# taz.de -- Radikalität und Klimaproteste: Burning Down the Dickschiff | |
> Klimaaktivisten sollen radikaler werden, fordern manche. Aber bringen | |
> brennende SUVs Fridays for Future und die Klimapolitik voran? | |
Bild: Dick, dicker, SUV: Porsche Cayennes auf einem Parkplatz des Leipziger Por… | |
Wie kann die wachsende Fridays-for-Future-Gesellschaft das Problem der | |
fehlenden Klimapolitik einer selbstbeschäftigten Bundesregierung auch im | |
kommenden Jahr im Zentrum des Gespräches halten? Das wird nicht einfach in | |
einer kulturell auf Ablenkung, Personen und Empörung fokussierten | |
Mediengesellschaft. | |
Da sagt jetzt der Mittelschichts-Revolutionär, der seine Unterhosen bügelt: | |
„Na ja, die müssen ‚radikaler‘ werden, so Extinction-Rebellion-Style, ab… | |
verschärft.“ Ob das auch meint, SUVs abzufackeln, hängt davon ab, ob er | |
selbst einen hat. | |
Eine wirre Rosamunde-Pilcher-Fantasie von „Radikalität“ ist jedenfalls fest | |
eingepflegt in ein romantisches Selbstbild bestimmter Milieus. In der Regel | |
sind das Festangestellte mit drei Flug-Urlauben im Jahr. Es basiert auf | |
einem Irrtum: dass eine moderne und komplex organisierte Gesellschaft | |
irgendetwas plötzlich einsehen und sich alles sofort um 180 Grad drehen | |
könnte. | |
Das war schon 1968 ein grandioser Irrtum. Was danach langsam vorankam, war | |
die Befreiung des Einzelnen, das Aufbrechen von autoritären Traditionen und | |
eine Liberalisierung der Institutionen und Parteien durch kulturellen | |
Wandel. | |
Worum geht es? Der Grüne Bundesvorsitzende Robert Habeck hat den Satz | |
ausprobiert: [1][„Radikal ist das neue realistisch.“] Damit meint er neue | |
Ordnungspolitik, die den radikalen Veränderungen angemessen ist. | |
Irgendwann sagte sogar der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, so | |
gesehen sei er jetzt auch für Radikalität. Aber es scheint mir dennoch | |
zweifelhaft, ob das Wort im Habeck’schen Sinne besetzt werden kann. Also in | |
der Bedeutung: ernsthafte Klimapolitik statt Nicht-Politik zugunsten einer | |
ungebremsten Erderhitzung, wie Union und SPD sie praktizieren. | |
Es geht um die Verteidigung unserer liberalen Demokratie durch einen | |
sozialökologischen Ordnungsrahmen und ein anderes Wirtschaften. Dafür | |
braucht es auch Omi und Opi von der Schwäbischen Alb. Die sitzen in ihrem | |
Haus mit Solaranlage, hören Helene Fischer, stauben ihre Gartenzwerge ab. | |
Und finden die jungen Frauen von Fridays for Future sympathisch und ihren | |
Wunsch nach einer okayen Zukunft angemessen. | |
Jetzt kommen aber Verteidiger des Status quo und sagen: Passt bloß auf, das | |
sind „Radikale“, die euch euren SUV wegnehmen wollen. Davon darf man sich | |
nicht Angst machen lassen, das ist klar, aber man muss das schon vom Ende | |
her denken. Ich gehe davon aus, dass diejenigen unter uns, die ihren SUV | |
schon abgegeben haben, eine Minderheit sind und bleiben werden. Und selbst | |
wenn, wäre das eine symbolische Maßnahme, die mit der Lösung des globalen | |
Problems nichts zu tun hat. Und wer jetzt ruft, er habe gar keinen SUV – | |
toll, löst aber auch nichts. | |
Die Frage ist: Fordern Omi, Opi, Papi und Mami, gesellschaftspolitisch | |
„konservative“ und „progressive“ Leute, die sich bisher null dafür | |
interessiert haben, dass Merkel nichts gemacht und Sigmar Gabriel die | |
Erneuerbaren-Branche zerstört hat, fordern und wählen die mehrheitlich | |
Klimapolitik, weil Straßen blockiert werden und so weiter? Oder übertragen | |
sie gar den FFF-Impuls in ein anderes gesellschaftliches Subsystem und | |
bringen ihn dort voran? Sicher nicht. | |
Dass die Friday-Kids mit 18 oder 23 wissen, wie Change in einer komplexen | |
und [2][divers organisierten Gesellschaft gehen kann], und einige | |
ewigpubertierende Weltrettungsdarsteller immer noch nicht, ist trauriger | |
Nebeneffekt einer verantwortungslosen Ego-Kultur, die nichts zu der | |
anstehenden Veränderung beizutragen hat. Schluss damit. | |
3 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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