| # taz.de -- Rückgang der Artenvielfalt: Jede dritte Käferart verschwunden | |
| > In einem Untersuchungsgebiet der Uni Lüneburg ging die Artenvielfalt in | |
| > den vergangenen 25 Jahren um ein Drittel zurück. | |
| Bild: Noch am Leben oder schon nicht mehr auffindbar? Ein Goldlaufkäfer aus de… | |
| Göttingen taz | Das Bienensterben und der Schwund bei Singvögeln hat | |
| zuletzt viele Menschen alarmiert. Weil die Verbreitung und die | |
| Lebensbedingungen dieser Tiere gut erforscht sind, können sich | |
| Umweltverbände und Naturfreunde leichter für ihren Schutz einsetzen. Bei | |
| den Käfern ist das anders: An den deutschen Hochschulen und | |
| Forschungsinstituten beschäftigen sich nur wenige Artenkundler mit diesen | |
| Insekten. | |
| Die in Mitteleuropa vorkommenden rund 8.000 Arten sind zwar alle | |
| beschrieben. Um aber die Verbreitung und den Rückgang einzelner Arten zu | |
| dokumentieren, müssen Forscher in aufwendigen Verfahren Käfer fangen, | |
| zählen, bestimmen – und das Ganze an denselben Fundorten mehrmals | |
| wiederholen. | |
| Aßmann und seine Crew haben sich bei ihrer Studie auf die große Familie der | |
| Laufkäfer beschränkt. „Das sind nachtaktive und besonders nützliche Käfer… | |
| sagt Aßmann. Sie fressen Schädlinge wie Eichenprozessionsspinner, Schnecken | |
| und Blattläuse, aber auch Eier, Puppen und Larven von anderen Insekten. Auf | |
| landwirtschaftlich genutzten Flächen vertilgen Laufkäfer zusammen mit | |
| anderen Samenfressern einen großen Teil der ausfallenden Unkrautsamen. | |
| Gleichzeitig sind sie Futter für Krähen und Eichelhäher oder bauen | |
| Exkremente und organisches Material ab. | |
| Laufkäfer sind auf der ganzen Welt mit Ausnahme der Antarktis verbreitet, | |
| bekannt sind mehr als 40.000 Arten in 1.500 Gattungen. In Europa kommen | |
| knapp 6.000 Arten und Unterarten vor, in Mitteleuropa sind etwa 85 | |
| Gattungen mit knapp 760 Arten bekannt. | |
| Die Käferfangstelle der Lüneburger Forschergruppe liegt im Hofgehölz Möhr | |
| bei Schneverdingen im Heidekreis. Hof Möhr ist Sitz der Alfred-Toepfer- | |
| Akademie für Naturschutz, der zentralen Bildungseinrichtung des Landes | |
| Niedersachsen zum Thema Naturschutz. Die Akademie ist auch an dem | |
| Käferprojekt beteiligt. Das Naturschutzgebiet wird nachhaltig | |
| bewirtschaftet, es werden also nicht mehr Bäume geschlagen als nachwachsen. | |
| Fast 25 Jahre lang fingen Aßmann und seine Mitarbeiter Käfer in einer | |
| Fangstelle mit acht Fallen. Alle zwei Wochen überprüften sie ihre | |
| wissenschaftliche Beute. „Wir können zwar jetzt nicht sagen, die und die | |
| Art ist ausgestorben“, bilanziert der Professor. Die Häufigkeit der in den | |
| Fallen eingesammelten Arten erlaube aber Rückschlüsse auf den Rückgang oder | |
| das Aussterben einzelner Spezies. | |
| „Die Artenvielfalt ist hier im Untersuchungszeitraum um fast ein Drittel | |
| zurückgegangen und in der Tendenz weiter abnehmend“, sagt Aßmann. Gerade in | |
| einem Naturschutzgebiet sei mit solch einer Entwicklung nicht zu rechnen | |
| gewesen. Als wesentliche Ursache komme der Klimawandel in Betracht. Die | |
| Temperaturen stiegen an, es werde immer trockener: „Für Larven, die sich im | |
| Sommer entwickeln, ist das sehr problematisch. Gerade Tiere dieser Arten | |
| haben wir immer seltener gefunden“, berichtet Aßmann. | |
| Negative Wirkungen könnten Pestizide haben, die auf nahen land- und | |
| forstwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden. „Artenvielfalt ist eine | |
| Versicherung für die Zukunft“, warnt Aßmann. „Eine nachhaltige Land- und | |
| Forstwirtschaft etwa wird ohne Insekten wie Laufkäfer nicht möglich sein.“ | |
| Einen anderen Käfer wären Förster und Waldliebhaber hingegen gerne los: Die | |
| trockenen und sehr warmen Sommer der vergangenen Jahre haben die | |
| Ausbreitung des Borkenkäfers begünstigt. Waren für sie schon die im Januar | |
| 2018 vom Orkan „Friederike“ umgeworfenen Bäume ein gefundenes Fressen, | |
| bohrten sich die Borkenkäfer in diesem Frühjahr in die Rinde noch | |
| stehender, durch die Hitze aber geschwächter Bäume. | |
| Aus den dort abgelegten Eiern entwickelten sich, ebenfalls begünstigt von | |
| der Hitze, schnell weitere Borkenkäfer. Für diese seien die Bedingungen | |
| sogar noch besser gewesen, sagt Peter Wollborn, Abteilungsleiter | |
| Naturschutz bei den Niedersächsischen Landesforsten. „Wegen der anhaltenden | |
| Trockenheit leiden die Fichten unter Trockenstress und sind deswegen | |
| besonders anfällig.“ | |
| 10 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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