# taz.de -- Pro & Kontra CDU-Linkspartei-Koalition: Sollen sie oder sollen sie … | |
> Eine Koalition von CDU und Linkspartei scheint in Thüringen nicht mehr | |
> ausgeschlossen. Wäre das die richtige Entscheidung? | |
Bild: Mike Mohring (links, CDU) und Bodo Ramelow (rechts, Linkspartei): Sind si… | |
## Ja! | |
Eine Koalition von Linkspartei und CDU: Warum eigentlich nicht? Für die | |
Demokratie sei das ganz schlecht, werden Vertreter der reinen Lehre | |
einwenden. Die Parteien müssten doch unterscheidbar bleiben. Außerdem dürfe | |
eine breite Einheitsfront gegen die AfD diese nur in ihrer Opfererzählung | |
bestärken: Alle sind gegen uns! | |
Aber behauptet die AfD das nicht ohnehin? Selbst wenn der Faschist Björn | |
Höcke zur besten Sendezeit seine große „Abschiebeinitiative“ als Wahlziel | |
vorstellen kann, werden AfDler immer noch behaupten, in Deutschland könne | |
man nicht mehr frei seine Meinung äußern. Das geht demnach erst, wenn alle | |
zustimmen beziehungsweise die Kritiker mundtot gemacht worden sind. | |
Die AfD ist eine Partei, die zwar demokratisch legitimiert sein mag, aber | |
deshalb noch lange nicht demokratisch ist. Und es ist Aufgabe der | |
Demokraten, sich von dieser Partei klar abzugrenzen. Klare Kante gegen | |
Nazis zu zeigen, heißt dann zwangsläufig auch, [1][dieser inhumanen und | |
intoleranten Partei] geschlossen gegenüberzutreten. | |
Die Linke kann nicht einerseits applaudieren, wenn der Thüringer CDU-Chef | |
Mike Mohring Höcke als Nazi bezeichnet, und sich gleichzeitig abwenden, | |
sobald Mohring auf demokratischer Grundlage mit ihnen über eine Koalition | |
reden will – aber das tut sie erfreulicherweise auch nicht. | |
Klar haben beide Parteien unterschiedliche Auffassungen: Was etwa den | |
Verfassungsschutz angeht – die Linke will ihn abschaffen, die CDU stärken – | |
oder das Schulwesen. Aber es bedeutet nicht, dass sie nicht zusammenkommen | |
können. Zum Wesen der Demokratie gehört die Aushandlung von Interessen und | |
die Suche nach einem Konsens. Niemand kann behaupten, dass Menschen, die | |
sich auf Kompromisse einigen, ihre jeweilige Individualität aufgeben. Das | |
gilt auch für Parteien. | |
Die Demokratie wird nicht geschwächt, wenn es nicht mehr streng nach | |
Links-rechts-Schema geht. Im Gegenteil. Neue Bündnisse wirken belebend. | |
Anna Lehmann | |
*** | |
## Nein! | |
Ein Viertel der Bürger wählt im Osten eine offen rechtsextreme Partei – und | |
in den Wahlkampfzentralen herrscht von CDU bis zur Linkspartei bleierne | |
Ratlosigkeit. Ein Patentrezept gegen die AfD hat niemand. Aber was der | |
Rechten nutzt, ist klar zu erkennen. Die diffuse Große Koalition in Berlin | |
wirkt wie eine Nährlösung für die AfD. SPD und Union erscheinen vielen wie | |
zwei Flügel einer Staatspartei. Die Sozialdemokratisierung der CDU hat | |
konservative WählerInnen in die Arme der AfD getrieben. Gegen die AfD hilft | |
[2][mehr Unterscheidbarkeit in der Mitte], eine konservativere Union und | |
eine linkere SPD. | |
Eine Koalition von Linkspartei und CDU in Erfurt ist genau das Gegenteil: | |
eine Ausdehnung der diffusen Mitte ins schier Unendliche. Diese Groko in | |
Erfurt würde enttäuschte Konservative, die Mike Mohrings markige | |
Abgrenzungen gegen Ramelow noch im Ohr haben, scharenweise vertreiben. Sie | |
wäre keine Antifa-Koalition, sondern ein groß angelegtes | |
Wählerbeschaffungsprogramm für die Höcke-Partei. | |
Nichts spricht gegen die nötigen politischen Dehnungsübungen einer | |
Minderheitsregierung und eine punktuelle Zusammenarbeit der Linkspartei mit | |
FDP und CDU – aber alles gegen ein Bündnis von [3][Ramelow] und Mohring. | |
In den 70er Jahren haben in Italien Kommunisten und Christdemokraten | |
versucht, über ideologische Mauern hinweg Gemeinsames zu suchen. Der | |
historische Kompromiss war ein lohnendes, wenn auch gescheitertes | |
Experiment. Eine Koalition von Linkspartei und CDU wäre kein Aufbruch, | |
sondern ein aus Not und Machtlogik geborener Trick. Der Preis wäre | |
Prinzipienlosigkeit. | |
Erst kommt das Land, dann die Partei, so lautet Mohrings neue Devise. Das | |
klingt selbstlos, nach edlem Opfer für das Gemeinwesen, ist aber oft | |
Mogelei. Damit hat schon Gerhard Schröder die SPD ruiniert. Mohrings | |
Strategien scheinen sich derzeit im Zwölf-Stunden-Takt zu ändern. Die | |
Linkspartei sollte ihm höflich, im Interesse der Demokratie und nicht | |
zuletzt der CDU, diesen Unfug ausreden. Stefan Reinecke | |
28 Oct 2019 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Anna Lehmann | |
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