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# taz.de -- NGO-Präsident über Rechte in den USA: „Sie machen den Leuten An…
> Angelo Carusone von der NGO Media Matters untersucht rechtsextreme
> Medienstrategien. Ein Gespräch über Online-Communities, Rassismus und El
> Paso.
Bild: Gegen die Art und Weise, wie die Trumps mit den Opfern in Dayton posierte…
taz: Herr Carusone, wie sind die Rechten so einflussreich in den
Onlinemedien geworden?
Angelo Carusone: Nach den Präsidentschaftswahlen von 2012 (als Obama wieder
gewählt wurde, d. Red.) hat das konservative Establishment viel Geld in
Werbung gesteckt, um Facebook-Communities aufzubauen. Ursprünglich wollten
sie vor allem mehr Einfluss auf die Medien gewinnen. Aber sehr schnell sind
aus den Online-Communities Brutstätten für Rechte geworden. Zwei Jahre
später gab es einen zweiten wichtigen Moment in ihrem Aufstieg:
„Gamergate“.
Was ist „Gamergate“?
2014 haben „Aktivisten für die Rechte von Männern“ und
Verschwörungstheoretiker, die in den beiden rechten Kanälen „4chan“ und
„8chan“ aktiv waren, [1][Feministinnen in der Video-Industrie] und in
Medien ins Visier genommen. Die Männer haben die Frauen online belästigt
und bedroht. Sie behaupteten, es ging um die Ethik in der Branche. Aber
tatsächlich war es Misogynie. Der Vordenker der Alt-Right, Steve Bannon,
hat das Potenzial der Kampagne gegen Frauen erkannt und hat einen der
Wortführer, den Briten Milo Yiannopoulos, in das rechte Medium Breitbart
geholt. Dann hat Breitbart die verschiedenen rechten Gruppen, die vorher
schon existierten, aber kleiner waren und wenig miteinander kommunizierten,
vernetzt. Rückblickend wissen wir: Gamergate war das Modell, das wir
seither immer wieder sehen: mit Beleidigungen, Belästigungen, Drohungen,
Lahmlegen von Facebook-Seiten und der Veröffentlichung von privaten
Informationen.
Was war das Ziel?
Sie wollten rechte Themen und Verschwörungstheorien stärker in die
Berichterstattung bringen. Es war eine smarte Strategie. Nehmen Sie z. B.
die Bengasi-Geschichte (einen Angriff von Islamisten auf US-Einrichtungen
in der libyschen Stadt Bengasi im Jahr 2012, d. Red.). Dass Bengasi so
[2][unverhältnismäßig viel Platz] in den Medien bekommen hat, war ihr
Erfolg.
Ist das ein US-amerikanisches Phänomen?
Das Phänomen – wie die Lügen und die Verschwörungstheorien von der
Antimuslim-Hetze bis zu Antisemitismus und Anti-Politischer-Korrektheit –
ist global. Alle sind in den Online Message Board Communities und
[3][heizen die Bewegungen von dort] aus an. Sie haben 4chan und 8chan und
auch WhatsApp zu ihren Waffen gemacht. Die Rechten organisieren
Online-Communities, machen Lärm und produzieren Desinformation. Sie
behaupten, dass die weiße Kultur systematisch von Immigranten und
Politischer Korrektheit ausgelöscht wird. Sogar Trump hat Tweets von Leuten
verbreitet, die den Hashtag #WhiteGenocide benutzen.
Wie produzieren sie Desinformation?
Zum Beispiel schaltet einer von ihnen eine Anzeige in einem Werbeblatt im
Namen von George Soros. In dieser Fake Anzeige steht zu lesen: „Ich stelle
Demonstranten ein“. Dann machen sie einen Screenshot von der Anzeige und
posten sie auf 4chan und 8chan, um zu „belegen“, dass George Soros
Demonstranten einstellt und bezahlt. So etwas nennen sie „soziale
Experimente“.
Wie diskutieren diese Communities über Gewalt?
Das ist je nach Message Board Community unterschiedlich. Auf den „chans“
sprechen sie über die „Invasion“ und über die Notwendigkeit einer „Lös…
Und es kommt vor, dass Leute ihre Dienste als Schläger anbieten. Da ist
vieles sehr gewalttätig. Und auch jene, die nicht explizit über Gewalt
sprechen, verbindet, dass sie jede Menge Verschwörungstheorien und
Warnungen vor komplett fabrizierten angeblich unmittelbar bevorstehenden
großen Gefahren verbreiten.
Wie ist der Zusammenhang mit Rassismus?
Rassismus und Fanatismus und White Supremacy gibt es schon eine Weile. Aber
dass die Schießereien häufiger werden, hängt unter anderem damit zusammen,
dass die „chans“ ein Gefühl von Dringlichkeit erzeugen. Sie sagen nicht
einfach: Es gibt eine „Invasion“ von Immigranten. Sondern auch: Es geht
alles so schnell, dass ihr schon bald euren Einfluss verlieren werde, wenn
ihr nichts unternehmt. Sie diskutieren über Gewalt, und sie machen den
Leuten Angst, damit sie sofort handeln.
Das klingt nach vielen tickenden Zeitbomben in diesen Kanälen.
Man wird nicht über Nacht von einer wütenden oder frustrierten oder
rassistischen Person zu einem ausgewachsenen White Supremacist. Viele Leute
machen auf halber Strecke oder nach drei Viertel der Strecke halt. Aber
diese Communities haben in den letzten Jahren sehr viele Leute
radikalisiert. Das ist ein Informations-Ökosystem – ein Pool, in dem die
Temperatur ständig steigt und in dem jede Menge Leute sitzen. Viele sind
ganz knapp davon entfernt, sich voll zu radikalisieren und die Dinge in die
eigenen Hände zu nehmen.
Gibt es da einen Vordenker?
Es handelt sich um eine Konstellation von vielen selbst organisierten
Communities. Es gibt White Nationalists und White Supremacists und
Ethnonationalisten und [4][Men's Rights Advocates] und Antiimmigranten und
Antimuslim-Aktivisten und Antisemiten. Dass es den einen großen Bösewicht
nicht gibt, macht die Sache umso unheimlicher. Ich würde aber sagen, dass
Fox News diese verwirrenden Verrücktheiten zusammen trägt und daraus eine
zusammenhängende Erzählung macht. Tucker Carlson sagt ihnen, dass ihre
Fruchtbarkeitsrate wegen des Feminismus zurück geht. Und zehn Minuten
später sagt er ihnen, dass Immigranten in unser Land einfallen.
Welche Rolle spielen Frauen in den rechten Communities?
Sie bestehen vor allem aus Männern. Die Idee, dass der Feminismus sie
unterworfen und ihnen Macht genommen hat, ist zentral. [5][Frauenhass
verbindet sie alle]. Es sind reaktionäre Bewegungen, die auf Fortschritt
reagieren.
Wie diskutieren die Rechten das [6][Massaker von El Paso]?
Wie üblich: Sie versuchen, Linke für das andere Massaker von Dayton
verantwortlich zu machen. Oder sie sagen, die Linken wollen einfach nicht
wahrhaben, dass es eine gefährliche Invasion gibt. Und ein paar Communities
feiern.
Wie verhalten sich die US-Behörden?
Noch vor wenigen Jahren haben die Leute mich angeschaut, als wäre ich
verrückt, wenn ich über den wachsenden Extremismus und Radikalismus dieser
Communities sprach. Die Straflosigkeit ist zu großen Teilen dafür
verantwortlich, dass wir es jetzt mit dieser Radikalisierung zu tun haben.
Christopher Wray, der Mann, den Trump zum FBI-Chef gemacht hat, sagte im
Juli vor dem Senat, dass die Mehrheit der heimischen Terrorismusrisiken von
White Supremacists kommen.
Aber trotzdem haben sie nur begrenzte Kapazitäten für die Verfolgung
bereitgestellt und behandeln das Problem nicht auf dieselbe Art, wie
Terrorismus.
Warum hält sich das FBI so zurück?
Es will nicht die Wut von Trump auf sich ziehen. Übrigens hat Twitter
dasselbe Problem. Vor ein paar Monaten, haben sie auf Twitter die Regeln
zur White Supremacy gelockert, weil sie gemerkt haben, dass sonst jede
Menge Führer der Republikanischen Partei betroffen gewesen wären. Und sie
wollten nicht aussehen, als wollten sie Republikaner unterdrücken.
Der Provider „Cloudflare“ hat die Zusammenarbeit mit 8chan beendet, nachdem
dort das Manifest des El-Paso-Attentäters erschien. Welche Folgen hat das
für die Rechten?
Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Es wird die Aktivitäten ein wenig
verlangsamen. Aber für echte Verbesserungen ist ein konzertiertes Vorgehen
der großen Social-Media-Plattformen Facebook und YouTube und Twitter nötig.
Ist vor diesem Hintergrund die Free-Speech-Regelung in den USA – die selbst
das Leugnen des Holocaust erlaubt – angemessen?
Wir können philosophische Debatten über die totale Meinungsfreiheit führen.
Aber wenn andere Menschen missbraucht werden, hat das nichts mit freier
Rede zu tun.
8 Aug 2019
## LINKS
[1] /Anita-Sarkeesian-ueber-Hetzkampagnen/!5458965/
[2] /Susan-Rice-wird-nicht-US-Aussenministerin/!5077277/
[3] /Rechte-Internettrolle/!5351374/
[4] /Antifeminismus-in-Nordamerika/!5524323/
[5] /Antifeministische-Online-Community/!5499524/
[6] /Nach-Attentaten-in-El-Paso-und-Dayton/!5616559/
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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