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# taz.de -- E-Sport-Szene in Berlin: Auf die Maus, fertig, los!
> In Marzahn treffen sich die Gamer des 1. Berliner eSport Club. Die Gruppe
> sei auch eine Form der sozialen Kontrolle, sagt Vereinsgründer Felix
> Kluck.
Bild: Digitale Szene: Finale der Virtual Bundesliga in Berlin 2019
Das „kompetitive Spielen von Videospielen“, so wie Felix Kluck,
Vorstandsmitglied des 1. Berliner eSport-Club, die Aktivitäten seines
Vereins beschreibt, ist mittlerweile weltweit auf dem Vormarsch. Und durch
die zunehmende Popularität wird das wettkampforientierte Zocken, Daddeln
oder Gamen auch ein ernst zu nehmender wirtschaftlicher Faktor: Es gibt
Firmen, Veranstalter und auch Spieler, die alleine durch ihren Fokus auf
den E-Sport Geld verdienen – teils Millionenbeträge. Auch in Deutschland
investieren immer mehr der großen Vereine mit Wurzeln im klassischen Sport
in digitale Ableger. Der FC Schalke 04 hat eine eigene E-Sports-Abteilung
und bei [1][Hertha in Berlin] gibt es sogar eine Akademie, die
Online-Wettkämpfer fördern soll.
Zwischen diesen Giganten des Sports ist der Club von Felix Kluck allerdings
eher die Ausnahme. Vor allem aus wirtschaftlicher Sicht: Obwohl aufgrund
mangelnder Anerkennung auf Bundesebene der E-Sport offiziell nicht als
gemeinnützig eingestuft werden kann, spricht Kluck dennoch von einer
„gemeinnützigen Organisation“, die „nicht gewinnorientiert“ ist. „Je…
kann mitspielen und sich verbessern wollen“, sag Kluck, und das ohne einen
professionellen Anspruch. Der sei ohnehin nicht möglich, da die Mitglieder
des eSport-Clubs diese nur in der Freizeit „neben Job, Ausbildung, Studium“
ausüben würden.
Wie viel Sport eigentlich in diesem Hobby steckt, ist dabei immer Zentrum
einer anhaltenden Debatte. Erheblich erschwert wird diese Diskussion durch
die Diversität innerhalb des E-Sports. Die verschiedenen Spiele oder auch
Disziplinen unterscheiden sich deutlich darin, welche Fertigkeiten sie auf
Spielerseite verlangen.
Der 1. Berliner eSport Club zum Beispiel bietet auf seiner Internetseite
zurzeit Trainings in drei unterschiedlichen Computerspielen an.
Hauptaugenmerk liegt dabei auf der MOBA League of Legends. MOBA, oder
Multiplayer Online Battle Arena, ist der Überbegriff für eine Gruppe von
Spielen, bei dem zwei Teams in einer virtuellen Arena gegeneinander
antreten und versuchen, die Basis des jeweils anderen Teams zu zerstören.
Bei League of Legends, kurz LoL, bestehen die Teams immer aus fünf
Spielern. Jeder nimmt, ähnlich wie im Fußball, eine spezifische Rolle im
Team ein. Dadurch sind nicht nur persönliches Können und flinke Finger,
sondern auch Teamwork und Taktik gefragt.
Kluck zufolge sei deswegen auch einmal die Woche ein gemeinsames Training
vor Ort angesetzt. Da sich das neue Vereinsheim noch in der Renovierung
befindet, gestaltet sich das momentan allerdings schwierig. Ursprünglicher
Trainingsort sei das „Meltdown“ gewesen, so Kluck, eine Bar mit Fokus auf
E-Sports in Neukölln, die seit dem 26. Januar 2018 allerdings ihre Pforten
geschlossen hat. Dort sei auch die Idee für den ersten E-Sport Verein
Berlins entstanden. Seitdem sind die Mitgliederzahlen ständig gewachsen –
um die 135 sind es mittlerweile.
Neue Sportstätte sind nun zukünftig 28 Quadratmeter, aufgeteilt in zwei
Räume, die den Gamern im Freizeitforum Marzahn zur Verfügung stehen. Dass
die E-Sportler diese Örtlichkeit nutzen können, verdankten sie vor allem
dem Bezirksstadtrat Gordon Lemm (SPD), so Kluck.
## Fünf Sportler, ein Coach
Erst einmal müssen aber die beiden Zimmer renoviert und eingeräumt werden.
Fünf Computer sollen in die kleinere Stube, die zur Belüftung
ausschließlich ein einziges Fenster besitzt. Ein komplettes Team, bestehend
aus fünf Sportlern und einem Coach, soll hier trainieren können. In dem
zweiten, etwas größeren Raum soll ein Bildschirm, der das aktuell laufende
Spiel des Teams überträgt, angebracht werden. So könnten alle sehen, was
die Wettkämpfer im anderen Zimmer gerade zustande bringen. Den Preis für
das nötige Equipment – oder Sportgerät – schätzt Kluck dabei auf um die
14.000 Euro. Über die Finanzierung werde derzeit noch verhandelt.
Im Freizeitforum teilt sich das neue Vereinsheim des 1. Berliner
eSport-Clubs die Örtlichkeiten unter anderem mit einer Kung-Fu- und
Tai-Chi-Schule, einer Schwimmhalle mit Sauna und einer Kegelsportanlage.
Direkt neben den 28 Quadratmetern des Clubs tanzen die Kinder einer
Ballettschule. Der ein oder andere mag sich da vielleicht fragen, wie dort
ein Verein hinpasst, bei dem Computerspielen auf der Tagesordnung steht,
oder warum man zum Zocken unbedingt einen Verein braucht. Immerhin ist da
das allgegenwärtige Klischee vom daddelsüchtigen und [2][übergewichtigen
Kind], das gerne besorgte Eltern auf den Plan ruft.
Seit Mai dieses Jahres stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die
[3][Computerspielsucht] offiziell als eigenständige Krankheit ein. Denn, so
die Expertenmeinung: Eine Abhängigkeit von Computerspielen gehe oft einher
mit der Vernachlässigung von sozialen Kontakten und einer mangelhaften
körperlichen Fitness. Die WHO-Entscheidung wurde sehr unterschiedlich
aufgenommen. Die einen sehen positiv, dass es durch diese Einstufung mehr
Möglichkeiten für spezifischere Behandlungsverfahren gebe. Andere
kritisieren die zunehmende Stigmatisierung der Gamer im Ganzen.
## Probleme nicht verharmlosen
„Wir versuchen nicht, Probleme des E-Sports zu verharmlosen – sondern wir
versuchen, uns dieser Probleme anzunehmen“, kommentiert Kluck. Deswegen
würden sie sich auch freuen, dass sie im Freizeitforum trainieren könnten,
denn dort hätten sie die Möglichkeiten, an Aktivitäten außerhalb des
E-Sports teilzunehmen – „um Defiziten zum Beispiel in der Fitness
vorzubeugen“.
Der Verein selber sei schließlich auch eine Art soziale
Kontrolleinrichtung: Sollte eines der Mitglieder die Schule oder Arbeit
aufgrund des E-Sports schleifen lassen, würde das innerhalb der Gruppe eher
auffallen, argumentiert Kluck.
Für den Club sei es deswegen auch eine wichtige Perspektive, das soziale
Engagement zu verbessern und schlussendlich ein Beratungsangebot zur
Verfügung zu stellen. Laut Kluck seien sogar schon Schulen auf den Verein
zugekommen und hätten gefragt, ob die Möglichkeit einer
Aufklärungsveranstaltung bestünde, zum Beispiel im Rahmen eines
Elternabends.
Denn bei Eltern, weiß Kluck, ist immer eine gewisse Menge an
Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei, betont er, wolle sein Verein gar
nicht unbedingt missionarisch noch mehr junge Menschen an die Tastatur
bringen, „sondern wir wollen die Menschen, die schon gerne am PC sind, in
ein Vereinsgefüge einführen“.
20 Aug 2019
## LINKS
[1] /Hertha-BSC-Investor-Lars-Windhorst/!5607018&s=hertha/
[2] /Hochverarbeitete-Lebensmittel/!5614296&s=%C3%BCbergewicht/
[3] /Suchtforscher-ueber-E-Sport/!5537662&s=computerspielsucht/
## AUTOREN
Tobias Kannler
## TAGS
Games
Spielsucht
Computerspiel
Kolumne Press-Schlag
Sportler
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Computer
Fußball
Fortnite
Juan Guse
Computerspiel
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