# taz.de -- Neue Perspektiven für das Bauen: Handbuch für das Haus der Erde | |
> Aktuelle Standards westlicher Architektur tragen wesentlich zur | |
> Klimaerwärmung bei. Eine Berliner Ausstellung sucht nach Alternativen. | |
Bild: Modulares Wohnsystem im „Plus-Energie-Standard“: CUBITY | |
Er steckt nicht nur in Kosmetik und Smartphones – er ist auch der | |
wichtigste Bau-Rohstoff unserer Epoche. Eine Studie der ETH Zürich kam auf | |
einen Verbrauch von etwa 50 Milliarden Tonnen jährlich. Sand ist damit nach | |
Wasser die zweitmeist konsumierte Ressource – und wird ausgerechnet auf | |
einem Planeten knapp, der durch den Klimawandel in weiten Teilen verwüstet. | |
Doch Wüstensand ist, von Wind und Wetter rundgeschliffen, nicht zur | |
Herstellung von Beton geeignet – dem Baustoff der Moderne. So wie auch | |
Glas. | |
Und es wird immer mehr gebaut. Das führt nicht zu günstigem Wohnraum. Dafür | |
stellen die als natürlicher Lebensraum kaum infrage gestellten Megastädte | |
steigende Anforderungen an Agrarwirtschaft und Industrie. Die | |
Digitalisierung hat keine „globalen Dörfer“ geschaffen. Stattdessen | |
ermöglicht sie perfekte Logistikketten, die auf einem alten Energieregime | |
basieren und weiterhin auf Wachstum setzen. | |
„[1][Houston, we have a problem]“ heißt eine Ausstellung im Deutschen | |
Architekturzentrum (DAZ) in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architekten | |
(BDA) in Berlin. Ihr war ein Call for Projects vorausgegangen, der die | |
Möglichkeiten klimagerechten Bauens jenseits bekannter Lösungen auslotet. | |
Eingegangen sind 150 Projekte, gebaute und gedachte Visionen aus den | |
Bereichen Architektur und Städtebau, Gesellschaft, Energieversorgung, | |
Verkehr und Ökonomie. | |
Drei von ihnen exemplarisch ausgestellt. Wie etwa das Berliner Wohnhaus | |
„[2][einfach gebaut]“ (orange architekten) mit seinen gesteckten und | |
gehängten Fassadadenelementen. Student*innen der TU-Darmstadt realisierten | |
mit „CUBITY“ ein modulares Wohnsystem im „Plus-Energie-Standard“. Die | |
gesamte Projektsammlung ist als Register verankert, einige online in der | |
sehr lesenswerten Begleit-Ausgabe von „[3][der architekt]“ dokumentiert. | |
Der Ausstellungstitel ist ein nicht ganz korrekt zitierter Teil der | |
Funkkommunikation zwischen Astronauten und dem NASA Mission Control Center | |
(„Houston“) während des Apollo 13-Raumfluges im April 1970, als eine | |
Explosion den Zusammenbruch der Sauerstoff-, Strom- und Wasserversorgung | |
zur Folge hatte. Eine Reihe von technischen Improvisationen führte zur | |
Rettung der Besatzung. | |
Er markiert auch zwei paradoxe Entwicklungen, die in ein Jahrzehnt fielen: | |
der Beginn des hoch technisierten Raumfahrtzeitalters und der modernen | |
Umweltbewegungen. Das von dem Ökonomen Henry George 1879 erstmals | |
eingeführte Diktum vom „Schiff, auf dem wir durch das All fahren“ wird | |
damals häufig zitiert. Der Konstrukteur Richard Buckminster Fuller | |
veröffentlichte 1968 seine „Bedienanleitung für das Raumschiff Erde“. | |
Im vergangenen Mai hatte man sich daran anlehnend auf dem 15. BDA-Tag in | |
Halle an der Saale mit „[4][Das Haus der Erde]“ bereits auf ein Manifest | |
für eine klimagerechte Architektur der Zukunft festgelegt. Kernbestandteil | |
neben der Partizipation an politischen Prozessen und Ressourcen-schonendem | |
Bauen: die vollständige Entkarbonisierung – also der Verzicht auf | |
Materialien, deren Herstellung viel CO2 emittiert. | |
Denn es sind die aktuellen Standards westlicher Architektur mit ihrem hohen | |
Aufwand an Baumaterialien, die wesentlich zum globalen Ressourcenverbrauch | |
beitragen. Darüber hinaus fallen bei der Extraktion und Verarbeitung etwa | |
die Hälfte aller Treibhausgasemissionen an. Der Physiker Hans Joachim | |
Schnellhuber bezeichnet Beton als einen der schlimmsten Baustoffe | |
überhaupt, wenn es um Klimafolgen geht. Ähnlich problematisch: Stahl, | |
Aluminium und Kupfer. | |
Für eine Kehrtwende setzten viele Beiträge auch auf Partizipation. In loser | |
Reihenfolge lädt das DAZ deshalb zu „Y-Table Talks“ ein. Denn: „Es gibt | |
keine Passagiere im Raumschiff Erde – nur Besatzung“ (Buckminster Fuller). | |
Für eine Kehrtwende setzen viele der eingesandten Projekte auch auf mehr | |
Partizipation und Einmischung. Denn: „Es gibt keine Passagiere im | |
Raumschiff Erde – nur Besatzung“ (Buckminster Fuller). | |
20 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.daz.de/de/projektsammlung-houston-we-have-a-problem/ | |
[2] http://orange-architekten.de/ | |
[3] http://derarchitektbda.de/ | |
[4] https://www.bda-bund.de/2019/08/das-haus-der-erde_bda-position/ | |
## AUTOREN | |
Antonia Herrscher | |
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