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# taz.de -- Joshua Wong über Proteste in Hongkong: „Deutschland sollte Druck…
> Hongkongs Demokratie-Ikone Joshua Wong hat bei einem Deutschlandbesuch um
> Hilfe gebeten. Der Bürgerrechtler zieht Parallelen zu Berlin im Kalten
> Krieg.
Bild: Hongkongs Demokratie-Aktivist Joshua Wong bei seinem Besuch in Berlin
taz: Herr Wong, die chinesische Führung nennt Sie einen Separatisten. Wie
fühlt sich das an?
Joshua Wong: Unser Anliegen ist klar: Wir fordern einen Stopp der
Polizeigewalt und wirklich freie Wahlen. Letzteres wurde bei der Rückgabe
Hongkongs an China im Jahr 1997 völkerrechtlich zugesichert. Aber dieses
Versprechen wird von Peking nicht erfüllt. Sie setzen auf unnachgiebige
Unterdrückung.
Ihr Ziel ist also nicht Hongkongs Unabhängigkeit?
Das habe ich nie gefordert. Peking versucht sämtliche Aktivisten und
Politiker, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzen, als Separatisten
zu brandmarken.
Fühlen Sie sich nicht bedroht, von einem so mächtigen Staat wie China
kriminalisiert zu werden?
Mich überrascht nicht, dass der Sprecher des chinesischen Außenministeriums
Stellungnahmen dieser Art formuliert. Das zeigt bloß, wie sehr die Führung
in Peking internationale Unterstützung für Hongkongs Aktivisten fürchten.
Aber würden Sie sich nicht von mehr Ländern mehr Unterstützung wünschen?
Uns ist bewusst: Der 1. Oktober wird für uns ein sehr kritischer Tag.
Chinas Führung begeht an diesem Tag den 70. Jahrestag der Gründung der
Volksrepublik. Nachdem ich in diesen Tagen in Taiwan war und jetzt in
Deutschland, werde ich weiter in die USA reisen. Was ich hoffe, ist, dass
der Welt klar wird: Hongkong steht an vorderster Front im Kampf gegen
autoritäre Unterdrückung. Als eine globale Stadt haben wir das Recht auf
Freiheit und Demokratie.
Warum haben Sie für Ihr Anliegen Deutschland gewählt?
Nach dem Brexit und dem Chaos im Zuge des Handelsstreits zwischen China und
den USA hat Peking ein Interesse daran, sich mit Deutschland zu befreunden.
Peking gibt sich nicht mehr damit zufrieden, seinen Einfluss auf Hongkong,
Taiwan, Tibet, Xinjiang oder den pazifischen Raum auszudehnen, sondern will
ihn auch auf Europa ausweiten.
Wie lief es für Sie in Berlin bisher?
Ich hatte zwar durchaus gehofft, mit dem Kanzleramt in Kontakt treten zu
können. Das hat nicht geklappt. Daher habe ich mich darauf konzentriert,
bei den Parteien um Unterstützung zu werben. Das hat geklappt.
Sie haben Außenminister Heiko Maas getroffen.
Ja, es war gut, sich auszutauschen. Er teilt meine Sorge, sollte Hongkongs
Regierung eine Notverordnung verhängen und Peking um militärische Hilfe
bitten. Wir wissen, dass bereits Truppen an der Grenze stehen.
Notverordnungen sind ein Relikt der Kolonialzeit; dieses Instrument zu
nutzen, wäre wie die Ausrufung des Kriegsrechts. Die Regierung könnte das
Internet abschalten, den öffentlichen Nahverkehr und alle Flüge stilllegen.
Die Regierung hofft, auf diese Weise den Protest kleinkriegen zu können.
Deutschland und der Rest der Welt sollten nicht die Augen verschließen vor
den Ereignissen in Hongkong
Waren Sie enttäuscht, dass Merkel in Peking [1][die Proteste nur erwähnt
hat]? War das ausreichend?
Sie hat ihre Sorge ausgedrückt. Das ist besser als nichts. Deutschland
sollte aber mehr Druck ausüben und Gespräche über die Handelsbeziehungen
mit China und Hongkong aussetzen, bis Menschenrechtsthemen auf die
Tagesordnung gesetzt werden.
Sie vergleichen die Situation mit Berlin vor dem Mauerfall. Halten Sie
diesen Vergleich für angemessen?
Beide Städte stehen an der Front eines Kampfs um Freiheit. Bei allen
Unterschieden handelt es sich um Brennpunkte eines Konflikts entlang
ähnlicher Linien. In beiden Fällen geht es um Unterdrückung oder
Demokratie. Vor einem Jahr hätte ich das so noch nicht gesagt. Doch die
Spannungen zwischen China und den USA sind Zeichen eines neuen Kalten
Kriegs. Hongkong ist das neue Berlin.
Wo sehen Sie die richtige Balance zwischen den streng friedlichen Märschen
und den gewalttätigen Protesten, bei denen Demonstranten auch
Regierungsgebäude demoliert haben?
Keiner von uns freut sich über Zusammenstöße und Gewalt. Auch wir nicht. Es
steht die Anschuldigung im Raum, dass Demonstranten Gewalt angewendet
haben. Doch wir wissen alle, wer angefangen hat. Anders als noch bei den
Protesten vor fünf Jahren setzt die Polizei lebensbedrohliche Waffen ein.
Das führt zu Gegenreaktionen, etwa wenn Demonstranten die Tränengasgranaten
mit einem Tennisschläger zurückschleudern. Statt alles auf die
Demonstranten zu schieben, sollte sich Hongkongs Regierungsschefin
[2][Carrie Lam] und Chinas Präsident Xi Jinping fragen, ob sie die
Situation nicht auch durch politische Reformen hätten entschärfen können.
Was sind Ihre nächsten Schritte?
Wir werden weiter demonstrieren, jedes Wochenende. Am 1. Oktober wird es
eine Großdemonstration geben. Im November finden Bezirksratswahlen statt.
Der Stimmenanteil des prodemokratischen Lagers wird zeigen, wie viel
Unterstützung wir genießen. Ich spiele mit dem Gedanken, zu kandidieren. Es
wird sich zeigen, ob Peking meine Teilnahme gestattet oder uns unter
Vorwänden ausschließt.
(Mitarbeit: Lin Hierse, Stefan Schaaf, Finn Mayer-Kuckuk)
11 Sep 2019
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## AUTOREN
Felix Lee
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