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# taz.de -- Gender Equality Index 2018: Langsamer Fortschritt
> Die EU veröffentlicht den Index zur Gleichstellung der Geschlechter. Das
> Ergebnis: Die Situation für Frauen verbessert sich nur gemächlich.
Bild: In keinem EU-Land übernehmen Männer gleich viel Care-Arbeit wie Frauen
Mit der Gleichstellung der Geschlechter geht es in der EU nur schleppend
voran. Das ist das Ergebnis des [1][Gender Equality Index], der am Dienstag
vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) in Brüssel
vorgestellt wurde. Darin wird für die Bereiche Arbeit, Gesundheit, Geld,
Macht, Zeit und Wissen für alle 28 EU-Mitgliedsstaaten ein Score zwischen 0
und 100 errechnet. Hätte ein Land 100 Punkte, wäre dort die vollkommene
Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht. Doch davon ist die EU mit
67,4 Punkten noch lange entfernt. Und ein Fortschritt ist nur langsam zu
erkennen. Kein EU-Land tut also genug, um die Geschlechtergerechtigkeit
wirklich voranzutreiben.
„In 14 Jahren haben wir nur mickrige 5,4 Prozent auf den Weg gebracht. In
diesem Schneckentempo darf es nicht mehr weitergehen. Wir müssen mehr und
das viel schneller tun“, sagt auch Evelyn Regner, Vorsitzende des
Ausschusses für Frauen und Gleichbehandlung im EU-Parlament bei der
Vorstellung der Ergebnisse. Zudem gab es auch in einigen Ländern
Rückschritte. Das zeigt nun wieder einmal: Der Weg zu einem
gleichberechtigten Leben aller Geschlechter verläuft nicht linear nach
oben, sondern braucht einen stetigen Wandel, neue Gesetze und Quoten.
An der Spitze des Index liegt, wie in jedem Jahr, Schweden. In allen
Bereichen, außer dem Sektor Geld, liegt das skandinavische Land vorne. So
zeigt sich im Bereich Zeit, dass Männer und Frauen fast gleich viel Zeit
für Care-Arbeit, wie Kindererziehung, Hausarbeit und soziale Aktivitäten,
verwenden.
Deutschland liegt bei dem Ranking insgesamt knapp unter dem Durchschnitt,
was vor allem am Bereich Macht liegt. Hierbei wird analysiert, wie viele
Frauen Führungspositionen in dem Bereich Politik, Wirtschaft und Soziales
einnehmen. Doch auch im Care-Sektor übernehmen noch immer Frauen deutlich
mehr Aufgaben: So kümmern sich 72,3 Prozent der Frauen täglich um Kochen
und Hausarbeiten, und nur knapp 30 Prozent der Männer. Am ungerechtesten
lebt es sich als Frau – laut Ranking – in Griechenland.
## Neue Bereiche, die nicht miteinberechnet werden
Zu den sechs bestehenden Bereichen kamen dieses Mal die Punkte Gewalt und
Intersektionalität hinzu, die jedoch nicht in den Score miteinberechnet
wurden. [2][Unter dem Aspekt Intersektionalität] sind die Statistiken noch
einmal aufgeschlüsselt in verschiedene Familienformen, Alter,
Bildungsstand, Geburtsland und Behinderungen. Dadurch werden beispielsweise
Unterschiede zwischen alleinerziehenden Frauen und verheirateten Frauen
aufgezeigt. Oder dass Menschen mit Behinderungen in der EU ein höheres
Armutsrisiko haben als nicht behinderte Menschen. Da nicht in allen Ländern
Daten dazu erhoben werden, konnte keine flächendeckende Statisik
veröffentlicht werden. Alle Informationen erhält EIGE von Eurostat, dem
Statistischen Amt der Europäischen Union, das die Daten mittels Umfragen
erhebt.
Dass die Untersuchungen seit 2005 nun erstmals auch ausgeweitet wurden, ist
gut. Doch auch hier kommen verschiedene Aspekte nicht zum Tragen,
verschiedene Formen von Mehrfachdiskriminierung werden nicht
berücksichtigt. Am Beispiel Deutschland lässt sich das so erklären: Es wird
zwar unterschieden, wie Diskriminierung Frauen unterschiedlich trifft, die
in Deutschland oder in anderen (Nicht-)EU-Ländern geboren wurden. Jedoch
wird dabei nicht berücksichtigt, inwiefern Women of Color, die in
Deutschland geboren sind, andere Formen von Diskriminierung erleben als
weiße Frauen. Oder wie sich die Arbeitsmarktchancen von einer arbeitslosen
Transfrau zu einer festangestellten Cis-Frau verhalten.
Dass der intersektionale Blick nicht in die Statistiken mit eingeflossen
ist, ist problematisch. Schließlich soll der Index dazu dienen, Bereiche
mit dem größten Handlungsbedarf für politische Entscheidungsträger*innen
sichtbar zu machen. Wenn jedoch nicht einmal Daten dazu erhoben werden, ist
es schwer, angemessene Lösungen auf gesetzlicher Ebene finden.
Doch die Ausrede, erst für die Rechte für Frauen und danach für alle
anderen Diskriminierungsformen zu kämpfen, darf 2019 nicht mehr gelten.
Denn die Diskriminierung von Menschen kann nur ganzheitlich bekämpft
werden. Und wenn man herausfinden möchte, wie gerecht EU-Länder für Frauen
sind, dann braucht es dafür einen intersektionalen Ansatz. Denn Kategorien
wie Geschlecht, race, Alter, Klasse, Ability oder Sexualität wirken nicht
allein, sondern vor allem im Zusammenspiel mit den anderen.
15 Oct 2019
## LINKS
[1] https://eige.europa.eu/gender-equality-index/2019
[2] /30-Jahre-Intersektionalitaet/!5591480
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Gleichberechtigung
Feminismus
Intersektionalität
EU
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