# taz.de -- Mails von mutmaßlichen Rechtsextremen: Bestürzung nach Morddrohun… | |
> Cem Özdemir und Claudia Roth haben Hassmails mit konkreten Drohungen | |
> erhalten. Der Vorfall reiht sich ein in eine lange Liste von | |
> Einschüchterungen. | |
Bild: Cem Özdemir und Claudia Roth beim Länderrat von Bündnis 90/Die Grünen… | |
BERLIN dpa/taz | Politiker haben bestürzt auf die Morddrohungen gegen die | |
Grünen-PolitikerInnnen Cem Özdemir und Claudia Roth reagiert. | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte der Süddeutschen Zeitung: „Ganz | |
generell gilt: Wir erleben eine hochproblematische Verrohung unserer | |
Gesellschaft.“ | |
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte den Zeitungen der | |
Funke Mediengruppe: „Die hässlichen Drohungen mutmaßlicher | |
[1][Rechtsextremisten] gegen Herrn Özdemir und Frau Roth sind unsäglich und | |
ein Angriff auf die freiheitliche Demokratie insgesamt.“ | |
Grünen-Chefin Annalena Baerbock erklärte, an die nahezu täglichen Drohungen | |
dürfe sich die Gesellschaft nicht gewöhnen. „Wir müssen gemeinsam für | |
Rechtsstaat und Demokratie einstehen. Mit aller Kraft gegen den Hass vor | |
allem für die, die keinen Schutz haben“, schrieb sie auf Twitter. | |
Linken-Chefin Katja Kipping schrieb: „Solidarische Grüße über alle | |
Parteigrenzen hinweg an Cem Özdemir, Claudia Roth und all jene, die im | |
Alltag bedroht werden.“ | |
Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hatten am 2. Oktober berichtet, dass | |
Özdemir als erster Name auf einer Todesliste stehe. Das habe Ende Oktober | |
eine Gruppe namens „Atomwaffen Division Deutschland“ in einer E-Mail an das | |
Büro des türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten geschrieben. Mittlerweile | |
liegt die Mail auch der taz vor. Darin heißt es unter anderem „Zurzeit sind | |
wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten | |
öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort | |
abfangen.“ Der Bundestagsvizepräsidentin Roth drohten die Verfasser, sie | |
sei auf Platz zwei der Todesliste. | |
## Wer ist die Atomwaffen-Division? | |
Eine rechtsextremistische Gruppe mit dem Namen „Atomwaffen Division“ (AWD) | |
ist in den USA aktiv, ihr werden dort fünf Morde zugerechnet. Es gibt | |
Hinweise, [2][dass die Gruppe auch in Deutschland existiert oder zumindest | |
versucht, deutsche Nazis anzusprechen und so zu expandieren.] | |
Das Bundeskriminalamt verwies am Samstag allgemein auf eine Antwort der | |
Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Fraktion vom Juli 2018. Darin | |
hieß es, nach vorliegenden Erkenntnissen ergäben sich keine Anhaltspunkte, | |
dass es sich bei der „Atomwaffen Division“ um eine terroristische | |
Vereinigung handle. Weiter hieß es: „Die Gefährdung durch extrem rechte und | |
rechtsterroristische Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, | |
auch nach der Ankündigung der Existenz eines deutschen Ablegers der AWD, | |
unverändert auf einem abstrakt hohen Niveau.“ | |
Roth sagte den Funke-Blättern: „Die Drohung mag diesmal gegen Cem und mich | |
gerichtet sein, doch sie reiht sich ein in eine lange Liste versuchter | |
Einschüchterungen – gegen Kommunalpolitikerinnen und die Zivilgesellschaft, | |
gegen Jüdinnen und Muslime, gegen Künstlerinnen und Menschen mit | |
Migrationshintergrund.“ Und weiter: „Wer glaubt, uns mit seinem dumpfen | |
Hass und seiner geschichtsblinden Hetze vom Einsatz für eine vielfältige | |
und weltoffene Gesellschaft abbringen zu können, den muss ich bitter | |
enttäuschen.“ | |
Der 53-jährige Ex-Grünen-Chef Özdemir gab die Droh-Mail an die | |
Bundestagspolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) weiter. Er wurde in der | |
Vergangenheit bereits wegen seiner scharfen Kritik am türkischen | |
Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von türkischen NationalistInnen massiv | |
bedroht. Eine Sprecherin von Özdemir sagt der taz am Montag, die neue | |
Drohmail steche dennoch in ihrer Drastik deutlich aus den „üblichen“ | |
Beleidigungen hervor. Özdemir erhält bereits seit längerem Personenschutz | |
vom BKA. | |
## Prall gefüllte Mappen mit Strafanzeigen | |
Özdemir sagte den Zeitungen der Funke-Gruppe: „Ich kann mich auf den | |
Begleitschutz durch das BKA verlassen. Doch was ist mit all den | |
Kommunalpolitikerinnen und den ehrenamtlich Engagierten, die angefeindet | |
werden und keinen Personenschutz haben?“ | |
Auf Twitter veröffentlichte Özdemir ein Foto von sich beim Unterschreiben | |
von Strafanzeigen. „Dafür gehe ich sogar am Samstag gerne ins Büro: Prall | |
gefüllte Unterschriftenmappen mit Strafanzeigen gegen deutsche und | |
türkische Fanatiker für Bedrohungen, Verleumdungen bzw. Beleidigungen“, | |
schrieb er dazu. | |
Die Bundesregierung hatte erst vor kurzem angekündigt, mit schärferen | |
Strafen, erweiterten Kompetenzen der Behörden und einer Meldepflicht für | |
strafbare Inhalte im Internet auf die rechte Gewalt der vergangenen Monate | |
reagieren zu wollen. Der Plan sieht auch einen besseren Schutz für | |
Kommunalpolitiker vor. Im Juni war der Kasseler Regierungspräsident Walter | |
Lübcke (CDU) ermordet worden. Stephan E., der den Behörden vor Jahren als | |
Rechtsextremist aufgefallen war, sitzt in diesem Fall als Hauptverdächtiger | |
in Untersuchungshaft. | |
4 Nov 2019 | |
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