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# taz.de -- Wahlkampfabschluss in Brandenburg: Volksnähe ohne Volk
> Vizekanzler Olaf Scholz besucht im brandenburgischen Prenzlau die
> Veranstaltung zum Wahlkampfende der SPD. Es kommen nur eine Handvoll
> Leute.
Bild: SPD auf Tuchfühlung: Olaf Scholz mit Brandenburgs Ministerpräsident Die…
Prenzlau taz | Olaf Scholz kommt in Jeans. Leicht gebräunt, entspannt,
weißes Hemd, er sieht jünger aus als 61. Die örtliche
SPD-Landtagskandidatin vibriert vor Glück und Anstrengung und zeigt ein
gefrorenes Lächeln. Der Vizekanzler und [1][vielleicht nächste SPD-Chef]
kommt nach [2][Prenzlau], in eine Plattenbausiedlung am Stadtrand, die eine
AfD-Hochburg ist. In der Siedlung gibt es manchmal Prügeleien zwischen
Migranten und Rechten, auch Waffen hat die Polizei schon beschlagnahmt.
Man mache dieses Kaffeetrinken mit dem Vizekanzler extra hier, um Volksnähe
zu zeigen, so die SPD. Trotz AfD. Man hört gellende Trillerpfeifen, aber
nein, das ist keine Störaktion der Rechtspopulisten, die SPD verschenkt
neben Kugelschreibern auch Trillerpfeifen, mit denen die Kinder auf
Spielplatz nebenan vergnügt Lärm machen.
Die Stimmung in der [3][Brandenburger SPD] ist besser geworden. Sie liegt
in den aktuellen Umfragen vor der Wahl am Sonntag bei 22 Prozent und kann
hoffen, mehr Stimmen als die AfD zu bekommen. Die führte einige Zeit, doch
die allerletzte Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen sah die AfD bei 21
Prozent. Der Trend scheint sich gedreht zu haben, die SPD könnte in ihrem
ostdeutschen Stammland wieder stärkste Partei werden und den
Ministerpräsidenten stellen. So wie seit 30 Jahren. Manche hoffen, dass die
Nachricht, dass der Brandenburger AfD-Chef und Spitzenkandidat [4][Andreas
Kalbitz] 2007 mit Neonazis in Griechenland war, Schwankende zur Vernunft
bringt.
Mit der Volksnähe ist es an diesem warmen Freitagnachmittag mangels Volk
schwierig. Der örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete ist da, auch die
Volkverteter aus Landtag und Kreistagen sowie einige Stadträte sind
gekommen. Und eine Handvoll Neugierige. Ein paar Plattenbaubewohner schauen
von ihren Balkonen herab und verschwinden nach ein paar Minuten wieder.
## Ein Mann für Lösungen
„Alle können auf mich zuströmen“, sagt Olaf Scholz. Und, dass viel gelung…
sei in Brandenburg, aber man noch besser werden könne. Ein alter Mann tritt
heran und führt Beschwerde. Er lebe in einem Dorf ohne Geschäft, zehn
Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, der Bus fahre selten. Warum? „Zu
DDR-Zeiten war das besser“, sagt er.
Scholz hält das für eine gute Frage. Man müsse den öffentlichen Nahverkehr
ausbauen, andererseits sei es so eine Sache mit den kleinen Geschäften. Die
Leute machten ihre Großeinkäufe in den Malls und großen Supermärkten und
ärgerten sich, wenn der Laden um die Ecke verschwinde. Deshalb, so Scholz,
seien sie ja auch Schuld. Im Übrigen sei Technik die Lösung. Technik habe
einen schlechten Ruf, zu Unrecht. Denn man könne mit digitaler Technik –
„App nennt sich das“ – ein selbstfahrendes Auto bestellen, das einen in d…
nächste Stadt bringe. Leider gebe es bei selbstfahrenden Autos noch echte
Probleme bei Kreisverkehren.
Irgendwie liegt hier ein Missverständnis vor. Der Mann, über 70, wird es
wohl kaum erleben, dass selbstfahrende Autos ihn, mit oder ohne
Kreisverkehr, nach Straßburg in der Norduckermark bringen. Vielleicht
wollte er nur etwas Verständnis. Aber Scholz ist kein Mann für Verständnis,
er ist ein Mann für Lösungen.
Eine alte Frau sagt: „Ich bin 1942 in Prenzlau geboren. Wir haben als
Kinder den Schutt weggeräumt“. Die Prenzlauer seien fleißig. Sie sagt auch:
„Zu DDR-Zeiten gab es noch Zusammenhalt, jetzt nicht mehr. Jetzt geht es
bergab.“ Und keiner tue was dagegen. Scholz hat das Mikro in der Hand, und
damit alle die Frage hören, wiederholt er sie: Die Frau lobe die Stadt als
fleißig und wolle wissen, wie sich Prenzlau richtig entwickeln kann.
Das hat Olaf Scholz gehört. Er hört nichts von Sehnsucht nach Früher und
DDR-Nostalgie, sondern wie man es anpackt, dass es bergauf geht. Lösungen
müssen her. Brandenburg sei, was die Finanzstärke angeht, fast so weit wie
westliche Bundesländer, sagt er später. Es ist wohl als Aufmunterung
gemeint.
31 Aug 2019
## LINKS
[1] /Scholz-und-Geywitz-fuer-SPD-Vorsitz/!5617432
[2] /Kleiderkammer-und-Buerokratie/!5616605
[3] /SPD-vor-der-Landtagswahl-in-Brandenburg/!5616162
[4] /AfD-Spitzenkandidat-bei-Nazi-Demo/!5621963
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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