# taz.de -- Bauhaus Museum in Dessau: Intelligenz im Innern | |
> In Dessau ist das Bauhaus Museum eröffnet worden. Während die Architektur | |
> nicht überzeugt, ist die Konzeption der Ausstellung toll. | |
Bild: Der Dessauer Museumsbau versucht, sich mit Urfragen einer architektonisch… | |
Am Sonntag hat unter Beisein von Kanzlerin Angela Merkel der zweite | |
Museumsneubau eröffnet, der sich zum hundertjährigen Gründungsjubiläum der | |
deutschen Vorzeigeinstitution Bauhaus widmet. Nachdem im April in Weimar, | |
dem Gründungsort der Kunstschule, das erste Bauhaus Museum übergeben wurde, | |
folgte jetzt Dessau. | |
In der seinerzeit fortschrittlichen Industriestadt konnte das Bauhaus, dem | |
1924 eine rechte Mehrheit im thüringischen Landtag die finanzielle Basis | |
entzog, von 1925 bis 1932 seine größte Wirkung entfalten, wenngleich | |
neuerlich politisch umstritten. Hier sind seine ikonischen Bauten wie das | |
Lehrgebäude und die Meisterhäuser lokalisiert oder auch die Siedlung | |
Törten. In Berlin, am letzten und 1933 dann selbst aufgelösten | |
Bauhaus-Standort, muss man noch warten: Dort sollen das generalsanierte | |
Bauhaus-Archiv und ein Erweiterungsbau 2022 der Öffentlichkeit übergeben | |
werden. | |
Dieses geballte Bauprogramm wirft natürlich die Frage auf: Wie baut man | |
überhaupt ein Museum für das Bauhaus, das sich selber nie musealisieren | |
lassen wollte, auch einen „Bauhausstil“, der sich in seinem 14-jährigen | |
Bestehen aber nicht verhindern ließ, so vehement ablehnte? In Weimar wie | |
Dessau gelingt architektonisch keine Antwort. | |
In beiden Städten gingen den Bauvorhaben kontroverse Diskussionen bei der | |
Suche eines Baugrunds voraus. In Weimar wäre ohne Federlesens ein achtbares | |
Exempel später DDR-Moderne, die Mensa am Ilmpark nahe der historischen | |
Stätte, geopfert worden, hätten nicht Studierende der Bauhaus-Universität | |
beherzt interveniert. | |
An der topografischen Abrisskante | |
Der alternativ bestimmte Standort an der topografischen Abrisskante eines | |
Gartendenkmals der 1920er Jahre und der brutalen Aufschüttung zum | |
NS-Gauforum ist ein aberwitziger, intellektuell aber grandios fordernder | |
Ort, dem der tumbe Museumskubus nicht einmal in Ansätzen gerecht wird. Die | |
Folge: Er wird längst als Architekturbestand des Gauforums gelesen. | |
In Dessau musste 2014 der Direktor der Stiftung Bauhaus, Philipp Oswalt, | |
seinen Posten räumen: Seine favorisierte und von Gutachten gestützte | |
Verortung des Museums im Kontext von Bauhaus und Meisterhäusern missfiel | |
der Landesregierung, die den Standort im Dessauer Stadtpark durchsetzte. | |
Auch dies ein historischer Ort: Hier stand bis 1944 das Palais Reina mit | |
der Anhaltischen Gemäldegalerie. | |
In beiden Städten beschritt man für die Architektur der ähnlich großen (und | |
teuren) Häuser den langen Weg eines zweistufigen internationalen | |
Wettbewerbs. Aus jeweils mehreren Hunderten erster Entwürfe wurden jeweils | |
etwa 30 in die zweite Stufe zugelassen, beide Verfahren verlangten nach | |
Abschluss weitere Überarbeitungen und Qualifikationsnachweise bis zum | |
finalen Entscheid. Beiden Städten bescherten die Wettbewerbe unerfahrene | |
Architekt*innen: die Berlinerin Heike Hanada, die in Weimar reüssierte, | |
hatte Wettbewerbs- und Lehrerfahrung aufzubieten, aber überhaupt noch | |
nichts gebaut. | |
Auch das in Dessau beauftragte Büro Addenda Architects (Roberto González, | |
Anne Hinz, Cecilia Rodríguez, Arnau Sastre und José Zabala) tat sich erst | |
2015 in Barcelona für den Wettbewerb zusammen. Beiden Bauherren – den | |
jeweiligen Bundesländern, Bauhaus-Stiftungen und Kommunen – ist hoch | |
anzurechnen, dass sie ihren Novizen die Treue hielten und nicht im Nachgang | |
zum Wettbewerb einen Star-Architekten mit einem vermeintlichen | |
Weltklasse-Entwurf aus dem Hut zauberten. | |
Transparenz und geschlossenes Volumen | |
Der Dessauer Museumsbau versucht immerhin, sich mit Urfragen einer | |
architektonischen Moderne, etwa Tragen und Lasten, Transparenz und | |
geschlossenes Volumen, fließender Raum und konstruktive Struktur, zu | |
befassen. In einem, nach aktueller Vorschrift in bedruckter | |
Dreifachverglasung ausgeführten, kaum noch transparenten Glashaus schwebt | |
nun die knapp hundert Meter lange Black Box des Ausstellungsgeschosses. | |
Drückt man auch hier angesichts der erbärmlichen Qualität des Betonbaus | |
gnädig die Augen zu, eröffnet sich in seinem dunklen Inneren eine | |
inhaltlich wie inszenatorisch hochintelligente Ausstellung. Sie greift auf | |
die 1976, zum 50-jährigen Bauhaus-Jubiläum, initiierte Sammlung der DDR | |
zurück, die Netzwerke ehemaliger Bauhäusler seit den späten 1940er Jahren | |
vorbereiteten. | |
Gegliedert durch die lange orangefarbene „Fabrik“ großformatiger | |
Bauhausprodukte, wird auf Tischen zu beiden Seiten „die Schule“, die Arbeit | |
am Bauhaus ausgelegt. Lehrer-Schüler-Paare wie László Moholy-Nagy und | |
Marianne Brandt stehen für Experimente mit Licht und Realisierungen zur | |
Architekturbeleuchtung, Hannes Meyer und Konrad Püschel für eine lang | |
nachhallende Prägung sozialistischer Bauproduktion. | |
Auch die ideologisch vereinnahmenden Rezeptionen des Bauhauses in Ost wie | |
West werden thematisiert, eine Nachfolgeinstitution wie die Hochschule für | |
Gestaltung Ulm ist präsent. In Dessau gelingt ein fundamentaler Schritt zur | |
historischen Einordnung des Bauhauses, der Mythos ewigzeitlicher | |
Designikonen wird nicht perpetuiert. Alles längst überfällig, 86 Jahre nach | |
Schließung des Bauhauses. | |
9 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Bettina Maria Brosowsky | |
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