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# taz.de -- EuGH-Urteil zu Afghanistan-Leaks: Kein Vertuschen
> Die Bundesregierung klagte gegen die Veröffentlichung von
> Afghanistan-Berichten. Der EuGH findet: Nur bei kreativer Leistung gilt
> das Urheberrecht.
Bild: Was die Bundeswehr in Afghanistan gemacht hat, geht alle etwas an
taz | Freiburg | Kann mithilfe des Urheberrechts die Pressefreiheit
ausgehebelt werden? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat hierfür in einem
Fall aus Deutschland jetzt hohe Hürden aufgestellt. Vermutlich durfte die
Funke-Gruppe die sogenannten „Afghanistan Papers“ veröffentlichen.
Konkret geht es um vertrauliche Berichte der Bundesregierung über die
Situation in Afghanistan. Der Funke-Mediengruppe waren 2012
Afghanistan-Berichte für die Jahre 2005 bis 2012 zugespielt worden. Sie
hatte diese daraufhin auf ihrem Webangebot [1][www.derwesten.de]
veröffentlicht.
Die Bundesregierung klagte deshalb auf Unterlassung. Sie berief sich dabei
auf ihr Urheberrecht an den Berichten. Die Klage war in zwei Instanzen
erfolgreich. Doch die Funke-Gruppe ging in die Revision zum BGH und berief
sich auf die Pressefreiheit.
Der BGH legte die Sache im Sommer 2017 dem Europäischen Gerichtshof vor,
weil das Urheberrecht seit 2001 EU-weit harmonisiert ist. Bei der damaligen
Verkündung machte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher allerdings klar:
Wenn es nur nach deutschem Recht gegangen wäre, hätte die Funke-Gruppe auch
beim BGH verloren.
## Ein Werk braucht „schöpferischen Geist“
Der EuGH zeigte sich nun aber deutlich pressefreundlicher. So stellte er
schon infrage, ob es sich bei den Afghanistan-Berichten überhaupt um Werke
im Sinne des Urheberrechts handele. Nur eine „geistige Schöpfung“, bei der
die Persönlichkeit des Urhebers zum Ausdruck kommt, sei ein Werk. Der
Urheber müsse seinen „schöpferischen Geist“ in „origineller Weise“ zum
Ausdruck bringen.
Dagegen seien „rein informative Dokumente“, deren Inhalt im Wesentlichen
durch die in ihnen enthaltenen Informationen bestimmt wird, kein Werk.
Dass sich die Autoren dabei anstrengten und ihre Sachkenntnis eingesetzt
haben, sei „unerheblich“.
Der EuGH legte nahe, dass auch militärische Lageberichte solche rein
informativen Dokumente sind. Letztlich müssen dies nun aber wieder die
deutschen Gerichte beurteilen, die bisher vom Urheberschutz für die
Afghanistan-Papiere ausgegangen sind.
Doch selbst, wenn die Militärberichte als Werke eingestuft werden sollten,
ist doch die Pressefreiheit geschützt. Der EuGH stellte zwar fest, dass es
in der EU-Richtlinie keine ungeschriebenen Regeln zum Schutz der
Pressefreiheit gibt. Allerdings erklärte er auch: Die Richtlinie müsse so
ausgelegt werden, dass die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit im
Konfliktfall stets „Vorrang“ vor dem Urheberrecht hätten.
## Grundrechte sollen Bürger vor dem Staat schützen
Hier kommt vor allem die Berufung auf zulässige „Berichterstattung über
Tagesereignisse“ in Betracht, so der EuGH. Die deutschen Gerichte meinten
zwar, es sei keine „Berichterstattung“, wenn geleakte Berichte einfach
online gestellt werden. Das ließ der EuGH jedoch nicht gelten.
Die Afghanistan-Papiere seien mit einem einleitenden Text versehen gewesen,
es habe Links und die Möglichkeit zur Kommentierung gegeben. Auch hier
müssen jetzt wieder die deutschen Gerichte entscheiden.
Der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar war in seinem Schlussantrag im
Oktober 2018 noch weiter gegangen. Er wollte der Regierung generell
verwehren, sich gegenüber den Bürgern auf das Urheberrecht zu berufen.
Die Grundrechte seien zum Schutz der Bürger vor dem Staat da, nicht zu dem
des Staats vor dem Bürger. Wenn der Staat im Interesse des Allgemeinwohls
etwas aus der Öffentlichkeit heraushalten wolle, dann müsse er die
Dokumente als „geheim“ klassifizieren, statt das Urheberrecht zu
missbrauchen.
29 Jul 2019
## LINKS
[1] http://www.derwesten.de
## AUTOREN
Christian Rath
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Schwerpunkt Afghanistan
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Urheberrecht
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Kampfdrohnen
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