# taz.de -- Nachwuchsleistungsakademie für eSport: Beim Fußball handgespielt | |
> 2018 gründete Hertha BSC als erster Bundesliga-Verein eine | |
> Nachwuchsleistungsakademie für den eSport-Bereich. Ein Besuch. | |
Bild: Eran Poyraz trainiert in der eSport Akademie von Hertha | |
BERLIN taz | Das Wort Akademie verspricht etwas, das der kleine Raum in der | |
Geschäftsstelle von Hertha BSC nur schwer halten kann. Hinter einer Tür im | |
trostlosen Flur des Gebäudes findet man fernab des großen Trubels des | |
Olympiastadions ein bescheidenes Zimmer. Einige Schreibtische stehen darin, | |
mehr Monitore als Sitzplätze, eine Leinwand, auf der ein Fifa-Spiel | |
übertragen wird, ein Kühlschrank mit von der AOK gesponserten Smoothies, | |
ein Sofa und ein paar Wasserkisten. Dennoch prangt selbstbewusst der | |
Schriftzug „eSport Akademie Hertha BSC“ an der Wand. | |
Davor sitzen entspannt zurückgelehnt in großen Ledersesseln zwei der | |
„Talente“: die Siebzehnjährigen Eren Poyraz und Tom Bismark. „Bei einem | |
Bundesligaspiel sieht das dann schon konzentrierter, angespannter aus“, | |
stellt Dennis Krüger, Projektmanager der eSport-Abteilung, klar. Doch heute | |
wird nur trainiert, das Ergebnis interessiert kaum. Hin und wieder werfen | |
sie sich flapsige Bemerkungen zu oder kommentieren das Spielgeschehen. So | |
könnten sie auch zu Hause spielen. | |
Stattdessen sitzen sie in der Geschäftsstelle eines Bundesligavereins, | |
beide komplett in Sportartikel von Hertha BSC gekleidet. Trainingsklamotten | |
für einen Sport, bei dem nur die Finger bewegt werden. Passende | |
Tastatur-Handschuhe fehlen anscheinend noch. Der Akademie, sagt Krüger, war | |
es wichtig, nicht „einfach Leuten ein Trikot überzustülpen“, die keinen | |
Bezug zum Verein hätten. Hier soll man sich identifizieren. Die meisten | |
anderen Klubs der virtuellen Bundesliga (VBL) hingegen haben etablierte | |
Fifa-Profis aus ganz Deutschland verpflichtet. | |
Hertha veranstaltete deshalb letztes Jahr Qualifikationsturniere in Berlin, | |
Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, um junge Talente zu finden, die | |
dann in der Akademie gefördert werden sollen. Von den 2.100 ausschließlich | |
männlichen Bewerben wurde neben Tom und Eren noch der vierzehnjährige | |
Stuttgarter Kai Bayer ausgewählt. Und die regionale Identifikation? Tom | |
wird von Eren als „Hertha-Fanatiker“ bezeichnet und gibt grinsend zu, schon | |
von klein an Fan der Berliner zu sein. | |
## Fingerübungen | |
Die Siebzehnjährigen lieben Fußball. Ihre Begeisterung für den | |
elektronischen Fußball kommt durch den aktiven Sport. Sie widersprechen den | |
Vorurteilen, mit denen sich Gamer häufig konfrontiert sehen: Couchpotato, | |
Bildschirmbräune statt Sonnenbrand, die Fingerbewegungen auf dem Controller | |
als maximale körperliche Betätigung. | |
Über diese Klischees können beide nur lachen: „Ich gehe viermal die Woche | |
zum Fußball und treffe mich viel mit Freunden“, stellt Tom klar. Auch Eren | |
will sich nicht auf die Konsole reduzieren lassen: „Ich spiele vielleicht | |
maximal vier bis fünf Stunden die Woche, neben der Schule schafft man das | |
privat kaum.“ | |
Kein Wunder, beide stecken mitten in den Vorbereitungen fürs Abitur. „Die | |
Schule hat höchste Priorität“, sagt Eren wie auswendig gelernt. Er schiebt | |
augenzwinkernd hinterher: „Das sagen sie uns hier immer wieder.“ Ein Grund, | |
dass die Eltern den eSport unterstützen. Nach dem Abi könnten sich die | |
Prioritäten verschieben: „Ich möchte mir nach dem Abitur ein Jahr frei | |
nehmen, um mich auf den eSport zu konzentrieren, und schauen, wie weit ich | |
komme“, sagt Tom. Eren hingegen überlegt, direkt ein Studium anzufangen, | |
möchte aber weiter für Hertha eSport spielen. | |
Toms Plan verfolgt auch der Älteste im Team, Mannschaftskapitän Elias | |
Nerlich. Der 22-Jährige hat letztes Jahr Abitur gemacht und verdient jetzt | |
sein Geld als eSportler, wie viel und wie, verraten er und alle anderen | |
allerdings nicht. Er will im Sommer Bilanz ziehen und entscheiden, wie es | |
weitergeht. Statt work-and-travel in Neuseeland oder Australien kann man | |
wie Elias zur Selbstfindung offensichtlich auch ein Jahr lang Fifa spielen. | |
## Das Spielsystem im Netz | |
Projektmanager Dennis Krüger gibt sich Mühe, das Trainingssystem als | |
reichhaltig zu präsentieren. Einmal im Monat findet ein Trainingslager – | |
Boot Camp genannt – statt, an dem alle Spieler teilnehmen. Dabei gibt es | |
Schulungen in den Bereichen Social-Media und Online-Präsenz durch einen | |
Fifa-YouTuber. Bisher war das noch kein großes Thema für Tom und Eren: „Wir | |
haben vielleicht 600 oder 800 Follower, da bekommen wir kaum | |
Aufmerksamkeit“, aber „er gibt uns Tipps, was wir wie posten sollen – das | |
kommt dann auch gut an“, erklärt Tom. | |
Zum Sport gehört gesunde Ernährung. Auch zum virtuellen, obwohl die | |
körperliche Verfassung dort nicht wirklich entscheidend ist, anders als in | |
der realen Bundesliga. Jedenfalls wird bei den Boot-Camps zusammen gekocht. | |
Selbst wenn, wie Tom und Eren zugeben, das Essen öfters anbrennt. | |
Anders als auf dem realen Spielfeld ist das Spielsystem im Netz. Es ist | |
stärker auf Einzelduelle ausgelegt, nur ein Drittel der Punkte werden als | |
Team ausgespielt. Gibt es beim eSport so etwas wie Mannschaftsgeist? „Man | |
motiviert sich gegenseitig, aber es ist nicht so wie im echten Fußball“, | |
gibt Eren zu. Sein Mitspieler relativiert: „Es ist ein Unterschied, ob man | |
am Computer alleine für Hertha spielt oder im Zweierteam. Da kommt schon | |
ein bisschen Mannschaftsgeist auf.“ | |
Ein bisschen Mannschaftsgeist, ein bisschen gesunde Ernährung, ein bisschen | |
Bundesliga-Gefühl. Herthas eSport Akademie steckt trotz des pompösen | |
Namens noch in den Kinderschuhen, ähnlich wie der eSport in Deutschland | |
generell. | |
27 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Carlotta Rust | |
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