# taz.de -- Journalismusforscher über US-Wahlkampf: „Es geht nur um Persönl… | |
> Seit der Wahl Donald Trumps diskutieren US-Medien: Wie journalistisch | |
> umgehen mit so einem Präsidenten? Nun steht der nächste Wahlkampf bevor. | |
Bild: Können Medien sich in einen solchen Unterstützer-Kopf reinfühlen? Und … | |
taz am wochenende: Herr Pope, fangen wir ganz am Anfang an: Was ist falsch | |
gelaufen in der amerikanischen Medienberichterstattung über die | |
Präsidentschaftswahl 2016? | |
Kyle Pope: Ganz generell kann man sagen, dass die Leute sich einfach haben | |
ablenken lassen von Trump, von seiner unorthodoxen Art und diesem | |
historischen Charakter. Die Medien wussten nicht, wie sie über ihn | |
berichten sollten, und [1][haben ihn mit Aufmerksamkeit überschüttet]. | |
Und das war problematisch weil … | |
… es überhaupt nicht in Relation zu seiner politischen Erfahrung oder | |
seinem Wissen stand, besonders am Anfang. Als dann klar war, dass er der | |
Kandidat der Republikaner wird, versteifte die Presse sich darauf, beide | |
Kandidaten gleich zu behandeln. Wenn sie also über Trumps dubioses | |
Geschäftsgebaren berichtet haben, haben sie auch kritisch über Hillary | |
Clinton berichten wollen. | |
Aus diesem Grund gab es diese [2][irre Berichterstattung über ihre | |
E-Mails]. Es führte zu einer falschen Gleichwertigkeit: Clintons Skandale | |
gegen Trumps Skandale. Es fehlte einfach tiefergehende Berichterstattung | |
über Inhalte, politische Pläne und Erfahrung. Wobei aber die New York Times | |
und Washington Post natürlich auch anders berichtet haben als CNN und | |
MSNBC. | |
Inwiefern? | |
Na ja, die TV-Nachrichtensender haben ihn einfach pauschal auf den | |
Bildschirm gehoben. Sie haben ihr Programm unterbrochen, nur um zu zeigen, | |
wie sein Flugzeug bei einer Wahlkampfveranstaltung landet. Er hat die | |
Sendezeit der liberalen Sender wie MSNBC genauso dominiert wie die der | |
konservativen. Die Tageszeitungen haben ihn ernster genommen, sich schuldig | |
gefühlt, dass sie einen Großteil des Landes nicht verstehen. | |
Längst ist wieder Wahlkampf, [3][2020 wird erneut gewählt]. Haben die | |
Medien etwas aus 2016 gelernt? | |
Es gab jede Menge In-sich-Gehen nach der Wahl: Die Tageszeitungen haben | |
Reporter nach Iowa geschickt, andere haben im ganzen Land Büros aufgemacht. | |
Es gab jede Menge Geschichten über Trump-Wähler, was sie antreibt. Das war | |
aber sehr oberflächlich. Nun scheint es so, als hätten die | |
Medienunternehmen aufgegeben, so nach dem Motto: „Keine Ahnung, wer diese | |
Menschen sind.“ | |
Aber ist das ein gesunder Ansatz für die kommende Wahlperiode? | |
Auf keinen Fall. Seitdem Trump gewonnen hat, gibt es diese kraftvolle | |
Dynamik: Er ist ein großer Motor für Umsätze, sowohl für große | |
Tageszeitungen als auch für das Fernsehen. Menschen wollen auf ihn wütend | |
sein – und konsumieren darum mehr Medien. Die New York Times zum Beispiel, | |
vor Trumps Sieg machten Anzeigen dort das größte Umsatzwachstum aus, | |
seitdem sind es Abonnenten. | |
Die Menschen, die abonnieren, lesen die Times, weil sie über Trump | |
schockiert sind und sich über die empörenden Dinge informieren wollen, die | |
er tut. Das hat, glaube ich, die Mission der New York Times etwas verändert | |
– sie wollen für die Menschen da sein, die sich über Trump aufregen. Es | |
ist, glaube ich, nicht abzustreiten, dass sie etwas parteiischer ist als | |
sonst. | |
Es entwickelt sich also eine „Wir gegen die“-Haltung? | |
Ja, aber die herrscht ja im ganzen Land – und Trump befeuert sie mit seinen | |
Attacken auf die etablierten Medien. Zu Beginn war die Reaktion der Presse: | |
Soll er doch, wir machen einfach unseren Job. Aber immer mehr entwickelt | |
sich eine Abschottungshaltung. Es gibt ja auch echte Bedrohungen gegen die | |
Presse. Journalisten sind dieses Jahr in ihren Newsrooms umgekommen, CNN | |
bekommt Bomben geschickt – da ist es nur menschlich, so zu reagieren. | |
Wenn jetzt kritischer über Trump berichtet wird, er als Rassist, Schwindler | |
und sexueller Belästiger bezeichnet wird – erreicht das dann überhaupt die | |
Menschen, die ihn wählen? | |
Es ist nicht der Job von Journalisten, die Meinung der Menschen zu ändern | |
und ihnen zu zeigen, dass sie falsch liegen. Aber wir müssen die Bürger so | |
gut es geht aufklären. Ich persönlich finde es gut, [4][dass im Bezug auf | |
Trump das Wort Rassist genutzt wird], denn ich halte ihn tatsächlich für | |
einen. Warum also sprachlich umschreiben, wofür es ein treffendes Wort | |
gibt? | |
So wie kürzlich [5][in der Diskussion um die vier Kongressabgeordneten]? | |
Trump weiß natürlich auch ganz genau, was er da macht – er ist da deutlich | |
klüger, als Menschen ihm zugestehen wollen. Ihm ist klar, dass ein großer | |
Teil seiner Basis da positiv drauf reagieren wird. Ein Argument ist also, | |
ihm nicht diese Genugtuung zu geben, da dieser Aufschrei in der Presse | |
hilft. Auf der anderen Seite hat er diese Dinge aber nun mal gesagt und es | |
herrscht diese große Angst, wie schlimm es noch werden wird. | |
Wir sprachen schon drüber – der Wahlkampf für 2020 beginnt allmählich. | |
Arbeitet die Presse jetzt anders? | |
Frustrierenderweise nein. Es ist so, als hätte niemand etwas gelernt. | |
Können Sie Beispiele nennen? | |
Die Leute sind noch immer besessen von ihm. Jeder Tweet ist eine | |
Geschichte, egal ob sie Nachrichtenwert hat oder nicht. Er saugt den | |
Sauerstoff aus dem Raum. Währenddessen [6][stellen die Demokraten | |
ernsthafte und erfahrene Kandidaten auf]. Aber es geht wieder nur um | |
Persönlichkeiten, die Strategie, welches Personal stellt ein Politiker ein. | |
Es geht nicht um Bildung, Gesundheit oder Kriminalität. | |
Welche Rolle haben Desinformation und Fake News im Wahlkampf 2016 gespielt? | |
Alle reden über Fake News, aber zunächst muss man ja erst einmal genau | |
definieren, was man damit meint: Content-Mühlen aus Estland, Desinformation | |
der politischen Gegenseite … die aktuelle Beweislage lässt mich glauben, | |
dass Russland versucht hat, die Ergebnisse der US-Wahl zu beeinflussen. Wie | |
viel Einfluss hat es tatsächlich auf das Ergebnis gehabt? Ich glaube, nicht | |
so viel. | |
Die größere Sorge bereitet mir, dass parteiisches Wording und einseitige | |
Information der politischen Akteure ihren Weg in die Informationswelt | |
finden, dass diese Akteure hart daran arbeiten, es mit ernsthaftem | |
Journalismus gleichzusetzen. Und damit bisher auch erfolgreich sind. Dass | |
Leute glauben, Breitbart und die New York Times hätten die gleiche | |
Qualität, ist eine größere Gefahr als irgendjemand, der streut, der Papst | |
würde Donald Trump unterstützen, oder diese anderen verrückten Geschichten, | |
die während der Wahl hochkamen. | |
Was kann man dagegen tun? | |
Die Menschen müssen anspruchsvollere Konsumenten von Nachrichten werden. Da | |
haben die sozialen Medien wirklich gegen den Journalismus gearbeitet, denn | |
jeder Beitrag sieht gleich aus, egal woher die Information kommt, sie | |
taucht gleichwertig in Ihrem Feed auf. Da müssen die Nutzer natürlich auch | |
selbst Verantwortung übernehmen, sie können nicht einfach mit den Schultern | |
zucken. | |
Vergleichen wir das einmal mit deiner Ernährung: Wenn du etwas siehst, das | |
einfach in weißes Papier gewickelt ist, würdest du es ja auch nicht einfach | |
so essen. Aber die Menschen tun das mit Nachrichten. Und das müssen die | |
Qualitätsmedien ernst nehmen, und Aufklärung betreiben. | |
10 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Lara Wiedeking | |
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