| # taz.de -- Kampf gegen Mietenexplosion: Tschüs, schöne Aussicht | |
| > In Leipzig Connewitz regt sich Protest gegen steigende Mieten und | |
| > Gentrifizierung. Die Entwicklung ist exemplarisch auch für viele andere | |
| > Städte. | |
| Bild: Klare Botschaft: Graffiti im linken Leipziger Stadtteil Connewitz | |
| Leipzig taz | „Niemand hat die Absicht, Luxuswohnungen zu errichten“ steht | |
| in lila-goldenen Lettern über dem Zaun vor einer Baubrache im Leipziger | |
| Süden. Aktivist*innen haben mit Bänken und Liegestühlen die Straße | |
| besetzt. Kinder üben sich im Torwandschießen, eine Hüpfburg steht mitten | |
| auf der Straße. Es ist eine Nachbarschaftsvernetzung, die hier kurzerhand | |
| zum Protest einlädt. | |
| Das Netzwerk nennt sich „Ciao Bella Vista“, Tschüs, schöne Aussicht. In | |
| Anlehnung an das geplante „La Vida – Bella Vista“, das neueste Bauprojekt | |
| im Leipziger Süden. Immer mehr Neubauten sind in den vergangenen Jahren im | |
| Stadtteil Connewitz entstanden, nun ist ein weiteres Quartier geplant. | |
| Der Bauboom ist offensichtlich: Aktuell sind etwa 330 Neubauwohnungen für | |
| das Viertel geplant. Mit „Bella Vista“ kommen weitere 111 Wohnungen dazu. | |
| Connewitz, bekannt als „Antifa-Area“ Leipzigs, als Ort alternativer Kultur | |
| und Kiez der linkspolitischen Szene, wandelt sich. | |
| „Die Neubauten werden das Viertel verändern“, sagt [1][Juliane Nagel, | |
| Stadträtin der Linken.] Nicht allein kulturell, sondern vor allem im | |
| Hinblick auf die sozioökonomische Struktur.Nach Eintreffen der Polizei hat | |
| sie heute spontan eine Kundgebung angemeldet. | |
| ## Die Neubauten heben die Preise im gesamten Viertel | |
| Es sind die Anwohner*innen selbst, die aktiv werden. Junge Familien, ältere | |
| Menschen, Aktivist*innen. Man plaudert, spielt, trinkt Tee.„Es gibt | |
| genügend kollektive Kräfte, sich Räume zu nehmen, wenn die Stadt weiter | |
| privatisiert“, sagt Martin Hinterseer, der Sprecher des Netzwerks. | |
| Die Neubauten heben die Preise für das gesamte Viertel, viele | |
| Leipziger*innen können sich die Miete nicht mehr leisten. Damit werden | |
| genau diejenigen verdrängt, die das Viertel seit Jahrzehnten prägen. | |
| Die Situation in Leipzig ist exemplarisch für Entwicklungen in ganz | |
| Deutschland und [2][eine Debatte, die nicht zuletzt durch den Berliner | |
| Mietendeckel wieder aktuell ist.] „Wir erwarten nicht von der Stadt, dass | |
| sie uns Wohnungen hinstellt“, sagt Hinterseer. „Sondern dass sie aufhört, | |
| privaten Investoren öffentliche Räume zu verkaufen.“ | |
| In den vergangenen Wochen hat es mehrfach auf Baustellen in Leipzig | |
| gebrannt, zuletzt auch in Connewitz. Die Polizei nahm mehrere Personen | |
| fest, sprach von Angriffen auf Beamte und Feuerwehrleute, was die Feuerwehr | |
| jedoch dementierte. Nichtsdestotrotz sah sich das sächsische | |
| Innenministerium alarmiert und kündigte an, das „weitere Vorgehen gegen den | |
| Linksextremismus“ zu besprechen. Ein Zusammenhang zwischen den Bränden | |
| sieht die Polizei bisher nicht, auch ob die Anschläge überhaupt politisch | |
| motiviert waren, ist noch unklar. | |
| „Das ist ein Zeichen dafür, dass soziale Probleme als Sicherheitsprobleme | |
| diskutiert werden“, sagt Hinterseer. Sein Netzwerk kritisiert auch, dass | |
| die Stadt für den Leopoldpark nicht rechtzeitig einen Bebauungsplan | |
| erlassen hat, durch den es möglich gewesen wäre, an der Gestaltung des | |
| Geländes mitzuwirken. | |
| Die Aktivist*innen fordern, die Debatte über Mietendeckel und Enteignungen | |
| auch in Leipzig zu führen. Es ist zu erwarten, dass Investoren zunehmend | |
| ihre Fühler auch nach Leipzig ausstrecken. Ob Angebot und Nachfrage sich | |
| ausgleichen, wird sich zeigen müssen. Bislang stehen viele Wohnungen in den | |
| glänzenden Neubauten noch leer. | |
| 31 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Linken-Abgeordnete-Juliane-Nagel/!5613020 | |
| [2] /Mietendeckel-in-Berlin/!5634033 | |
| ## AUTOREN | |
| Sarah Ulrich | |
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