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# taz.de -- Filmfestspiele mit Brad und Scarlett: Dem Ich entkommt man nicht
> Diesmal bei den Filmfestspielen von Venedig: Familienkonflikte mit Brad
> Pitt im Weltall und mit Scarlett Johansson in Los Angeles.
Bild: Adam Driver und Scarlett Johansson spielen mit in „Marriage Story“
Auf den Filmplakaten am Lido fehlt sein Name. Man erfährt den Filmtitel,
„Ad Astra“, dazu wird Brad Pitt in Wort und Bild als Hauptdarsteller
kenntlich gemacht. Den Regisseur zu nennen, hat man anscheinend nicht für
nötig befunden. Dabei ist der US-Amerikaner James Gray in Venedig kein
Unbekannter. Schon sein starker Debütfilm „Little Odessa“ mit Tim Roth als
Profikiller im russisch geprägten New Yorker Stadtteil Brighton Beach lief
hier 1994 im Wettbewerb, wo er den Silbernen Löwen für die beste Regie
gewann.
Jetzt ist James Gray wieder im Wettbewerb gelandet mit seiner
melancholischen Science-Fiction-Elegie „Ad Astra“. Zu den Sternen, genauer:
Planeten, reist Brad Pitt als Major Roy McBride. Erst zum Mars, dann weiter
zum Neptun. Er soll dort seinen Vater, einen verschollenen Wissenschaftler,
aufspüren. Der wird für kosmische Entladungen verantwortlich gemacht, die
das Leben im Weltall bedrohen.
Viel steht mithin auf dem Spiel. Doch eigentlich nutzt Gray seine in schön
nüchtern gehaltenen Raumschiffsettings angesiedelte Mission im All
vorwiegend dafür, um die inneren Konflikte von Brad Pitts Figur in aller
Ruhe durch verschiedene Zündstufen laufen zu lassen. Mit jeder neuen
Rakete, die Roy besteigt, durch jede unvorhergesehene Konfrontation, die
ihm auf seiner zugegebenermaßen langen Reise begegnet, wird er nicht
zunehmend zum Helden, sondern reist immer weiter zu sich selbst. Dem
eigenen Ich entkommt man eben nicht, selbst nach einigen Lichtjahren an
zurückgelegter Strecke.
Das ist, wenn man Science-Fiction mit spektakulärer Action erwartet, nicht
eben viel. Doch die Antiklimax, auf die sich „Ad Astra“ bei durchgehend
gehaltener Spannung zubewegt, ist als Korrektur an den vorherrschenden
pyrotechnisch aufgeladenen Genrekonventionen allemal konsequent. Und von
Pitt wunderbar reduziert, gleichwohl nuanciert gespielt.
## Dinge, die ich an Nicole mag
Schärfer geschossen, wenn auch vorwiegend mit Worten, wird in Noah
Baumbachs ebenfalls im Wettbewerb gezeigter Netflix-Produktion „Marriage
Story“. Szenen einer Ehe, die zerbrochen ist. Ein beliebtes Sujet, diesmal
mit Scarlett Johansson und Adam Driver als Paar, Nicole und Charlie, das
seine gemeinsame Basis verloren hat und nicht mehr auf gütlichem Weg
voneinander loskommt.
„Marriage Story“ beginnt mit einem wunderbaren Bild: Scarlett Johanssons
Kopf, Kurzhaarschnitt, wie ausgestanzt vor schwarzem Hintergrund. Erst
langsam erkennt man, dass sie auf einer Bühne steht. Dazu spricht die
Stimme von Charlie: „Dinge, die ich an Nicole mag.“ Nach einer raschen
Folge kurzer Szenen, in denen man ein Bild von Nicole vermittelt bekommt,
wechselt die Szenerie. Man sieht Adam Driver, dazu listet Nicole auf, was
sie an Charlie mag.
Eine Eröffnung für eine Paartherapie. Als diese sich als für die beiden
ungeeignet herausstellt, kommen Anwälte hinzu. Nicole sucht sich die
Familienrechtlerin Nora, die von Laura Dern mit herrlich
geschmeidig-schmierigem Charme verkörpert wird. Charlie landet zunächst bei
Jay als Anwalt, von Ray Liotta mit heftigem Schneid gegeben. Später wird er
auf Bert aufmerksam, der ist im Grunde der Richtige für ihn. Kein
Geldschneider, sondern jemand, der helfen will. Von Alan Alda mit
entwaffnend aufrichtigem Mitgefühl gegeben.
Ein Problem des Film ist allerdings, das die genannten Anwälte als
Nebenrollen allesamt stärker daherkommen als die beiden Hauptstars.
Irgendwann scheinen diese sich bloß noch in der Mechanik des Rosenkriegs zu
verheddern, worunter ihre Rollen etwas leiden. Sicher keine schlechten
Darbietungen, doch Adam Driver muss noch zeigen, dass er beim Schreien eine
genauso gute Figur macht, wie wenn er die für ihn bekannte Zurückhaltung an
den Tag legt.
30 Aug 2019
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Lidokino
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Scarlett Johansson
Adam Driver
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