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# taz.de -- Die Grünen und die Zukunft: Der dritte Teil der Gesellschaft
> Was wird aus Zukunftspolitik, wenn sich die Lame-Duck-Bundesregierung
> noch bis ins Jahr 2021 durchschleppt? Ihr „Weiter so“ ist kein Wirkstoff
> gegen die AfD.
Bild: Verkörpern den Aufbruch bei den Grünen: Annalena Baerbock und Robert Ha…
Sonntagabend stand ich in der Bundesgeschäftsstelle der Grünen, und es roch
nach Herbst. Auf einem Fernsehbildschirm sah man den einnickenden Gauland
von der AfD, und daneben stand in echt der Grüne Bundesvorsitzende. Er
redete zwar im Dieter-Thomas-Heck-Tempo, aber er sah für einen Moment auch
schon ein bisschen grau aus.
Die einen intensivieren seither das Hyperventilieren wegen der
antibürgerlichen Protestbewegung gegen die liberale und emanzipatorische
Demokratie. Manche gehen sogar auf andere Bürger des liberalen Spektrums
los, um ihnen fehlende „klare Kante“ vorzuwerfen. Gern mit Auschwitz-Bezug,
damit die maximale moralische Höhe klar wird. Diese Spaltungsstrategie
erschließt sich mir nicht. Es sei denn, man möchte die offene Gesellschaft
zerstören wie die AfD.
Die Frage ist, was die konstruktiven Kräfte in den kommenden Monaten machen
können, um zukunftsorientierte Allianzen zu schließen. Beide ehemaligen
Volksparteien haben ihren Führungsanspruch in Brandenburg (SPD) und Sachsen
(CDU) ja nicht mit Zukunftskonzepten auf Höhe der physikalischen
Wirklichkeit verteidigt, sondern mit dem Argument der Verhinderung einer –
nur symbolisch wirkenden – einfachen Mehrheit der AfD.
Sie etikettieren ihr „Weiter so“ nun auch noch als Wirkstoff gegen die AfD,
dabei ist es ein Grund für deren Wachstum. Das ist der Teufelskreis, aus
dem wir rausmüssen.
Dafür braucht es möglichst bald eine neue Bundesregierung, die die
sozialökologische Transformation und andere Zukunftsprojekte jetzt
vorbereitet. Gerade fühlt es sich aber an, als schleppe sich die
Lame-Duck-Bundesregierung aus Union und SPD bis 2021 durch. Was darauf
hinausläuft, dass die Krisen sich schön weiterentwickeln, während die
Regierungsparteien sich mit sich selbst beschäftigen.
Das Tragische ist, dass die SPD nur noch alles falsch machen kann.
[1][Wählt sie Vizekanzler Scholz zum Vorsitzenden], macht sie sich
lächerlich. Wählt sie ihn nicht, genauso. Und am Ende ist es so oder so
egal. Die Linkspartei wird, das haben die Wahlen gezeigt, in dieser
Konzeption nicht mehr nachgefragt. Weder als Regierungs-, noch als
Protestpartei. Die Lindner-FDP hat sich – als Nachfolger der Grünen – ins
politische Nirwana gechillt.
Bleiben derzeit leider nur die modifizierten Grünen (leider, weil das zu
wenig ist), die einen dritten Teil der Gesellschaft adressieren, der weder
auf antibürgerliche Revolte steht noch auf illusionäres „Weiter so“. Das
ist die „liberale Mitte“, von der Robert Habeck spricht. Auch dieser Teil
der Gesellschaft wächst auf Kosten der „Weiter so“-Parteien. In Sachsen und
Brandenburg nicht im Ausmaß wie in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen.
Aber er wächst.
Eine interessante Frage ist, was die Grünen jetzt einem Time-out
entgegenzusetzen haben. Ob und wie sie die Zeit nutzen, speziell in der
Bundestagsfraktion, die das inhaltliche Powerhaus künftigen Regierens sein
müsste.
Das mag ungerecht sein, aber im Gegensatz zur gesellschaftlichen
Aufbruchstimmung durch die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Habeck
verbreitet die Grünen-Fraktion seit Jahren die Anmutung des individuellen
„Weiter so“. Noch fehlen Signale, dass man dort wirklich den Regierungsruck
entwickeln kann, den die Bundesrepublik braucht.
Demnächst werden die Fraktionsvorsitzenden neu gewählt. Das sind dann die
beiden wichtigsten Gehirne und Gesichter des Aufbruchs nach Baerbock und
Habeck. Falls nicht doch noch jemand Katrin Göring-Eckardt und Anton
Hofreiter herausfordert, dann müssen folglich die das sein.
8 Sep 2019
## LINKS
[1] /Scholz-und-Geywitz-fuer-SPD-Vorsitz/!5617432
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
FDP
Robert Habeck
Grüne
Zukunft
Kolumne Die eine Frage
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Christian Lindner
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