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# taz.de -- Die Lebenslüge der Linken: Alles Liberale – außer Lindner
> Der Linksliberale versucht das Gute im Liberalen als sein Verdienst
> abzubuchen. Das schlechte Gewissen wird radikal in die FDP ausgelagert.
Bild: Lindner (hier vor dem Reichstag wegen Sommerinterview) hassen und dann se…
Die zentrale Lebenslüge der Linksliberalen besteht darin, dass sie nicht
linksliberal sind. Sie sind liberal. Die linken Weltbürger genauso. Was
okay ist und viele emanzipatorische Fortschritte beinhaltet. Aber bei dem
Wort liberal kriegen sie Sodbrennen, vermutlich weil sie an Christian
Lindner denken. Das ist eine etwas vereinfachte Typisierung, aber in der
Tendenz dürfte das hinhauen.
Mit dem durchaus pathologischen Hass auf (früher) Guido Westerwelle und
heute Lindner versucht der Linksliberale seit Jahren, das gute Liberale als
sein Verdienst abzubuchen und das schlechte Gewissen radikal in die FDP
auszulagern. Gesund ist das nicht. Wobei der Witz an der liberalen
Mainstreamgesellschaft darin besteht, dass ausgerechnet die FDP derzeit
nicht mehr Teil davon ist. Und ihr Chef einer, der nach dem Staat ruft,
damit beim Bäcker Passkontrolle gemacht wird.
Es geht nicht um Schuld, es geht um Zukunft. Wir leben in einer liberalen
westlichen Demokratie mit offenen Gesellschaften, Kulturen und Märkten und
diese durchaus fortgeschritten emanzipierte Gesellschaft wird nun
angegriffen von Autoritären, die lieber geschlossene Systeme wollen. Da
muss man sich entscheiden: Liberal oder autoritär.
## Hanswurst-Politiker von der AfD
Es markiert doch unser Totalversagen, dass wir den Hanswurst-Politikern von
der AfD zu oft nichts entgegenzusetzen haben, außer reflexhafte Empörung,
die ihre Kundschaft vergrößert. Gar nicht zu reden von der eskalierenden
Klimakrise, die nicht mit der Verachtung von SUV-Besitzern und
Porschefahrern zu verhindern ist. Mit einem Attest moralischer
Minderwertigkeit für alle, die die Welt anders sehen, wird nichts besser.
Die Soziologin Cornelia Koppetsch untersucht in ihrem fulminanten Buch „Die
Gesellschaft des Zorns“ die Gründe für den Aufstieg des Rechtspopulismus.
Es liegt weder allein an der ökonomischen Dimension (arme Arbeiter) noch an
der kulturellen (böse Rassisten), auch nicht nur an den miesen Eliten. Ein
unkalkulierbares Zusammenspiel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Öffnungen seit 1989 hat die Welt verändert. Das Problem ist, dass es für
die einen besser und für die anderen schlechter geworden ist oder sich so
anfühlt. Der Typus gebildeter Linksliberaler mit Okaystatus gehört
jedenfalls definitiv zu den Gewinnern der Globalisierung und profitiert in
der Regel von beiden Öffnungen. Beide Liberalisierungen sind aber nicht im
Sinne von Altmitte-unten.
Es gibt keine Struktur mehr für eine postfossile Zukunft, die das „Linke“
und das „Liberale“ so zusammenbringt wie bei Willy selig, deshalb ist ja
die SPD erledigt. Schon gar nicht gehen Schutz durch ein
nationalstaatliches Kollektiv der Gleichen und der exzessive Drang nach
„Singularität“ zusammen, den Andreas Reckwitz beschrieben hat. Wenn
unsereins dann nicht nur andere Politik- und Gesellschaftskonzepte
reflexhaft nazifiziert, sondern auch noch über Schrankwände,
Pauschalurlaube, Helene Fischer und überhaupt alles höhnt, worauf andere
Kulturen stehen, müssen die davon ausgehen, dass von uns keine Solidarität
zu erwarten ist.
Dass ihr Vorsitzender Robert Habeck die Grünen zur Mehrheitspartei der
liberalen Gesellschaft im sozialökologischen Jahrhundert machen will und
gleichzeitig auf den Begriff „Linksliberalismus“ besteht, ist angesichts
des verhuschten Erzkonservatismus dieser Art Linksliberaler
nachvollziehbar. Sonst wählen sie ihn nicht. Auch sie wollen eine Welt
festhalten, die es nicht gibt. Und sie denken ernsthaft, keiner wisse, dass
sie liberal sind, wenn sie nicht dazu stehen. Es ist Zeit für euer Coming
out, Leute! Sonst können wir die neuen Antworten nicht finden und schon gar
nicht mehrheitsfähig bekommen.
28 Jul 2019
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Christian Lindner
Robert Habeck
Liberale
Kolumne Die eine Frage
Krise der Demokratie
Linda Teuteberg
FDP
Grüne
Schwerpunkt Klimawandel
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Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Fridays For Future
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