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# taz.de -- Miniserie „Die neue Zeit“: Noch einmal 100 Jahre Bauhaus
> Ein halbes Jahr nach der ARD erzählt auch das ZDF seine Geschichte von
> einer jungen Frau am Bauhaus. Mit kleinen, aber feinen Unterschieden.
Bild: Für sein Interview mit der Journalistin Stine wird Gropius (August Diehl…
Ein alter, nach Herbert-Wehner-Doku-Drama à la Heinrich Breloer aussehender
Mann erhebt sich von seiner Liege. Es ist die Barcelona-Liege von Ludwig
Mies van der Rohe. Die kostet aktuell rund 13.000 Euro und war auch damals
– es soll das Jahr 1963 sein – schon nicht billig. Kann also nicht der
Sozialdemokrat Wehner sein. Nein, der alte Mann im Wehner-Design ist der
[1][achtzigjährige Bauhaus-Gründer Walter Gropius] – wie ihn der halb so
alte Schauspieler August Diehl unter viel Maske verkörpert. Er erhebt sich
also von seiner kostspieligen Liege, auf dem Bauch ein Buch mit dem Titel
„The Feminine Myth – A Protest“. Er soll der Autorin ein Interview für d…
Magazin Vanity Fair geben. Sie fällt gleich mit der Tür ins Haus: „Sag mir
mal, Walter, wie lebst du mit der Lüge, dass Frauen und Männer am Bauhaus
gleichbehandelt worden seien?“
Das Interview ist die Rahmenhandlung, mit der jeder der sechs Teile einer
neuen ZDF-Bauhaus-Miniserie eröffnet. Der greise Gropius erzählt, wie das
damals, in den Jahren zwischen 1919 und 1925, so war. An dieser Stelle
könnte sich der Rezensent entspannen und einfach seinen Text vom Februar
([2][„Ab in die Weberei!“]) kopieren. Es wären nur die Namen von Regisseur
und Schauspielern zu ändern und ARD durch ZDF zu ersetzen. Alles Übrige
würde passen.
Im hundertsten Jahr der Bauhaus-Gründung ist ein fiktionales Programm dazu
natürlich obligatorisch und kann dessen Geschichte offenbar gar nicht
anders – neu – erzählt werden als aus weiblicher Perspektive. Die in jenem
Text zum Film „Lotte am Bauhaus“ mitgelieferte Bücherliste könnte an dies…
Stelle fortgesetzt werden. Immerhin hat man sich beim ZDF in letzter
Sekunde dazu entschlossen, den geplanten Titel „Dörte am Bauhaus“ doch zu
lassen. Aber wie sich die Bilder gleichen: von den wilden Partys, von den
unkonventionellen Unterrichtskonzepten; vom Nacktbaden in der Ilm. Nur dass
es jetzt eben der Dörte und nicht mehr der Lotte obliegt, zu beweisen, dass
das Bauhaus 1919 noch nicht da war, wo wir 2019 in Sachen
Gleichberechtigung und Feminismus immer noch nicht sind.
## Kleine Scherze zwischendurch
Um wirklich ganz fair zu sein – ein paar Unterschiede gibt es schon. 270
Serien-Minuten (gegenüber 105 Film-Minuten) geben Regisseur Lars Kraume
(„Das schweigende Klassenzimmer“) viel mehr Möglichkeiten, die Zeit, ihre
Menschen, deren Horizont anschaulich zu machen. Wunderbar die Szene, in der
Dörtes bildungsbürgerlicher Vater (Hanns Zischler) sich zitierender Weise
über ein Dada-Gedicht Hugo Balls mokiert. Um sich von der arg
bildungsbürgerlichen Breloer-Filmästhetik zu distanzieren, erlaubt sich
Kraume ein paar kleine Scherze zwischendurch. So beginnt die Binnenhandlung
1919 mit Schwarzweißbildern. Dann sagt Gropius aus dem Off: „Übrigens. Alle
erinnern sich an das Bauhaus nur in Schwarzweiß. Aber Farbe war überaus
wichtig für uns.“
Und weiter geht’s in Farbe. Das ist wesentlich origineller als die Episode
der ZDF-Comedy „Sketch History“ ganz am Anfang: Erster Weltkrieg, brutaler
Grabenkrieg. Soldaten sterben, Soldaten fliehen. Einer wird von seinem
vorgesetzten Offizier im Kugelhagel gezwungen, noch etwas zu telegrafieren.
Er kann es nicht fassen: „Sie wollen eine Kunstakademie übernehmen? Das ist
Ihre wichtige Nachricht an den Großherzog?“ Manchmal wäre weniger doch mehr
gewesen.
Zu den Unterschieden zählt auch, dass es diese – 1941 früh verstorbene –
Dörte Helm (anders als die fiktive Lotte Brendel) tatsächlich gab. Anna
Maria Mühe stattet sie mit einer Trotzköpfigkeit aus, die etwas weniger
nach Mädchenbuch aussieht, als das bei Alicia von Rittberg der Fall gewesen
war. Hinsichtlich ihrer – gewiss fotogenen – amourösen Verbindung mit
Gropius bedient sich Kraume ausgerechnet bei Gerüchten, mit deren Streuung
Reaktionäre das Bauhaus seinerzeit verleumden wollten.
Zu den interessanteren Bauhaus-Büchern [3][im Jubiläumsjahr] zählt Bernd
Polsters „Walter Gropius – Der Architekt seines Ruhms“, in dem er Gropius
als Profiteur fremder Talente und schamlosen Schelm zu entlarven versucht.
Kraumes und Diehls Gropius ist eher ein zaudernder Pragmatiker, um nicht zu
sagen: Langweiler. Schade: „Bekenntnisse des Hochstaplers Walter Gropius“ �…
das wäre doch mal ein Film gewesen!
5 Sep 2019
## LINKS
[1] /100-Jahre-Bauhaus/!5619169
[2] /ARD-Spielfilm-Lotte-am-Bauhaus/!5572764
[3] /Essay-zum-100-Bauhaus-Jubilaeum/!5589177
## AUTOREN
Jens Müller
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