# taz.de -- Aufarbeitung des NSU-Terrors: Kampf ums Gedenken | |
> Am 4. November 2011 flog der NSU auf – in Zwickau. Bis heute ringt die | |
> Stadt darum, wie mit den Rechtsterroristen umzugehen ist. | |
Bild: Zwickau im Oktober: neue Bäume zum Gedenken an die NSU-Opfer | |
Zwickau taz | Die Bäume stehen schon, alle zehn. Eichen, Ahorn, eine Buche. | |
Am Sonntag sollen sie eingeweiht werden. Aber bereits sechs Tage vorher | |
haben sie die Gärtner der Stadt in die Wiese des Zwickauer | |
Schwanenteichparks gestemmt, harken die Erde fest, legen Bastmatten um die | |
Stämme. Daneben steht Martin Böttger, Hände in den Anoraktaschen, und freut | |
sich. „Richtig groß diesmal“, staunt der Grünen-Stadtrat. | |
Dann hockt sich Böttger zu seiner kniehohen Kastanie. An die Stelle, wo mal | |
eine zierliche Eiche stand. Und wo sich jetzt nur noch Blumen türmen, | |
dazwischen Kerzen, kleine Zettel. „Was hat euch der Baum getan?“, steht auf | |
einem. Die Eiche, die hier keinen Monat stand, wurde am 3. Oktober | |
abgesägt. | |
Es war der Gedenkbaum für Enver Şimşek, das erste Mordopfer des | |
„Nationalsozialistischen Untergrunds“. Ein Blumenhändler, zweifacher Vater, | |
erschossen im September 2000 in Nürnberg, am helllichten Tag. Von | |
Rechtsterroristen, die in Zwickau ihren Unterschlupf hatten. | |
„Ich dachte, jetzt wurde Enver Şimşek ein zweites Mal getötet“, erinnert | |
sich Martin Böttger an den [1][Moment, an dem er von dem abgesägten Baum] | |
erfuhr. Der 72-Jährige, ein früherer DDR-Bürgerrechtler, heute Stadtrat und | |
Organist, war fassungslos. Dann buddelte er die kleine Kastanie aus seinem | |
Garten und pflanzte sie neben die abgesägte Eiche. „Jetzt erst recht“, sagt | |
Böttger. | |
## Eine „ruchlose Tat“ | |
Nicht nur er war geschockt. Der abgesägte Gedenkbbaum entsetzte viele in | |
Zwickau und weit darüber hinaus. Bürgermeisterin Pia Findeiß sprach von | |
einer „ruchlosen Tat“. Schüler legten Blumen nieder, 300 Zwickauer kamen zu | |
einer Kundgebung, Bürger spendeten 6.000 Euro für neue Bäume. | |
Aber nur einen Tag nach der Eiche wurde auch eine Gedenkbank für die Opfer | |
des NSU zerstört. Unbekannte hatten die neben dem Baum aufgestellt. Schon | |
vor drei Jahren hatte eine Gruppe von Zwickauern elf solcher Gedenkbänke | |
anonym auf dem Schumannplatz aufgestellt, zehn für die zehn NSU-Ermordeten | |
und eine für möglicherweise noch unbekannte Opfer des NSU. Nur Stunden | |
später waren die Bänke mit Farbe beschmiert, eine war eingetreten, zwei | |
wurden geklaut. Was ist da los in Zwickau? | |
Nun wird zumindest der Gedenkbaum neu gepflanzt, zusammen mit neun weiteren | |
Bäumen – für jedes NSU-Mordopfer einer. „Wir lassen uns nicht | |
unterkriegen“, sagt Findeiß. Am Sonntag werden die Bäume feierlich | |
eingeweiht. Einen Tag später reisen sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel und | |
Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer an, um an der | |
Gedenkstätte Blumen niederzulegen. Am 4. November – dem Tag, als vor genau | |
acht Jahren der NSU in Zwickau aufflog. | |
Zumindest bis dahin steht nun ein Polizeiauto neben den Bäumen, auch | |
nachts. Bisher sei alles ruhig, sagen die zwei Polizisten darin. Die Frage | |
ist dennoch: Wie lange stehen die Bäume diesmal? Dahinter aber steht eine | |
noch viel größere Frage: Wie steht die Stadt zum NSU-Terror? | |
Martin Böttger hat seine Antwort gefunden. Zwickau müsse sich diesem Thema | |
offensiv stellen. „Das Trio hat hier gelebt, wir haben gar keine Wahl.“ | |
## Ein Problem der ganzen Republik | |
Die Bürgermeisterin Findeiß sagt, der NSU-Terror sei nicht nur ein | |
Zwickauer Problem, sondern eines der ganzen Republik. „Aber natürlich | |
stellen wir uns der Geschichte. Wir stehen zu unserer Verantwortung | |
gegenüber den Opfern.“ | |
Aber ganz so eindeutig ist die Sache nicht. | |
Es ist Beate Zschäpe, die am 4. November 2011, in der Frühlingsstraße 26 in | |
Zwickau, einer Einfamilienhaus-Gegend, mit zehn Liter Benzin ein Haus in | |
die Luft jagt. Drei Jahre hatte sie dort mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt | |
unbemerkt gelebt, zuvor zehn Jahre im Zwickauer Westen und in Chemnitz. Nun | |
hatten sich die Männer nach einem missglückten Banküberfall erschossen. | |
Und Zschäpe zerstörte den letzten Unterschlupf, flüchtete – nicht aber ohne | |
die Bekenner-DVD des NSU zu verschicken. Erst jetzt wurde bekannt, dass | |
Rechtsextremisten jahrelang unerkannt das Land terrorisierten: mit zehn | |
Morden, drei Anschlägen, 15 Raubüberfällen. | |
Acht Jahre ist das her. Und noch immer ist das Urteil gegen Beate Zschäpe | |
nicht rechtskräftig, noch immer läuft ein NSU-Untersuchungsausschuss – in | |
Mecklenburg-Vorpommern, wo Mehmet Turgut erschossen wurde. Und noch immer | |
wird über das Gedenken an die NSU-Opfer gerungen, dieses auch geschändet. | |
Nicht nur in Zwickau. | |
Schon vor Jahren beschloss Thüringen, wo der NSU untertauchte, eine | |
Mahnstätte zu errichten – es gibt sie bis heute nicht. Auch in Köln, wo die | |
Gruppe zwei Anschläge verübte, wird über ein Denkmal gestritten. In | |
Nürnberg urinierten Neonazis auf eine Gedenkplatte für die NSU-Opfer und | |
stellten ein Foto davon ins Internet. In Kassel wurde ein Gedenkstein mit | |
Bitumen überkippt, in Rostock und Heilbronn war es Farbe. | |
Die Nachricht vom abgesägten Gedenkbaum in Zwickau erreichte schnell auch | |
Enver Şimşeks Familie. Sehr emotional habe diese reagiert, sagt deren | |
Anwältin Seda Basay-Yildiz. „Es hat sie sehr traurig gemacht. Für sie ist | |
die Tat nicht zu begreifen. Wer macht sowas?“ Nun hofften die Angehörigen, | |
dass es diesmal gelinge, die Bäume zu schützen. | |
Ja, wer macht sowas? Pia Findeiß antwortet auf diese Frage in ihrem Büro im | |
Rathaus, erster Stock, Blick runter auf den Hauptmarkt. Sie knippert mit | |
den Fingern an ihrem blauen Schal. „Es gibt offensichtlich Menschen, denen | |
das Gedenken nicht passt“, sagt die Bürgermeisterin. Findeiß hat eine | |
Ahnung. Sie erzählt, dass sie eine deutsche Eiche habe pflanzen lassen. | |
Damit Bösgesinnte vielleicht zögern würden. Es half nichts. „Aber diese | |
Leute sind hier nicht in der Mehrheit.“ | |
## Auf dem rechten Auge blind? | |
Findeiß kennt ihre Stadt genau. Die Sportwissenschaftlerin ist in Zwickau | |
geboren, wurde hier schon 1994 Sozialdezernentin. Seit 2008 ist sie | |
Bürgermeisterin. Drei Jahre später flog der NSU auf. Es war ein Schock für | |
Findeiß. Die Sozialdemokratin brauchte damals Tage, bis sie sich öffentlich | |
äußerte. Da stand bereits Martin Böttger mit einer Mahnwache vor dem | |
Rathaus. | |
Eine Woche später kamen 3.000 Zwickauer für eine Kundgebung zusammen. Und | |
Findeiß trat ans Mikrofon. Man sei „zutiefst bestürzt“, dass die | |
Rechtsterroristen in der Stadt lebten. Man trauere um die Opfer. „Waren wir | |
auf dem rechten Auge blind?“, fragte Findeiß. Und verneinte. „Unsere Stadt | |
ist nicht braun.“ | |
Es ist das Mantra der Sozialdemokratin bis heute. Findeiß berichtet vom | |
langjährigen Engagement des Demokratiebündnis in der Stadt, von kreativem | |
Gegenprotest zu Neonazi-Aufmärschen. Und dennoch: Ausgerechnet bei der | |
Aufarbeitung des NSU ringt Zwickau seit Jahren mit sich. | |
Schon früh verbat sich Findeiß, von der Zwickauer Terrorzelle zu sprechen, | |
um das Image der Stadt nicht weiter zu belasten, ließ dafür einen Brief ans | |
Kanzleramt schicken. Findeiß schickte aber auch ein zweites Schreiben, in | |
dem sie um Geld für ein NSU-Dokumentationszentrum in Zwickau bat – zurück | |
kam eine Absage. Dann ließ die Stadt die Ruine in der Frühlingsstraße | |
abreißen, um eine rechte Pilgerstätte zu verhindern. Zurück blieb eine | |
grüne Wiese. Es wurde still. | |
Für Chris Schlüter zu still. Als am 4. November 2016 die elf Gedenkbänke an | |
den NSU zerstört wurden und die Zwickauer kaum reagierten, tat es der | |
Jugendsozialarbeiter. Er organisierte eine Mahnwache, stellte Kerzen auf | |
den Schumannplatz. Der 32-Jährige ist fast immer dabei, wenn es in Zwickau | |
Aktionen gegen rechts gibt, macht beim Demokratiebündnis mit, aktuell auch | |
bei der Initiative „Für weniger Angst“. Immer wieder veranstaltete er | |
kleine Gedenkaktionen – die Resonanz blieb überschaubar. | |
Die Zwickauer hätten lange gebraucht, bis sie bei beim Thema [2][NSU] wach | |
geworden seien, kritisiert Schlüter, als er im olivgrünen Parka wieder von | |
einem Termin zum anderen durch die Stadt läuft, die Kapuze wegen der Kälte | |
über den Kopf gezogen. Viele fürchteten einen Imageschaden für die Stadt, | |
andere seien schlicht „überfordert und erschlagen“. | |
Als die Eiche für Enver Şimşek gefällt wurde, war es wieder Schlüter, der | |
die Kundgebung organisierte. Diesmal aber sei die Reaktion eine andere, | |
sagt er. „Diesmal überwiegt die Erschütterung.“ Für Schlüter aber ist k… | |
Es hätte viel früher ein klares Bekenntnis zur Aufarbeitung des NSU geben | |
müssen. | |
Auch Pia Findeiß erkannte dies irgendwann. Auch sie kritisierte nach den | |
zerstörten Bänken 2016 einen fehlenden Aufschrei in der Stadt, warf den | |
Zwickauern „Ignoranz“ vor. Die Bänke ließ Findeiß später beim | |
Neujahrsempfang der Stadt aufstellen. | |
Als im vergangenen Sommer in München das Urteil im NSU-Prozess fiel, gegen | |
Beate Zschäpe und vier Helfer, lud Findeiß zum Gedenken an die Mordopfer | |
und ließ im Rathaus eine Tafel mit den zehn Namen aufhängen. „Wir sind | |
bestürzt und beschämt“, steht darüber. „Nie wieder!“ Kurz darauf wurde… | |
Idee zu den Gedenkbäumen angestoßen, die Findeiß schließlich in Eigenregie | |
durchzog. | |
Aber es gibt weiter auch die andere Seite. Als 2016 eine Künstlergruppe ein | |
Theatertreffen in Zwickau zum Thema NSU abhalten wollte, Titel „Unentdeckte | |
Nachbarn“, und um Fördergelder bat, lehnte der Kulturausschuss dies | |
zunächst ab. Die CDU warnte vor einem „Stigma“, das man verfestige. Findei… | |
hingegen warb für das Projekt, am Ende genehmigte der Ausschuss die | |
Förderung. | |
## Rechtsextreme Splitterpartei | |
Selbst nun, nach der gefällten Eiche, scheinen nicht alle betroffen. Als | |
der Stadtrat ein Memorandum aufsetzte, in dem die Tat verurteilt und | |
außerdem kritisierte wurde, wie Menschen wegen ihrer Herkunft angefeindet | |
werden, unterschrieb die AfD nicht. Gänzlich unverhohlen gibt sich die | |
rechtsextreme Splitterpartei, der III. Weg, in Zwickau: Dort wird offen | |
über das „kollektive Gewimmer um ein Bäumchen“ geätzt. Man solle lieber | |
Opfern von „Ausländergewalt“ gedenken, „anstatt Bäume für Fremde zu | |
pflanzen“. | |
Chris Schlüter ist überzeugt, dass die Fällung „eine organisierte | |
Nazi-Aktion“ war. Die Täter rückten mit einer Säge an, das spreche gegen | |
eine spontane Tat. „Das war ein Signal: Wir sind da, wir machen was.“ | |
Tatsächlich hatte es einen ähnlichen Vorfall bereits 2015 gegeben. Der | |
Jugendmigrationsdienst in Zwickau hatte einen Baum aufgestellt, als Symbol | |
für Vielfalt. Bei der Pflanzaktion tauchten rechtsextreme Identitäre mit | |
einem Banner auf. Wenig später war der Feldahorn abgesägt. | |
Heute ist es vor allem der III. Weg, der in Zwickau aktiv ist, vorrangig im | |
Neubaugebiet Neuplanitz. Hier lud die Partei zu einem Sommerfest und einem | |
Fußballturnier, lief „nationale Streifen“. Das NSU-Verfahren in München | |
geißelten die Neonazis als „Schauprozess“. Die Position überrascht nicht, | |
im Parteiumfeld bewegt sich auch ein Zwickauer, der für das NSU-Kerntrio | |
zum treusten Helfer wurde: André Eminger. | |
Auch der 40-Jährige, mit Nazi-Tattoos übersäht, wohnt in Neuplanitz, in | |
einem der Hochhäuser, etliche Nachbarn sind Migranten. Zschäpe, Mundlos und | |
Böhnhardt verschaffte Eminger schon 1998, kurz nach dem Untertauchen, eine | |
Wohnung, später eine Krankenkassenkarte, er mietete für sie Wohnmobile an, | |
kam regelmäßig zu Besuch. Noch ganz am Schluss, nach der Explosion in der | |
Wohnung am 4. November 2011, verhalf er Beate Zschäpe zur Flucht aus | |
Zwickau. | |
Im NSU-Prozess erhielt Eminger dennoch die mildeste Strafe aller | |
Angeklagten, auch weil er als einziger bis zum Schluss schwieg: zweieinhalb | |
Jahre Haft. Selbst sein Anwalt bezeichnete ihn als „Nationalsozialisten mit | |
Haut und Haaren“. Rechtsextreme feiern ihn als Helden. Und Eminger tritt | |
weiter offen in der Szene auf, besucht Rechtsrockkonzerte und | |
NS-Zeitzeugenvorträge. Was er zu dem abgesägten NSU-Gedenkbaum sagt, weiß | |
man nicht: Als die taz bei ihm zu Hause klingelt, öffnet niemand. | |
## Dokumentationszentrum gefordert | |
Der NSU in Zwickau ist keine Vergangenheit. Er ist Gegenwart. | |
An diesem Sonntag kommen deshalb auch andere nach Zwickau: Aktivisten des | |
„[3][NSU-Tribunals]“. Das NSU-Netzwerk wirke bis heute, kritisiert das | |
Bündnis, das seit Jahren mehr Aufklärung zu der Terrorserie einfordert. Die | |
Gruppe fordert dafür einen festen Ort. Am Wochenende baut sie mit Zwickauer | |
Engagierten deshalb ein leerstehendes Modegeschäft in der Innenstadt um: | |
als „Interim-Dokumentationszentrum“, mit Ausstellungen und Diskussionen. Es | |
ist der alte Findeiß-Vorschlag. | |
Bisher seien alle NSU-Gedenkorte Stätten der Stille, sagt | |
„Tribunal“-Sprecher Danilo Starosta. Es fehle ein „diskursiver Ort“, mit | |
Platz für Workshops und Bildungsangebote. Zwickau wäre dafür ideal. Auch | |
als in Sachsen der NSU-Untersuchungsausschuss endete, forderten Linke und | |
Grüne ein solches Zentrum. | |
Die Idee findet Anklang. Martin Böttger, der Grüne, und Chris Schlüter sind | |
dafür. Ebenso die Zwickauer Geschichtswerkstatt, die zuletzt | |
Schülerprojekte zum NSU veranstaltete. Dort hat man auch einen Vorschlag, | |
wo das Dokumentationszentrum mit einziehen könnte: in das einstige | |
Schocken-Kaufhaus in der Altstadt, in der Nähe des Rathauses. | |
Schlüter führt zu dem Gebäude, zeigt auf die leeren Fenster, im Erdgeschoss | |
ein Billigprodukte-Shop. „Das Haus wird demnächst saniert, dazu die Lage, | |
das passt alles“, sagt Schlüter. Zudem wäre es auch ein Symbol, weil die | |
früheren Eigentümer Juden waren, deren Besitz arisiert wurde. | |
Auch Pia Findeiß sagt, sie stehe weiter zu ihrem Vorschlag. Das | |
Schocken-Kaufhaus aber werde schwierig, das sei in privater Hand. Vor allem | |
aber brauche es die Gelder vom Bund für ein NSU-Dokumentationszentrum. | |
Zwickau allein könne das nicht stemmen, auch gehe das Thema ja weit über | |
die Stadtgrenzen hinaus. Der Bundesregierung ist eine neue Anfrage für ein | |
solches Zentrum nicht bekannt. Deshalb nimmt sie dazu keine Stellung. | |
Wer auch immer den Baum für Enver Şimşek absägte, eines hat er erreicht: | |
Die Stadt ist wachgerüttelt. Auf der Kundgebung nach der Tat waren auch | |
CDU-Stadträte. Einer von ihnen, Christian Siegel, erklärt, auch er sei für | |
ein Dokumentationszentrum offen. „Zwickau kann den NSU nicht verdrängen. | |
Wir haben hier eine Verpflichtung.“ Und auch Pia Findeiß sagt, das Thema | |
NSU werde Zwickau nie abhaken können. „Und wir müssen wohl auch etwas mehr | |
tun als andere Städte.“ | |
## Es geht nicht um das Image der Stadt | |
Martin Böttger sagt, heute habe er das Gefühl, die Mehrheit der Zwickauer | |
stehe hinter dem NSU-Gedenken. Auch Chris Schlüter sieht das so. Es müsse | |
aber klar sein, dass es hier nicht um das Image der Stadt gehe. „Es geht um | |
die Opfer.“ | |
Auch die Familie von Enver Şimşek verfolgt die Vorgänge in Zwickau. Am | |
Freitag kritisiert Gamze Kubasik, Tochter des Dortmunder NSU-Opfers Mehmet | |
Kubasik, dass die Familien nicht zur Idee der Gedenkbäume befragt und auch | |
nicht zur Gedenkfeier nach Zwickau eingeladen wurden. Das Erinnern an ihren | |
Vater sei natürlich zu begrüßen, dieses Vorgehen aber „eine | |
Unverschämtheit“, so Kubasik. | |
Wolle sich Merkel vor kritischen Fragen nach der NSU-Aufklärung drücken? | |
Auch die Familie von Enver Şimşek bestätigt, nicht nach Zwickau eingeladen | |
worden zu sein. | |
Die Idee eines Dokumentationszentrums findet sie aber „sehr gut“, sagt | |
deren Anwältin Basay-Yildiz. Weil es die Hoffnung der Familie sei, dass | |
Enver und die anderen Opfer nicht vergessen würden, der NSU-Terror doch | |
noch weiter aufgeklärt werde, die Politik endlich ernsthaft gegen | |
Rechtsextremismus vorgehe. | |
Es ist dieser Punkt, an dem sich die Şimşeks und Bürgermeisterin Pia | |
Findeiß treffen: Die Verantwortung, die aus dem NSU-Terror erwächst, sie | |
gehe über Zwickau hinaus. Basay-Yildiz sagt, es gebe eines, dass die | |
Familie ebenso schmerzt: „Dass auch nach dem NSU Menschen durch Neonazis | |
ermordet wurden.“ [4][Walter Lübcke] in Kassel, die zwei Toten von Halle. | |
Damit, so die Anwältin, bleibe alles Gedenken Makulatur. „Denn für die | |
Familie hätte genau das verhindert werden müssen.“ | |
4 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Gedenkbaum-in-Zwickau-abgesaegt/!5631305 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/politik/438-tage-die-chronik-des-nsu-prozesses/… | |
[3] http://www.nsu-tribunal.de/wp-content/uploads/2017/10/NSU-Tribunal_Anklages… | |
[4] /Schwerpunkt-Mordfall-Walter-Luebcke/!t5600830 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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