# taz.de -- Sozialökologische Transformation: Scheiß auf die Kids? | |
> Wie bekommt die gesellschaftliche Bewegung für Klimapolitik schnell eine | |
> Bundesregierung, die handelt? Es geht um ein stabiles Zweckbündnis. | |
Bild: Luisa Neubauer bei Fridays-for-Future im September vor dem Kanzleramt | |
Seit dem großen Septemberstreik frage ich jeden, den ich treffe: Wie geht | |
es weiter mit der von Fridays for Future (FFF) angestoßenen Bewegung für | |
Klimapolitik, die sich auf breite Teile der Gesellschaft ausgedehnt hat? | |
Hier mein Zwischenergebnis. | |
Die eine Möglichkeit: Demnächst kracht irgendwo irgendwas, die Mehrheits- | |
und Mediengesellschaft beschäftigt sich damit, und FFF laufen freitags ins | |
Leere. | |
Die zweite Möglichkeit: Die Politik des „Scheiß auf die Kids“ wird | |
durchgewinkt. Die Mehrheitsgesellschaft arrangiert sich mit der Position | |
der Bundesregierung, dass das absurde Missverhältnis zwischen ihrer | |
mickrigen [1][Klimapostwurfsendung] und der krassen Problemstellung das | |
letzte Wort ist. Union und SPD lenken sich unter Assistenz der | |
Hauptstadtjournalisten mit schnarchigen Personalfragen (Scholz und AKK) und | |
internen Intrigen (gegen Scholz und AKK) von den Problemstellungen der | |
Wirklichkeit ab. So gehen die nächsten beiden Jahre verloren. | |
Die dritte Möglichkeit: FFF sind in die gesellschaftliche DNA eingedrungen. | |
Ernsthafte Bekämpfung der Erderhitzung wird eine Grundbedingung für | |
Regieren, wie es die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war. Die nächste | |
Bundesregierung wird auf der Grundlage eines Zukunftsplans durch | |
sozialökologische Wirtschaft und europäische Politik gewählt. | |
## SPD, FDP und Linkspartei helfen nicht | |
Jetzt ist die Frage: Wer will und kann eine Mehrheit dafür gewinnen? SPD, | |
FDP und Linkspartei helfen dabei nicht. Erstens haben sie kaum noch Wähler. | |
Zweitens haben sie (Achtung, Zusammenhang) die soziale und wirtschaftliche | |
Dimension einer sozialökologischen Transformation bisher knallhart | |
ignoriert. Die Union leider auch. Und manche dort scheinen zu hoffen, dass | |
die Leute von der Sache ablassen, wenn man sie wieder mit den | |
handelsüblichen Ängsten füttert. Immerhin hat die CDU aber eine | |
Politikerin, die mit einem entsprechenden Wählerauftrag eine überzeugende | |
Klimakanzlerin geben könnte. Angela Merkel. | |
Passt mal auf, eines Tages kommt sie in die Bundespressekonferenz und sagt: | |
„Leute, ich mach doch weiter. Wie [2][Winfried Kretschmann] ja auch. Jetzt | |
gilt es und deshalb machen wir jetzt zusammen Klimapolitik – und zwar | |
richtig fett.“ Und auf Rückfragen sagt sie: „Die CDU besinnt sich auf ihre | |
Tradition und stellt sich wieder an die Spitze des Fortschritts. Wir | |
managen das sozialökologische Wirtschaftswunder, da werden die Grünen | |
schauen – und die AfD erst recht.“ | |
Jetzt kann man sagen: Träum weiter. Und was hast du nur immer mit dieser | |
Union, die ist doch a priori scheiße? Na ja, das ist ein | |
kulturell-emotional tief verankertes Ressentiment, für das man politische | |
Begründungen findet. Aber jetzt ist Crunchtime, also die entscheidende | |
Phase. Wenn eine gesellschaftliche Mehrheit wirklich Klimapolitik will, | |
dann muss sie der machtfixierten Union klarmachen, dass sie die Macht nur | |
mit Klimapolitik behält. Egal, mit welchem Kandidaten. | |
## Die Politik-Illusionsmaschine | |
Diese Regierung wird nicht den breiten Konsens abbilden, den die | |
Bundesrepublik viele Jahre gepflegt hat. Das wird eine harte Polarisierung | |
zwischen denen, die den Abstand zwischen physikalischer Realität und | |
unserer Politik-Illusionsmaschine verringern wollen – und denen, die das | |
für Bullshit halten, was ich hier behaupte. | |
Deshalb kann und wird das keine Mehrheit der emanzipatorisch und moralisch | |
tipptopp aufgestellten Ökos sein. Sondern ein gesellschaftliches Bündnis | |
auf Zeit von Bürgern, die in vielen Fragen ganz anders ticken, aber in | |
dieser Frage sagen: Jetzt sofort und diesmal richtig. Wir ziehen das in den | |
Zwanzigern zusammen durch. | |
Ohne eine Union, die ihre Leute ins klimapolitische Lager holt, wird es | |
keine Mehrheit geben. | |
23 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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