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# taz.de -- Wohnungsvermittlung für Gewaltopfer: „Das macht die Frauen ferti…
> Frauen aus Frauenhäusern haben in Berlin wenig Chancen auf eine Wohnung.
> Manche gehen sogar zurück zum prügelnden Partner, erzählt eine
> Vermittlerin.
Bild: Auch in den Berliner Frauenhäusern sind die Plätze knapp
taz: Frau Höfner, Ihr Verein sucht Wohnungen für Frauen, die häusliche
Gewalt erfahren haben. Im Moment sicher kein leichter Job …
Selina Höfner: Wir sind dem Wohnungsmarkt ausgeliefert, er bestimmt alles,
indirekt auch über die Schicksale und Perspektiven dieser Frauen.
Normalerweise würde ich nach einer passenden Wohnung für die jeweilige Frau
suchen. Inzwischen ziehen wir jede Wohnung in Betracht, die überhaupt
bezahlbar ist. Ich muss allen Frauen, die bei uns angemeldet sind, sagen:
Es wird schwer.
Wie kommen die Frauen zu Ihnen?
In der Regel melden die Frauenhäuser oder Beratungsstellen die Frauen bei
uns an, nachdem sie sich stabilisiert haben und die bürokratischen Fragen
geklärt sind. Die eigene Wohnung ist dann ein entscheidender Schritt in ein
gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben.
Wie lange brauchen Sie, um eine Wohnung für die Frauen zu finden?
Wir haben eine durchschnittliche Dauer von 120 Tagen, bis wir einen
Mietvertrag haben. Aber das variiert stark. Seit anderthalb Jahren haben
wir zum Beispiel eine Frau in der Vermittlung, die aus Angst vor ihrem Mann
vom Balkon gesprungen und seitdem querschnittsgelähmt ist. Sie bräuchte
eine barrierefreie Wohnung, aber da ist quasi kein Angebot da. Eine Frau
mit sechs Kindern ist seit zwei Jahren bei uns angemeldet. Bei mehr als
drei Kindern wird es generell schwer.
Wo sind diese Frauen jetzt?
Die Frau mit den sechs Kindern war in zwei Frauenhäusern und ist
schließlich zum Partner zurückgegangen. Das passiert leider immer wieder
und ist besonders dramatisch. Die Frau im Rollstuhl ist anderweitig
untergebracht.
Was macht es besonders schwer, für Frauen aus Frauenhäusern eine Wohnung zu
finden?
Es kommen oft bürokratische Hindernisse zur Wohnungsknappheit dazu: Da
warten die Frauen Wochen oder Monate auf den Wohnberechtigungsschein, den
sie für eine Sozialwohnung brauchen. Viele Frauen sind auf Arbeitslosengeld
II angewiesen. Wenn dann bei einem Umzug ein anderes Jobcenter zuständig
ist, dann streiten die sich darum, wer welche Kosten für die Unterkunft
übernimmt. Wir hatten jetzt schon mehrfach den Fall, dass eine Frau nach
einem Monat die fristlose Kündigung des Vermieters bekommen hat, weil das
Jobcenter A gesagt hat, die Kaution müsse das Jobcenter B übernehmen und
andersherum. Und dann gibt es noch folgendes Problem: Wir vermitteln ja
häufig in das Geschützte Marktsegment der städtischen
Wohnungsgesellschaften. Für viele Frauen ist das die einzige Chance –
gerade wenn sie hohe Schulden haben. Diese Wohnungen sind aber zunehmend in
einem stark renovierungsbedürftigen Zustand.
Was erleben Sie da?
Wenn die Frau Glück hat, muss sie nur malern. Aber es gibt auch Wohnungen,
da fehlt der Fußboden, sind Fliesen ausgeschlagen, müssten Lackarbeiten
gemacht werden. Nun ist das Geschützte Marktsegment ja nicht nur für unsere
Frauen vorgesehen. Wenn ein anderer Bewerber sagt, ich kann das renovieren,
dann kriegt halt der die Wohnung. Und selbst wenn eine Frau bereit ist zu
renovieren, dann gibt es auch da immer wieder Probleme mit den Jobcentern.
Wir reden hier häufig von 1.000 Euro und dann sagen die Jobcenter: Wir
bezahlen das nicht, sie können doch nach einer Wohnung suchen, die weniger
renovierungsbedürftig ist.
Müssten nicht eigentlich die städtischen Wohnungsgesellschaften die
Wohnungen in einem bewohnbaren Zustand anbieten?
Sie müssten, aber wer macht ihnen Druck? Die Wohnungsgesellschaften haben
die Ware und damit die Macht. Das ist ein politisches Problem.
Was würden Sie sich für eine Verbesserung der Situation wünschen?
Zuerst einmal braucht es mehr Schutzplätze – vor allem in Frauenhäusern.
Laut Istanbul-Konvention (siehe Kasten, d. Red.) müsste Berlin viel mehr
Plätze vorhalten. Und dann würde ich mir wünschen, dass sich mehr
VermieterInnen, und da appelliere ich vor allem an die Privaten, mit Frauen
aus Gewaltsituationen solidarisieren und bezahlbaren Wohnraum anbieten.
Was ist denn in diesem Fall eine bezahlbare Wohnung?
Bei den Frauen, die Leistungen vom Jobcenter bekommen, richten wir uns nach
der AV Wohnen. Wir dürfen die Regelsätze um 20 Prozent überschreiten, weil
die Frauen von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Für eine Frau mit drei
Kindern sind das maximal 815 Euro mit Betriebskosten ohne Heizkosten. Aber
die Jobcenter sind zum Teil so streng. Wir hatten kürzlich den Fall, dass
wir für eine Frau eine Fünfzimmerwohnung gefunden hatten – ein Glücksfall!
Die Grundmiete stimmte sogar, aber die Heizkosten waren 10 Euro zu hoch.
Und dann wurde die Kostenübernahme abgelehnt! Klar, das Jobcenter hält sich
an die Vorschriften, aber für die Frau bedeutet das, dass sie
möglicherweise noch ein Jahr im Frauenhaus ist.
Wie dramatisch ist das für die Frauen?
Es wird natürlich versucht, den Frauenhausaufenthalt so angenehm wie
möglich zu machen, aber das ist nur für den Übergang konzipiert. Meistens
hat die Frau mit ihren Kindern ein kleines Zimmer, es ist eng, es sind sehr
viele Frauen und traumatisierte Kinder da. So zwischen Tür und Angel zu
wohnen, macht die meisten Frauen richtig fertig. Man darf nicht vergessen,
dass der Schritt raus aus der Gewaltsituation schon viel Kraft gekostet
hat. Es ist der Wunsch der Frauen, so schnell wie möglich ein stabiles
Umfeld für sich und ihre Kinder zu bekommen, sich etwas Neues aufzubauen.
Wenn das nicht gelingt … Viele Frauen sind wirklich, wirklich verzweifelt.
10 Sep 2019
## AUTOREN
Manuela Heim
## TAGS
häusliche Gewalt
Gewalt gegen Frauen
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