Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kretschmann tritt wieder an: Zurück in die Zukunft
> Winfried Kretschmann will 2021 wieder Ministerpräsident von
> Baden-Württemberg werden. Seine Pläne für die dritte Amtszeit: Alles wie
> gehabt.
Bild: Isch over? Er doch nicht – Winfried Kretschmann
Stuttgart taz | Krawatte grün, die Igelhaare frisch geschoren.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirkt sehr aufgeräumt, als er am
Donnerstagvormittag im vollbesetzten Raum im Stuttgarter Landtag vor die
Presse tritt. Nach der Gefühlslage seiner Partei hat er die Öffentlichkeit
lange auf die Entscheidung warten lassen, ob er bei der nächsten
Landtagswahl noch einmal antritt. [1][Aber jetzt ist es so weit].
Dabei ist eigentlich keine Eile geboten, denn die nächste Wahl in
Baden-Württemberg steht erst 2021 an. Aber, sagt Kretschmann schmunzelnd,
schon vier Wochen nach der letzten Wahl 2016 sei er von Journalisten nach
seinem Nachfolger gefragt worden.
Und spätestens seit dem Koalitionspartner, der Südwest-CDU, im Juli ein
kleiner Überraschungscoup gelungen ist, als sie nach der Europawahl
überraschend einhellig die baden-württembergische [2][Kultusministerin
Susanne Eisenmann] zur Spitzenkandidatin kürte, stand Kretschmann mit
seiner Erklärung unter Zugzwang.
Jetzt ist also raus, woran am Ende kaum mehr einer gezweifelt hat: Der
erste grüne Ministerpräsident aller Zeiten strebt eine dritte Amtszeit an.
Er verkündet seine Entscheidung in einer langen Mail, an die „lieben
Mitbürgerinnen und Mitbürger“, in der von „Heimat“ über „Wertekompas…
„Innovation“ keins der Buzz-Words fehlt, die man in Baden-Württemberg so
gern hört.
## König oder Landesgroßvater
Er wolle für „Verlässlichkeit in einer Welt des Wandels“ stehen, geht es
später in der Pressekonferenz reichlich staatstragend weiter. Immerhin
weist er dann doch darauf hin, dass er nur der Ministerpräsident, nicht der
„König von Württemberg“ sei und deshalb seine Nachfolge nicht selbst regl…
Dieser Kretschmannsound, geprägt von trockenen Sprüchen und pathetischen
Beschwörungen, kommt bei den Bürgern des Südwestens auch nach acht Jahren
gut an. Kretschmann ist in allen Lagern der beliebteste Politiker; außer
bei der AfD.
Dem politischen Gegner geht er mit seinen Sentenzen merklich auf den
Wecker. „Landesgroßvater“ nennt ihn der Koalitionspartner, und es ist auch
ausgerechnet die CDU, die Jahrzehnte ohne Unterbrechung im Land
Ministerpräsidenten stellte – darunter nicht wenige, die über ein Jahrzehnt
regierten – und jetzt eine künftige Amtszeitbegrenzung ins Spiel bringt.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kritisiert, es nütze nichts, die
weltpolitischen Herausforderungen beim Klima und für die Wirtschaft zu
beschwören, „wenn man die Antworten im eigenen Land schuldig bleibt“.
## Agonie statt gemeinsame Projekte
Tatsächlich begründet Kretschmann zwar seine Kandidatur auch mit dem
ökologischen und einem gesellschaftlichen Klimawandel, den er mit einer
„faktenbasierten Politik“ meistern wolle. Aber bisher steht die angebliche
Komplementär-Koalition aus Grünen und CDU im Land eher für politische
Agonie.
Üppige Steuereinnahmen haben bisher die Koalition zusammengehalten,
gemeinsame Projekte fehlen noch immer. Grüne Projekte wie Windräder auf den
Höhen des Schwarzwaldes und der Nationalpark als aktiver Beitrag für den
Artenschutz stammen alle aus der ersten Regierungszeit mit der SPD.
Auch Kretschmann ist immer wieder eher als Kritiker allzu radikaler
Forderungen der Bundespartei aufgefallen. Unvergessen sein Widerstand gegen
einen Parteitagsbeschluss, bis 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr
zuzulassen. Auch zu Diesel-Fahrverboten etwa in Stuttgart kann sich die
Landesregierung erst durchringen, wenn sie in letzter Instanz von Gericht
verkündet wurden.
Am Tag der Ankündigung will der Amtsinhaber dennoch Aufbruchsstimmung
verbreiten. Wahlen gewinne man nicht mit der guten Arbeit der
Vergangenheit, sondern mit Programmen für die Zukunft, weiß er. Wie das
aussieht? „Das Neue ist das Alte“, sagt Kretschmann darauf verblüffend
defensiv. „Nur dass wir es endlich durchsetzen müssen.“
## Veggie-Day und andere Zumutungen
Als Beispiel nennt er alte Forderungen der Grünen, wie den Veggie-Day, die
heute plötzlich bestens in die Zeit passen. „Das wäre heute kein Aufreger
mehr“, sagt Kretschmann, Fridays for Future fordere ja sogar allgemeinen
Veganismus zur Klimarettung.
Den wird auch ein Kabinett „Kretschmann 3“ sicher nicht durchsetzen. Aber
der Ministerpräsident des Industrielands Baden-Württemberg stellt sich an
diesem Tag seines Neustarts immerhin demonstrativ hinter das Konzept der
Bundespartei zur CO2-Steuer.
„Ich bin optimistisch, dass wir die Transformation schaffen, um einen
Klimawandel aufzuhalten“, sagt Kretschmann. Dabei könne man aber nicht nur
auf Freiwilligkeit setzen. „Das geht nicht ohne Zumutungen auch für die
Wirtschaft.“ Was er denn mit Zumutungen meine, will eine Journalistin
wissen. „Na ja“, meint Kretschmann und ist wieder ganz der Alte: „Sie
müssten halt zumutbar sein.“
12 Sep 2019
## LINKS
[1] /Kandidatur-fuer-die-Landtagswahl-2021/!5625730
[2] /Konservative-in-Baden-Wuerttemberg/!5609076
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann
Bündnis 90/Die Grünen
Kolumne Die eine Frage
Winfried Kretschmann
FDP
Deutsche Umwelthilfe
Baden-Württemberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Spitzenkandidat Winfried Kretschmann: Der Supergrüne
Baden-Württembergs Ministerpräsident will bei der Landtagswahl 2021 nochmal
antreten. Aber was genau ist „eigentlich noch grün“ an ihm?
Grüner Ministerpräsident tritt erneut an: Kretsch me if you can
Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann will bei der Landtagswahl
wieder kandidieren. Doch der Grünen-Star muss aufpassen.
Die Grünen und die Zukunft: Der dritte Teil der Gesellschaft
Was wird aus Zukunftspolitik, wenn sich die Lame-Duck-Bundesregierung noch
bis ins Jahr 2021 durchschleppt? Ihr „Weiter so“ ist kein Wirkstoff gegen
die AfD.
Beugehaftforderung für Kretschmann: Wer Recht bricht, muss büßen
Politik sollte nicht von der Justiz gemacht werden. Aber wenn eine
Regierung sich nicht um Urteile schert, muss das Konsequenzen haben.
Konservative in Baden-Württemberg: Die schwäbische Schwertgosch
Susanne Eisenmann könnte Winfried Kretschmann gefährlich werden. Nun wird
sie zur Spitzenkandidatin der baden-württembergischen CDU gewählt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.