkenner Höft, der auch schon mal selbst eine Lok fährt. Punktuell hat | |
| die Bahn es bereits aufgegeben. „Aber das ist gesellschaftlich falsch“, | |
| betont er. Um mehr Güter auf die Schiene zu bringen, ist der | |
| Einzelwagenverkehr unverzichtbar. | |
| Züge und Technik in Deutschland sind veraltet, es mangelt an | |
| LokführerInnen. „Der Güterverkehr ist das letzte Rad am Wagen“, sagt Uwe | |
| Reitz, Sprecher der Einsenbahnergewerkschaft EVG. Ein Sanierungsprogramm | |
| jagte das andere, Personal wurde abgebaut, Verladestellen wurden | |
| geschlossen, Gleisanschlüsse gekappt. Das finanzielle Desaster der | |
| Güterbahn begann mit der Weltwirtschaftskrise 2008, weil mit der sinkenden | |
| Produktion auch weniger transportiert wurde. | |
| Das strukturelle Fiasko hatte vorher angefangen. Unter Bahn-Haudegen | |
| Hartmut Mehdorn trennte sich die Bahn von wenig profitablen | |
| Gleisanschlüssen. Dann übernahm die Bahn 2002 das Logistikunternehmen | |
| Stinnes und damit Schenker, einen der größten Lkw-Spediteure. | |
| ## Fünfmal so viel Schadstoff | |
| „Damit hatte die Bahn keinen Druck mehr, die Schiene zu optimieren“, sagt | |
| Bahnexperte Naumann. Denn sie kann ihre KundInnen ja mit dem Lkw bedienen. | |
| „Das ist fatal“, sagt Naumann. „Nötig ist ein Unternehmen, das ein | |
| Interesse hat, die Schiene zu optimieren.“ Ein Lkw stößt pro gefahrenem | |
| Kilometer und transportierter Tonne fünfmal so viel Schadstoff aus wie die | |
| Güterbahn. | |
| „Für die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene muss der Bund das | |
| Schienennetz massiv ausbauen“, fordert der Bahnexperte der grünen | |
| Bundestagsfraktion Matthias Gastel. „Wir brauchen eine Verdoppelung der | |
| Bundesinvestitionen in den Neu- und Ausbau von heute rund 1,5 Milliarden | |
| Euro auf künftig 3 Milliarden Euro.“ 40 Prozent der Schienenstrecken sind | |
| noch nicht elektrifiziert. | |
| „Von einem Elektrifizierungsprogramm würde besonders der Güterverkehr auf | |
| der Schiene profitieren, da auf diese Weise auch Ausweichrouten zu heute | |
| bereits überlasteten Strecken geschaffen werden können“, sagt er. | |
| Zurückgebaute Überhol- und Abstellgleise müssen Bund und Bahn reaktivieren, | |
| die Zahl der Gleisanschlüsse und Verladestellen, an denen Güter von der | |
| Straße auf die Schiene gebracht werden können, müssen ausgebaut werden, | |
| fordert er. | |
| Zwar gibt es ein Förderprogramm des Bundes für Firme, die einen | |
| Gleisanschluss legen lassen. „Aber das ist nur ein Tropfen auf dem heißen | |
| Stein“, sagt Berater Naumann. Denn es werden nach wie vor viel mehr | |
| Anschlüsse gekappt als neue gelegt. In vielen Städten sind die Flächen | |
| längst zugebaut, auf denen früher Güterbahnhöfe standen. Gewerbegebiete und | |
| große Logistikzentren etwa von Internethändlern entstehen an | |
| Autobahnauffahrten – ohne Gleisanschluss. | |
| 6 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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