# taz.de -- Autofreie Friedrichstraße: Flanieren unter Beobachtung | |
> Ein kleiner Abschnitt der Friedrichstraße blieb am Wochenende autofrei. | |
> Ob das der krisengeschüttelten Einfkaufsmeile nützt? | |
Bild: Eine Flaneurin genießt die autofreie Friedrichstraße | |
Die Verkäuferin eines Pariser Modelabels in der Friedrichstraße, Ecke | |
Französische Straße, freut sich. „Es kommen mehr Leute ins Geschäft als an | |
anderen verkaufsoffenen Sonntagen“, beobachtet sie. „Schauen Sie nach | |
draußen, wieviel da los ist. Ich finde das eine gute Idee, mehr Leben in | |
die Friedrichstraße zu bringen.“ | |
Für dieses Geschäft ist der Plan aufgegangen. Samstag und Sonntag mussten | |
in der Friedrichstraße die Autos zwischen Französischer Straße und | |
Mohrenstraße draußen bleiben. An ihrer statt bestimmten Passanten, Kinder, | |
Imbissstände sowie eine Ausstellung über nachhaltiges Design die Szenerie | |
der Straße. „Friedrich, the Flaneur“, hieß die Aktion des Bezirksamts Mit… | |
und der Senatsverwaltungen für Verkehr und Wirtschaft unter dem Motto | |
„Friedrichstraße zum Verweilen und Flanieren“. | |
Man kann auch sagen, an diesem Wochenende wurde die Friedrichstraße grün. | |
Am Samstag Vormittag eröffneten der grüne Bezirksbürgermeister Stephan von | |
Dassel und die grüne Verkehrssenatorin Regine Günther das zweitägige | |
Experiment. „Die Menschen sollen die Friedrichstraße ohne Autoverkehr, ohne | |
drängende Enge auf den Bürgersteigen, dafür mit viel Platz auf der Straße | |
erleben können“, sagte Günther. Und auch die grüne Wirtschaftssenatorin | |
Ramona Pop war mit von der Partie. „Am autofreien Wochenende auf der | |
Friedrichstraße geben wir den Berlinerinnen und Berlinern sowie den Gästen | |
unserer Stadt die Möglichkeit, die City Ost einmal komplett neu zu | |
erleben.“ | |
Allerdings war am Sonntag nicht nur autofrei, sondern auch sonntagsoffen. | |
Wie in ganz Berlin hatten auch in der zuletzt krisengeschüttelten | |
Friedrichstraße zahlreiche Geschäfte geöffnet, darunter die Galeries | |
Lafayette als Zugpferd. Dort drängelten sich Besucherinnen und Besucher | |
nicht nur im Foodcort, sondern auch im Erdgeschoss in der | |
Kosmetikabteilung. „Mit der autofreien Friedrichstraße hat das nichts zu | |
tun“, so eine Verkäuferin. „Das ist hier so voll wie an jedem | |
verkaufsoffenen Sonntag. Auch da staut es sich zwischen 13 bis 15 Uhr.“ | |
## Weitere Versuche geplant | |
Profitieren die Geschäfte in der Straße also vom temporären Autobann | |
stärker als ein Kaufhaus wie die Galeries Lafayette oder die Shops in den | |
unterirdischen Friedrichstadtpassagen? Im Flagshipstore eines Modelabels | |
gegenüber jedenfalls bestätigt die Verkäuferin: „Wir haben viel mehr | |
Laufkundschaft als sonst. Dass die Autos nicht mehr fahren dürfen, ist eine | |
gute Idee.“ | |
Bereits am zweiten Adventswochenende soll erneut autofrei sein. Und für das | |
nächste Frühjahr hat Bezirksbürgermeister von Dassel dann einen | |
Verkehrsversuch angekündigt, der „mehrere Wochen“ dauern soll. Außerdem | |
soll die Friedrichstraße dann nicht nur rund 300 Meter auf der Höhe der | |
Friedrichstadtpassagen, sondern zwischen Französischer Straße und | |
Rudi-Dutschke-Straße autofrei sein. | |
Dann ist auch ein gehobenes Geschäft für Designmöbel mit im Bannkreis. Um | |
am Sonntag nicht außen vor zu sein, haben die Betreiber einfach ihre | |
Sitzmöbel in den abgesperrten Bereich gebracht. Dort konnte man dann auch | |
den „Outdoortisch Torino“ erwerben. Nicht für die 1.329 Euro, die sonst | |
fällig sind, sondern mit 15 Prozent Rabatt. | |
Neben Familien, älteren Herrschaften und Touristen sind am Sonntag | |
auffällig viele Fotografen unterwegs und Menschen, die ihre Räder durch die | |
Straße schieben. Kein klassisches Shopping-Klientel also, sondern | |
Neugierige, die mal vorbeischauen wollen, wie sich das anfühlt, so ganz | |
ohne Auto. Die Friedrichstraße steht unter Beobachtung. | |
Eigentlich aber hätten neben den Autos auch die Räder draußen bleiben | |
müssen. In einem Aushang hat der Bezirksbürgermeister deutlich gemacht, | |
dass der Veranstalter bei unerwünschtem Verhalten von seinem „alleinigen | |
Hausrecht“ Gebrauch mache. Da wo Autos fahren dürfen, gilt dagegen die | |
Straßenverkehrsordnung – und das Recht der Nutzung öffentlichen | |
Straßenraums. | |
Aber vielleicht nimmt von Dassel seinen Verhaltenscodex selbst nicht so | |
ernst. Laut Aushang sind auch E-Scooter verboten. Dabei wurden sie mitten | |
auf dem autofreien Abschnitt, ganz offiziell, vermietet. | |
6 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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