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# taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Ran an die Miete
> Wer die soziale Spaltung der Großstädte aufhalten will, muss die Mieten
> deckeln. Rücksicht auf Renditeverluste ist unangebracht.
Bild: Haben Berliner lange nicht gesehen
Der Kauf von Immobilien in Berlin und anderen Großstädten versprach bislang
eine sichere Rendite. Der dänische [1][Immobilienspekulant Jørn Tækker]
erwarb 2006 ein Kreuzberger Altbau-Ensemle für 3 Millionen Euro von der
Stadt und will es nun für 20 Millionen Euro abstoßen, ohne je einen Cent in
die Substanz investiert zu haben: ein leistungsloser Gewinn. Trotz des
massiven Kapitalzuflusses in den Immobilienmarkt verbessert sich am
Wohnungsangebot nichts. Im Gegenteil: Immer mehr überteuerte Wohnungen
verkleinern das Angebot für die Mehrheit.
Der [2][Wohnungskonzern Akelius] vermietet jede frei werdende Wohnung nach
der Sanierung für den doppelten bis dreifachen Preis. 20 Euro pro
Quadratmeter im sozialen Brennpunkt; Schamgrenzen gibt es schon längst
nicht mehr. Schönen Gruß an die Mietpreisbremse. Gleichzeitig werden immer
mehr vormalige Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt.
[3][Mit dem Mietendeckel] will der Berliner Senat nun dem Treiben ein Ende
setzen. Wie Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Freitag
vorstellte, sollen ab Januar die Mieten für fünf Jahre nicht mehr steigen
dürfen beziehungsweise nur bis zu definierten Höchstwerten. Je nach Baujahr
liegen die Grenzen, die auch bei Wiedervermietungen gelten, zwischen 5,95
Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter. Wer mehr zahlt und wessen Miete 30
Prozent des Haushaltsnettoeinkommens übersteigt, darf eine Absenkung
beantragen.
Die Vorschläge sind weniger radikal als jene in einem zuvor bekannt
gewordenen Arbeitspapier. In seiner verschärften Form hätte der
Mietendeckel deutlich mehr HauptstädterInnen eine billigere Miete
ermöglicht. Doch es folgte große öffentliche Empörung: Wertverlust!
Enteignung! Kommunismus! Lange wurden die Interessengegensätze zwischen
Kapitaleignern und Besitzlosen nicht mehr so deutlich.
Dabei geht [4][jeder, der Immobilien kauft], eine Wette ein. Die
unaufhaltsam steigenden Preise haben die Illusion genährt, dass Verlust
oder weniger Rendite keine realistischen Optionen sind. Die
Immobilienbranche hat zwei Dinge kollektiv ignoriert. Erstens sind Krisen
dem Kapitalismus systemimmanent, Immobilienblasen können platzen. Zweitens
haben demokratische Staaten das Recht, regulierend einzugreifen. Viel zu
lange mussten Spekulanten dies nicht fürchten, weil der Staat dabei
versagte, das Recht auf Wohnen zu schützen. Gefürchtet haben sich allein
die Mieter.
## Wiederherstellung eines bezahlbaren Mietniveaus
Der Mietendeckel wird [5][die Angebotspreise deutlich drücken] – ein
Angriff auf sicher geglaubte Spekulationsgewinne. Sein Ziel ist aber ein
anderes: die Wiederherstellung eines bezahlbaren Mietniveaus. Der Mangel an
Marktregulierung hat zu sozialen Verwerfungen geführt. Bezahlbare Wohnungen
für Normal- und Geringverdiener gibt es in Ballungszentren kaum mehr, schon
gar nicht im privaten Wohnungssektor. Der Mietendeckel ist daher notwendig,
um sozialen Frieden zu erhalten.
Gegner dieser tiefgreifenden Maßnahme werden weiter auf die vermeintlich
schonendere Lösung verweisen: Neubau. Dabei sind, zumindest in Berlin, die
Baukapazitäten schon ausgereizt, bebaubare Grundstücke werden rar. Auch
löst allein ein Mehr an Wohnungen die Probleme nicht. Im letzten Jahrzehnt
wurden fast nur teure Mietwohnungen und Eigentumswohnungen gebaut.
Aktuell fließt das meiste private Kapital in den Kauf von
Bestandsimmobilien. Wird das künftig weniger attraktiv, bleibt viel
Kapital übrig, das auch dem Neubau zugutekommen könnte, zumal der von einer
Deckelung der Mieten ausgenommen wird.
In Berlin hat man erkannt: Wer die soziale Spaltung der Großstädte
aufhalten will, muss an die Mieten ran – ohne Rücksicht auf
Renditeverluste. Viele Mieter hätten sich einen noch radikaleren Schnitt
gewünscht. Doch ein erster Schritt ist getan. Der nächste könnte die
Enteignung der Immobilienriesen sein.
31 Aug 2019
## LINKS
[1] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5419811
[2] /Protest-gegen-Akelius-in-Berlin/!5618113
[3] /Mietendeckel/!t5567229
[4] /Berliner-Mietendeckel/!5619069
[5] /Mietendeckel-in-Berlin/!5619418
## AUTOREN
Erik Peter
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