# taz.de -- Donald Trump ignorieren: Schweigen als Waffe | |
> Aufmerksamkeit ist ein hohes Gut in der Politik. Was, wenn man es dem | |
> US-Präsidenten entzieht? Stell dir vor, Trump twittert, und niemand | |
> schaut hin. | |
Bild: Auch wenn Trump gerne den Mund aufreißt, darf und sollte man ihn mal ign… | |
Die Szenen sind zu einem grausigen Ritual verkommen. Irgendwo in den USA | |
findet ein Massaker statt, der Präsident reist an den Ort des Geschehens | |
und macht mit geschmacklosen Tweets und Gockelei eine Farce aus Gesten der | |
Anteilnahme und des menschlichen Anstands. Demonstranten sowie politische | |
Gegerinnen und Gegner [1][zeigen sich empört], was Donald Trump und seine | |
Gefolgsleute erkennbar freut. | |
Die Teilnahme an diesem Spiel – und für den Präsidenten und seine | |
unbeirrbaren Fans scheint es ein Spiel zu sein – nutzt nur Zynikern, die | |
angesichts der Trauer anderer zu Häme und Schadenfreude fähig sind. | |
Eine menschenverachtende Haltung bei Donald Trump aufzudecken ist ungefähr | |
so sinnvoll, wie [2][dem Ku-Klux-Klan vorzuwerfen, er sei rassistisch], | |
oder islamistischen Terroristen, sie seien gewaltbereit. All das lässt sich | |
ja nicht bestreiten, es bedarf keiner weiteren Beweise. Schlimmer noch: Je | |
größer das Entsetzen und die Wut auf der einen Seite, desto fester | |
schließen sich die Reihen auf der anderen Seite. | |
Das ist kein Zufall, dahinter steckt eine kühle Strategie. So haben Redner | |
aus dem Lager der Rechten, die von Protestierenden an Auftritten in | |
US-Universitäten gehindert wurden, damit mehr Aufmerksamkeit bekommen, als | |
ihnen das mit einem Vortrag je hätte gelingen können. Nun ist | |
Aufmerksamkeit eines der kostbarsten Güter, die eine Mediengesellschaft zu | |
vergeben hat. Das sollte nicht verschenkt werden. | |
## Der Traum vom Ignorieren | |
Zugegeben: den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu ignorieren, ist nicht | |
einfach. Aber möglich. Verletzte Opfer [3][des Amoklaufs von El Paso] haben | |
es vorgemacht. Sie haben schlicht erklärt, Trump nicht treffen zu wollen. | |
Und Dee Margo, der Bürgermeister der Stadt, dachte offenbar zumindest | |
darüber nach, es ihnen gleichzutun. Er erklärte, der Respekt vor dem Amt | |
des Präsidenten gebiete es ihm, diesen zu empfangen. Er hielt eine | |
Begründung also für nötig. | |
Verständlich, aber schade, dass Dee Margo sich so entschieden hat, wie er | |
es tat. Eine große Wirkungsmacht wäre davon ausgegangen, wenn Donald Trump | |
in El Paso gelandet wäre und niemand sich bereit gefunden hätte, die | |
protokollarischen Höflichkeitsregeln zu beachten. Und wenn sein Besuch zwar | |
vermeldet worden wäre, was zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, | |
aber keine Analysen und Kommentare seiner Tweets und anderen Äußerungen | |
erfolgt wären. Wenn keine Demonstranten am Wegesrand protestiert hätten, | |
sondern die Bevölkerung zu Gedenkveranstaltungen gegangen wäre, ohne sich | |
einen Deut darum zu scheren, ob der Präsident dort herumsteht oder nicht. | |
„Stelle dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“: Das war einer der | |
populärsten Slogans der Friedensbewegung in den 80er Jahren des vergangenen | |
Jahrhunderts. Nein, auch damals hat das niemand für eine realistische | |
Möglichkeit im Konfliktfall gehalten. Aber der Satz wies die Richtung: Es | |
ging darum, sich vermeintlichen Sachzwängen nicht mehr beugen zu wollen. | |
Es ist an der Zeit, auch im Hinblick auf Provokationen durch Extremisten – | |
warum sollte Trump eigentlich nicht als Extremist bezeichnet werden? Nur | |
weil er US-Präsident ist? – darüber nachzudenken, ob die eingefahrenen Wege | |
des Protests gegen den Flirt mit Gewalt eigentlich noch ihren Zweck | |
erfüllen. Das gilt übrigens nicht nur für die Vereinigten Staaten. | |
„Stell dir vor, Donald Trump twittert und niemand schaut hin“: Vielleicht | |
wäre das ein Anfang. Die bisherigen Formen des Widerstands waren nicht | |
erfolgreich. Gegenwärtig stehen die Chancen für Donald Trump gut, erneut | |
gewählt zu werden. Und es bedarf keiner prophetischen Gaben, um Triumphe | |
der AfD bei den anstehenden Landtagswahlen vorherzusagen. | |
Wer das ändern will, muss bereit sein, über neue Wege des Widerstands | |
nachzudenken. Schweigen kann eine mächtige Waffe sein. Bisher wird sie | |
nicht oft genug genützt. | |
9 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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