# taz.de -- Sieg für Fußball-eNationalmannschaft: Adler vor dem Bildschirm | |
> Der DFB lädt zum ersten Freundschaftsspiel der eNationalmannschaft. An | |
> der Konsole haben die Niederländer keine Chance. | |
Bild: Die deutschen Nationalzocker MoAuba (l.) und Megabit (r.) beim eNations C… | |
Hamburg taz | Leibhaftige Zuschauer sind eigentlich nicht vorgesehen. Aber | |
als die deutsche eNationalmannschaft beim ersten Heimspiel ihrer Geschichte | |
uneinholbar mit 3:1 in Führung liegt, sind die Aufpasser am Eingang des | |
Edelfettwerks, einer Eventlocation im Norden Hamburgs, auf Anweisung des | |
[1][DFB] großzügig geworden. Geschlossene Gesellschaft hieß es noch davor. | |
Sie können sich die Spiele nur im Internet über einen Livestream ansehen. | |
Nun dürfen Pressevertreter doch vor dem letzten Schlusspfiff rein in den | |
sogenannten LaborClub, einen Flachbau. Im Barraum, der durch unzählige | |
kleine runde rot getönte Scheiben in entsprechendes Licht getaucht ist, | |
halten sich etwa zehn Leute auf und schauen mehr oder minder interessiert | |
auf einem Fernseher, der das letzte bedeutungslose Doppelduell an der | |
Playstation vom Nachbarraum überträgt. | |
Durch den offenen Durchgang kann man die Protagonisten auch direkt sehen. | |
Sie sitzen in Trainingshose und den jeweiligen Nationaltrikots hinter einer | |
Sponsorenwand und vor einem Computer. Die beiden Nationaltrainer schauen | |
ihren Schützlingen über die Schulter. Ausgeleuchtet wird die Szenerie von | |
grellen Scheinwerfern und aufgenommen von mehreren Kameras – sterile | |
Studioatmosphäre. | |
Publikum, das mit jeder gelungenen Aktion am Controller mitgeht, ist dem | |
deutschen Nationalspieler Mohammed Harkous lieber. So wie bei der | |
[2][Weltmeisterschaft in London im August], als er den Titel und ein | |
Preisgeld von 225.000 Euro gewann. Nach der gelungenen Studioheimpremiere | |
in Hamburg sagt er: „Wenn wie bei der WM Tausende Zuschauer da sind, hat | |
man Spaß, will denen zeigen, was man kann. Ich bin so einer, der das | |
genießt. Ich bin 0,0 nervös. Online-Zuschauer sind immer viele da, aber die | |
sieht man halt nicht. Das sind irgendwelche Zahlen im Internet.“ | |
## Ein Kilometer zur analogen Welt | |
An diesem Nachmittag hat der DFB über 40.000 User gezählt, die über Twitch, | |
YouTube und DFB-TV auf den Livestream zugegriffen haben. Aber Harkous, der | |
in der digitalen Welt nur [3][unter seinem Künstlernamen MoAuba bekannt] | |
ist, hat Verständnis. Es sei zwar das erste Heimländerspiel, aber ein | |
Freundschaftsspiel und deshalb schon allein wegen der vorgeschriebenen | |
Sicherheitsmaßnahmen viel zu aufwendig, Zuschauern den Zutritt zum Ort des | |
Geschehens zu ermöglichen. | |
Analog zur wirklichen Welt hat der DFB an diesem Tag die digitale Premiere | |
angesetzt. Wenige Stunden vor der EM-Qualifikationsbegegnung zwischen | |
Deutschland und den Niederlanden im von hier nur einen Kilometer entfernten | |
Volksparkstadion findet der Ländervergleich auch an der Playstation statt. | |
„Fifa 20“ wird gezockt, drei Doppel und zwei Einzel. Jedes Team stellt vier | |
Spieler. Am Ende steht es 4:1 für Deutschland. | |
Die Atmosphäre im LaborClub mag künstlich wirken, der Stolz der | |
Protagonisten ist echt. Auf die Frage, ob zu Beginn auch die Nationalhymnen | |
gespielt wurden, antwortet Mohammed Harkous: „Es würde hier zu sehr | |
schallen, deshalb konnten wir leider nicht mitsingen.“ Es sei eine Ehre, | |
für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Bei der erstmals | |
ausgetragenen Team-WM im April in London, die auch der damalige | |
DFB-Interimspräsident Dr. Rainer Koch besuchte, sei die Hymne vorab | |
gespielt und mitgesungen worden. Genau so also, wie man das von Joachim Löw | |
und seinen Kickern kennt. | |
Die Statements nach dem eLänderspiel gegen die Niederlande ähneln ebenfalls | |
sehr dem „echten“ Fußball. Harkous bilanziert: „Spielerisch müssen wir … | |
viel machen, aber das ist normal. Wir müssen jetzt ein paar Wochen Gas | |
geben, wenn das Spiel rauskommt.“ Gemeint ist damit die eigentliche | |
Herausgabe der Fußballsimulation „Fifa 20“ Ende September. Die Version | |
wurde in Hamburg das erste Mal werbewirksam offiziell gespielt, mit seinem | |
Engagement im eFußball ist der DFB nun auch ein Marketinginstrument des | |
US-amerikanischen EA Sports. | |
## Elektro auf dem Ohr, Fußball am Controller | |
Michael Bittner, [4][der an der Konsole einfach nur „MegaBit“ heißt], ist | |
von seinem ersten Heimländereinsatz auch sehr angetan. „Einzigartig“ sei | |
es, sein Land vertreten zu dürfen. Mit Harkous hat er dieses Jahr für | |
Werder Bremen schon die Deutsche Meisterschaft gewonnen. An diesem Freitag | |
trägt er vor dem Computer die Rückennummer 18 auf dem DFB-Trikot. Für ihn | |
sei das Publikum nicht so wichtig, erklärt er. Er schottet sich sowieso mit | |
Musik ab. Über seinen Kopfhörer hört er Pop und Elektro, während er für | |
Deutschland am Controller kämpft. | |
Die jüngst vom DOSB noch einmal befeuerte Debatte, ob eSport auch als Sport | |
gelten darf, berührt die Nationalspieler Bittner und Harkous nicht | |
besonders. Harkous verweist darauf, dass in dem vom DOSB in Auftrag | |
gegebenen Gutachten eSport zwar nicht als Sport betrachtet wird, aber | |
Fußballsimulationen etwa, die analogen Sport virtuell nachbilden, | |
ausgenommen und positiv bewertet werden. | |
Für Bittner ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das traditionelle | |
Sportbild verändert. Die Entwicklung sei nicht aufzuhalten, das würden ihm | |
schon die großen Veränderungen in den letzten drei Jahren zeigen. „Je | |
früher man den eSport unterstützt, statt ihn zu kritisieren, desto besser | |
ist es für alle Parteien.“ | |
Noch aber wirken auch die Bemühungen des DFB im LaborClub nahe dem | |
Volksparkstadion irgendwie laborhaft. Der Livestream stockte beim | |
Heimländerspieldebüt stetig. Und bei der von der Uefa organisierten „eEuro | |
2020“, die parallel zur Fußball-Europameisterschaft stattfindet und für die | |
sich der DFB bereits angemeldet hat, gibt es bereits ein dickes Problem. | |
Denn es wird mit „Pro Evolution Soccer“ eine andere Fußballsimulation | |
gespielt – vom japanischen Unternehmen Konami, dem Exklusivpartner der | |
Uefa. Die EA-Sports-Spezialisten Bittner und Harkous hätten bei dem völlig | |
anderen Spiel keine Chance. Der DFB müsste noch einen PES-Kader nominieren. | |
8 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Neuer-DFB-Praesident/!5620318 | |
[2] https://www.nwzonline.de/werder-bremen/london-e-sport-fifa-elite-spielt-in-… | |
[3] https://www.easports.com/de/fifa/ultimate-team/compete/player-profiles/moau… | |
[4] https://www.easports.com/de/fifa/ultimate-team/compete/player-profiles/mega… | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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