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# taz.de -- Filmfestspiele mit weiblichen Stars: Verschleppte Entwicklung
> Die Filmfestspiele von Venedig sind eröffnet. Wir sehen Catherine Deneuve
> als alternde Diva und Nina Hoss als Pferdetrainerin.
Bild: Wiebke (Nina Hoss) und Raya (Katerina Lipovska) spielen die Hauptrollen i…
Die Dinge ruhig angehen lassen. Gewohnte Umgebungen mit gewohnten
Gesichtern etwa können helfen, um sich auf Neues einzustimmen. Paris als
Ort der Handlung und eine Riege vertrauter Stars können da nie schaden. Mit
dem Eröffnungsfilm „La vérité“ hat der japanische Regisseur Hirokazu
Kore-eda bei den Filmfestspielen von Venedig am Mittwoch seine erste Arbeit
präsentiert, die außerhalb Japans gedreht ist.
Catherine Deneuve ist zu erleben als die Pariser Schauspielerin Fabienne.
Die hat ihre Weltstarkarriere weitgehend abgeschlossen und lässt sich noch
zu kleineren Rollen überreden. Ihre Tochter Lumir (Juliette Binoche)
arbeitet ebenfalls in der Filmbranche, bleibt als Drehbuchautorin aber auf
Abstand zu den Kameras und mit ihrem Wohnort New York auf Abstand zur
Mutter. Ethan Hawke spielt den Mann dazu, einen mittelmäßigen
Fernsehdarsteller.
Mit seinen Stars geht Kore-Eda, der 2018 in Cannes mit „Shoplifters“, einem
Plädoyer für alternative Familienmodelle, verdient die Goldene Palme
gewonnen hat, sehr respektvoll um. Familie ist auch diesmal ein großes
Thema, wenngleich nicht die Hauptsache. Lumir zumindest ist auf ihre
Mutter schlecht zu sprechen. Fabienne ihrerseits gestattet sich das
Privileg, als alternde Diva mit ungefilterten Spitzen in ihrer nächsten
Verwandtschaft nur so um sich zu werfen.
Deneuve ist in dieser Rolle der schlagfertigen „Hexe“ ziemlich überragend.
Auch die übrigen Stars machen ihre Arbeit gut. Und das von Kore-eda wie für
fast all seine Filme selbst geschriebene Drehbuch verschachtelt sehr schön
das komplizierte Verhältnis der Hauptfigur zu ihren Rollen im Film und
ihren sonstigen Rollen im Leben. Gespielte Authentizität kann da mitunter
realer sein als die alltägliche, insbesondere da Fabienne dazu neigt,
spontane Gefühlsbekundungen in der Familie als Arbeitsmaterial für ihren
aktuellen Dreh zu nutzen.
Kore-edas Respekt vor seinen Darstellern führt dabei ein wenig zu oft zu
Momenten versöhnlicher Gediegenheit. Grandios gelungen sind ihm allerdings
wieder die Szenen mit kindlichen Protagonisten, hier mit Charlotte, der
Enkelin Fabiennes, der die junge Clémentine Grenier eine entwaffnende
Pfiffigkeit verleiht.
## Mit diesem Kind stimmt etwas nicht
Gute Kinderdarstellerinnen bietet auch Katrin Gebbes „Pelikanblut“, der
einzige deutsche Beitrag zu dem Festival, zugleich Eröffnungsfilm der
Nebenreihe Orizzonti. Einen großen Star hat Gebbe gleichfalls im Team, bei
ihr ist die Hauptrolle, die der Pferdetrainerin Wiebke, mit Nina Hoss
besetzt.
Adelia Ocleppo und Katerina Lipovska spielen ihre zwei sehr ungleichen
Adoptivtöchter Nikola und Raya. Besonders Katerina Lipovska ist als Raya
beeindruckend, denn mit diesem Kind stimmt etwas nicht, und die spontan
ausbrechende Gewalttätigkeit und Aggressivität nimmt man Lipovska allemal
ab.
Was „Pelikanblut“ erzählt und wie der Film das tut, überzeugt leider
weniger. Hier steht die Patchworkfamilie einer alleinerziehenden Mutter und
zweier aus Bulgarien adoptierter Heimkinder im Zentrum. Raya, die als
zweite Tochter hinzukommt, erweist sich jedoch als nicht nur schwer
gestört, sondern auch als für ihr Umfeld gefährlich.
Gebbe bewegt sich in ihrem zweiten Film nach „Tore tanzt“ recht
unentschlossen zwischen der Familiendynamik, in der die zunehmend
verzweifelte Mutter zu immer drastischeren Maßnahmen greift, um die Familie
zusammenzuhalten, und dem schleichenden Schrecken, den Raya vermitteln
soll. So geht der verschleppten Entwicklung, in der irgendwann eine mit
germanischen Runen bemalte Schamanin hinzugezogen wird, mehr und mehr die
Luft aus, bis nicht mehr viel bleibt.
28 Aug 2019
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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