# taz.de -- Wahlen in Brandenburg und Sachsen: Es gibt auch Mut machende Signale | |
> Im Wahlkampf diskutierten viele ernsthaft und vielfältig über Politik. | |
> Die demokratische Mehrheit hat sich so ihre diskursiven Räume | |
> zurückgeholt. | |
Bild: Vor einem Jahr noch undenkbar: Was im Wahlkampf selten vorkam, war das im… | |
Nein, die Signale, die [1][von diesen Landtagswahlen ausgehen], sind keine | |
guten. Ein Viertel der Brandenburger hat einen Typen mit eindeutig | |
rechtsextremer Biografie gewählt, dies entweder billigend in Kauf nehmend – | |
oder gar gutheißend. In Sachsen und Brandenburg werden komplizierte | |
Dreierkonstellationen regieren, um die starke AfD von der Macht | |
fernzuhalten. Diese Riesen-Grokos verbindet inhaltlich wenig außer der | |
staatsbürgerlichen Pflichterfüllung. Der rechte Flügel der Sachsen-CDU | |
hasst die Grünen – und umgekehrt. | |
Die Wirkung für die politische Landschaft, die von Differenz lebt, kann | |
fürchterlich sein. Sehr unterschiedliche Partner werden gezwungen, sich | |
permanent auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen. Entschiedene | |
Politik kann so nicht entstehen, die Unterschiede zwischen Demokraten | |
verschwimmen. An der Groko im Bund lässt sich seit Jahren beobachten, | |
welche Ermattung dies produziert, wie sehr die Beteiligten darunter leiden. | |
Keine schönen Aussichten also. | |
Dennoch geben die Wahlen für allzu apokalyptische Deutungen keinen Anlass. | |
In dem Schlamassel stecken Geschichten, die Mut machen. Sie spielen | |
jenseits der klassischen Parteienarithmetik und klingen nach Aufbruch und | |
Erneuerung. Da wäre zum Beispiel eine umfassende Politisierung der | |
Gesellschaft, die bei Wahlveranstaltungen von CDU, SPD, Grünen oder Linken | |
zu spüren war. Die Menschen kamen, sie waren viele, und sie redeten | |
ernsthaft über Politik. Über schrumpfende Dörfer, über Züge, die nicht mehr | |
fahren, über die Braunkohle – und über Konzepte, die es besser machen. Was | |
selten vorkam, war das imaginierte Zuviel an Migration. Es fand eine Erdung | |
statt, die vor einem Jahr undenkbar schien, als Neonazis durch Chemnitz | |
marodierten. | |
Die demokratische Mehrheit hat sich diskursive Räume zurückerkämpft und mit | |
Leben gefüllt. Von Desinteresse der BürgerInnen kann keine Rede sein, es | |
gibt ein Bedürfnis nach Teilhabe und Engagement. Das, [2][was Ost- und | |
Westdeutschland 30 Jahre nach der Wende trennt], liegt jetzt auf dem Tisch, | |
für alle sichtbar. Auch die Parteien haben viel richtig gemacht. Oben auf | |
der Bühne steht einer, belehrt die anderen und wird gewählt – so | |
funktioniert es nicht mehr. CDU-Mann Kretschmer hat im Wahlkampf gefühlt | |
jedem Sachsen persönlich die Hand geschüttelt, der Grüne Habeck in seinen | |
Town Halls auch dem kritischsten Atomkraftfan minutenlang geantwortet. | |
Ernsthaft ins Gespräch kommen, Zugewandtheit zeigen, das ist ein Anfang, | |
aus dem etwas entstehen kann. Die Zivilgesellschaft und die demokratischen | |
Parteien befinden sich in einer Suchbewegung – aufeinander zu. | |
3 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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