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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Mehr Sozialökologie wagen
> Selbst in der Wirtschaft mehren sich Anzeichen für eine sozialökologische
> Wende. Aber kann auch die CDU Klimapolitik?
Bild: Hat den Hut auf und urteilt hart über ihre Partei: CDU-Politikerin Diana…
Das Beste, was man für die SPD tun kann, ist, ihr eine Pause zu gönnen.
Medial, weil ihre ewigen „Fahrpläne“ (Superwort!) und Personalwechsel ja
nur die Herrschaft des bürokratischen Aktionismus ausstellen und damit das
inhaltliche Vakuum.
Und eine Pause in der Regierungsverantwortung sowieso, sonst hat die alte
und noch älter aussehende Partei überhaupt keine Chance mehr, sich unter
Einbeziehung der zentralen zukunftspolitischen Felder neu zu erfinden.
Wodurch sich zwangsläufig die Frage nach der CDU Deutschlands stellt, denn
mit irgendwem werden die Grünen ja im kommenden Jahr koalieren müssen.
Die gesellschaftliche Frage ist sehr wahrscheinlich nicht mehr, ob sie
zusammen regieren, sondern wie man sie dazu bringt, sich nicht entlang der
alten Quatschfolklore aufzustellen, sondern entlang der neuen Konflikte und
entscheidenden Zukunftsfragen.
Die junge Unternehmerin und CDU-Politikerin Diana Kinnert hat in einem
Essay in der Welt die Union als „uneins, strategisch und programmatisch
überfordert“ beschrieben.
Während sich die Anzeichen mehren, dass auch die Wirtschaft tatsächlich zu
einem (behutsamen) sozialökologischen Aufbruch bereit sein könnte, keilt
die Union mit müfflig riechendem Material aus der guten alten Zeit der
national und patriarchal organisierten Industriegesellschaft gegen die
urbanen und urban sein wollenden Leistungsträger der Mittelschicht und ihre
protestierenden Kinder.
Wie soll das weitergehen? Mir fallen drei Szenarien ein.
Nummer 1: Die CDU verstärkt den von Annegret Kramp-Karrenbauer
personifizierten Sound des Verächtlichmachens ihrer eigenen
gesellschaftlichen Liberalisierungserfolge und framt die Erderhitzung als
Erziehungsprojekt von linken Spinnern. Was doppelt danebengeht: Erstens ist
Klimaproblembewusstsein Mainstream, zweitens haben sich linke Spinner nie
für die Klimakrise interessiert.
Nummer 2: Die CDU steuert radikal um und macht die Erderhitzung zum
zentralen Politikfeld. Diana Kinnert hat diese Neuerfindung skizziert: eine
moderne Partei, die nicht die Grünen imitiert, sondern komplementär
funktioniert und kulturell auch mit Gesellschaftskonservativen verknüpft.
Nummer 3: Bundeskanzlerin Merkel gelingt ein Befreiungsschlag, mit dem sie
den Eindruck erzeugt, dass die Regierung und die Union die Klimaverträge
von Paris einzuhalten bereit und in der Lage sind. Worauf die
Mehrheitsgesellschaft glücklich zurücksackt, doch wieder CDU wählt und sich
ihren Marotten und Klassikern zuwendet. Bis ihr eines Tages auffällt, dass
immer noch nichts passiert ist.
1, 2 oder 3 – was es am Ende wird? Okay, Nummer 2 ist unwahrscheinlich.
Aber das Verlässliche am CDU-Abgeordneten ist seine Pragmatik: Wenn er
denkt, er könne seinen Wahlkreis mit Klimapolitik verteidigen, wird er sie
anbieten. Wenn nicht, dann nicht. Es geht also darum, sie als
gesamtgesellschaftlich prioritäres Politikprojekt zu verstehen und
einzufordern.
Die entscheidende Frage der nächsten Bundestagswahl ist also weniger, wer
mit wem regiert – sondern wozu. Die radikal-realistische Politikaufgabe im
Sinne von Robert Habeck lautet: Wie und mit welchen Leuten, Kompetenzen,
Ministerien, Vernetzungen jenseits des Status quo kriege ich das in
vielerlei Hinsicht sehr gut funktionierende Gesellschafts- und
Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland sozialökologisch und
europäisch upgedatet?
Man kann Angst kriegen, klar. Aber man kann auch sagen: Geil, dies ist die
Chance, bei einer historischen Sache dabei zu sein, die sogar den
westdeutschen Nachkriegsaufbruch von Willy Brandt in den Schatten stellen
kann.
Wir wollen mehr Sozialökologie wagen.
30 Jun 2019
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
CDU
Winfried Kretschmann
Kerstin Andreae
Grüne
Christian Lindner
Kolumne Die eine Frage
Schwerpunkt Fridays For Future
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Europawahl
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