Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutschland in der Krise: Der rechte Moment
> Auf zehn Jahre Wirtschaftswunderland Deutschland folgt nun das Ende des
> Booms. Für kommende Verwerfungen liegen die Instrumente schon bereit.
Bild: Die Reichen wollen nur noch ihre Festungen sturmsicher machen
Die Krise ist [1][da], die Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal, die
Rezession kratzt an der Tür – aber keine Bange: Deutschland ist bestens
vorbereitet!
Rechtzeitig zur anstehenden Aufstandsbekämpfung haben die Bundesländer die
Gesetze verschärft. Wenn demnächst die arbeitslosen Massen aufmarschieren,
können Polizisten dank Präventivhaft nicht erst bei schon geplünderten
Lebensmittelgeschäften einschreiten, sondern bereits wenn derartige
gewaltsame Umverteilungen sich auch nur abzeichnen. „Vor die Lage kommen“,
[2][nennen] das Sicherheitspolitiker: Dass die Polizei flächendeckend mit
Rechtsradikalen bestückt ist, darf, wenn hartes Hinlangen gefragt ist, als
weiterer Pluspunkt gelten.
Auch für das sich abzeichnende große Gerangel um die sogenannten Billigjobs
– etwa: Tiere töten, alte Menschen pflegen oder als Online-Malocher Content
ins Internet schaufeln – hat Deutschland die Instrumente parat. Wenn diese
mies bezahlten, die Menschen in die Invalidität oder in den Burn-out
treibenden Tätigkeiten nicht mehr nur vor allem für Migranten, Frauen und
andere Minderheiten „attraktiv“ sind, sondern von den Mehrheitsdeutschen
nachgefragt werden – dann sind alle Mechanismen schon eingeübt, um die
Gesellschaft rassistisch zu spalten.
„Deutsche zuerst“ wird es dann nicht mehr nur vonseiten der krisengeilen
AfD heißen, der „modernisierten Form der NPD“, (Amadeo Antonio Stiftung):
Auch die anderen Parteien und Lobbyorganisationen werden je nach
Interessenlage und Schamgrenze auf das in den letzten Jahren vollständig
ausgebildete Geflecht von völkischen Ideen zurückgreifen können.
## „Greta-Gedöns und Plastiktüten-Palaver“
Wer das nun alles für Satire oder Zynismus hält, der [3][lese] etwa das
Buch „Gegenrevolution. Der Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger“
von Bernard E. Harcourt – hier werden die schon weiter vorangeschrittenen
Widersprüche des Herrschaftssystems im US-Kontext analysiert; historisch
wird man auf die gerade zur rechten Zeit im Berliner Verbrecher Verlag neu
aufgelegte Untersuchung von [4][Zeev Sternhell] verweisen dürfen: In
„Faschistische Ideologie. Eine Einführung“ stehen Sätze, die einen nicht
kalt lassen können.
Denn diese Ideologie war bereits Jahrzehnte vor der Machtübernahme der
italienischen Faschisten und deutschen Nationalsozialisten ausformuliert,
sie wartete sozusagen nur auf den rechten Moment: „Woran es dem frühen
National-Sozialismus noch mangelte, das waren die sozialen
Rahmenbedingungen, die ihn in eine wirkliche politische Kraft umformen
würden, denn bislang gab es noch keine große Zahl an Arbeitslosen und
verängstigten Kleinbürgern und keine machtlosen Mittelschichten.“
In einem der Leib-und-Magen-Blätter ebenjener rabiat-verängstigten
Mitbürger, dem Münchner Merkur, zeigt ein aktueller [5][Kommentar] schon,
wohin die Reise geht: „Merkel-Habeck-Söder-Land vor dem großen Knall“ hei…
es da. Vor lauter Greta-Gedöns und Plastiktüten-Palaver habe dieses Land
„keinen Bock“, sich auf die „handfeste Rezession“ einzustellen, auf den
absehbaren Sturz der Merkel-Regierung, den Kantersieg der AfD im Osten, auf
die Bedrohung „unserer“ Handelswege in der Straße von Hormus.
## Festungen sturmsicher machen
Doch wo die neue Härte beschworen wird, muss man nicht den Kopf in den Sand
stecken. Es gibt sie ja, die emanzipatorischen [6][Antworten] auf die
kommenden, von der nicht mehr zu verhindernden Klimakrise verschärften
Verteilungskämpfe. Fatal wäre eben nur, den brutalen Beharrungswillen in
den westlichen Gesellschaften zu unterschätzen: Der US-Autor Douglas
Rushkoff hat im vergangenen Jahr ebendiese [7][Verblüffung] nach einem
Besuch bei [8][Superreichen] geschildert.
Die sind nicht mehr an Lösungen für die ganze Menschheit interessiert,
sondern sie fragen den Zukunftsforscher ausschließlich nach den besten
Methoden, ihre Festungen sturmsicher zu machen, in die sie sich bei
Eintreten der Apokalypse zurückzuziehen gedenken.
Auch der britische Autor und Journalist Paul Mason [9][warnt] aktuell vor
der „klassischen Allianz der [10][Elite] mit dem Mob“. Das Problem sei,
sagt Mason, dass diese Allianz „nur eine Art des Zugriffs auf die
Geschichte kennt, und die heißt Destruktion“. Damit sollten wir uns
eigentlich noch alle gut auskennen, in Deutschland.
14 Aug 2019
## LINKS
[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/konjunktur/die-deutsche-wirtschaft-s…
[2] https://www.deutschlandfunk.de/neue-polizeigesetze-in-den-bundeslaendern-me…
[3] /Buch-zur-US-Innenpolitik/!5604228
[4] https://www.verbrecherverlag.de/book/detail/935
[5] https://www.deutschlandfunk.de/rechtsextreme-bei-der-polizei-dein-feind-und…
[6] https://www.theguardian.com/world/2019/aug/14/ibram-x-kendi-on-why-not-bein…
[7] https://onezero.medium.com/survival-of-the-richest-9ef6cddd0cc1
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Eat_the_Rich
[9] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/autoren/nietzsche-regiert-im…
[10] https://www.npr.org/2019/08/13/750449277/kochland-explores-the-money-strea…
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Krise der Demokratie
Schwerpunkt AfD
Standort Deutschland
Schwerpunkt Finanzkrise
Geht's noch?
Rezession
Ökonomie
Federal Reserve
Schwerpunkt Europawahl
## ARTIKEL ZUM THEMA
Scheuers Verkehrspolitik: Breit wie Autos
Verkehrsminister Scheuer enttäuscht einen nie: Auch seine jüngsten
Vorschläge für eine fahrradfreundlichere Straßenverkehrsordnung sind Murks.
Die deutsche Wirtschaft schrumpft: Keep calm and relax
Minus 0,1 Prozent sind kein Grund zur Panik, sagt die Bundesregierung.
Allerdings kündigen Zahlen aus den USA von schlechten Zeiten.
Deutschland vor der Rezession: Der Klimaschutz soll Märkte retten
Die Wirtschaft in der Eurozone steht vor einem Einbruch. Ein Ausweg wäre
die Flucht nach vorn: ein Konjunkturprogramm für mehr Ökologie.
Zinssenkung der US-Notenbank: Trump greift Federal Reserve an
US-Präsident Trump wettert massiv gegen die angeblich unzureichende
Zinssenkung. Der US-Zentralbank Fed droht das Ende ihrer Unabhängigkeit.
Europas Sozialpolitik: Medizin gegen Rechts
Sinn und Zukunft der EU bestehen auch darin, für soziale Sicherheit zu
sorgen. Aber warum kommt dieses soziale Europa nur so langsam voran?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.