# taz.de -- Festival gegen Rechtsextremismus: „Wann wenn nicht jetzt“ gesta… | |
> Zum Auftakt der ostdeutschen Festivaltour von „Wann wenn nicht jetzt“ | |
> kamen weniger Besucher nach Zwickau als erhofft. Schuld waren auch die | |
> Nazis. | |
Bild: „Wann wenn nicht jetzt“ möchte einen Rechtsruck im Osten verhindern … | |
GRIMMA taz | Zwölf ostdeutsche Städte, [1][drei anstehende Landtagswahlen], | |
eine Tour: Mit einem Stadtfest auf dem Hauptmarkt im sächsischen Zwickau | |
hat die Initiative „Wann wenn nicht jetzt“ am Samstagmittag den Auftakt | |
ihrer Marktplatztour gefeiert. Rund 200 Besucherinnen und Besucher | |
schlenderten bis zum Nachmittag zwischen den Ständen auf dem Hauptmarkt der | |
sächsischen Stadt herum und kamen mit den Aktiven ins Gespräch. Bis zum | |
Abend verdoppelte sich die Zahl der BesucherInnen noch. | |
Angemeldet waren 500, doch parallel angekündigte Demos der Identitären in | |
Halle und von Neonazis nach dem [2][Mord am Regierungspräsidenten Walter | |
Lübcke] in Kassel hätten viele potenzielle, linke BesucherInnen von | |
außerhalb in andere Städte mobilisiert, sagte Initiativensprecher Bruno | |
Rössel und unterstützte dies ausdrücklich. | |
Zudem erschwerte ein Schienenersatzverkehr die Anreise aus Leipzig. „Wir | |
können mit der Resonanz zufrieden sein“, äußerte Rössel gegenüber der ta… | |
„Wir erreichen viele Menschen aus der Stadt mit unseren Infoständen und | |
haben mit vielen heute schon sehr gute Gespräche geführt.“ Das Programm mit | |
verschiedenen Lesungen, Diskussionsveranstaltungen und Konzerten war bis | |
zum Abend geplant, unter anderem sollte es zwei Rap-Konzerte geben. Ein | |
Fußballturnier auf den eigens aufgebauten Feldern lief am Nachmittag noch. | |
Mit der gleichnamigen Konzerttour will [3][die Initiative „Wann wenn nicht | |
jetzt“], ein Zusammenschluss aus verschiedenen ostdeutschen Organisationen, | |
einem möglichen Rechtsruck bei den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, | |
Brandenburg und Thüringen entgegenwirken. | |
## Solidarität und Anerkennung | |
In Lesungen, Workshops und Diskussionen auf zentralen Marktplätzen | |
thematisieren die Organisatorinnen drängende soziale Themen wie | |
Arbeitnehmerrechte, Klimagerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und Strukturwandel | |
und Feminismus. Im Fokus stehen dabei der Bezug zur Region und Erfahrungen | |
während und nach der DDR. Unterstützt wird die Tour von dem Bündnis | |
Unteilbar, das im vergangenen Oktober 250.000 Menschen in Berlin für eine | |
offene Gesellschaft auf die Straße brachte. | |
Auch die Gruppe „Aufbruch Ost“, die eine Aufarbeitung der Wendezeit und des | |
Ausverkaufs ostdeutscher Betriebe durch die Treuhandanstalt fordert, ist am | |
Nachmittag auf dem Podium vertreten. | |
In der Diskussion in Zwickau knüpften ihre Vertreterinnen an zahlreiche | |
Forderungen ostdeutscher Bürgerrechtler*innen an, die sie 30 Jahre nach der | |
Wende immer noch nicht durchgesetzt sehen: das Recht von Frauen auf Arbeit, | |
die Wertschätzung von Carearbeit, die Anerkennung von Lebensleistungen der | |
Ostdeutschen, die nach der Wende arbeitslos wurden, aber auch einen | |
Anschluss abgehängter und strukturschwacher Dörfer an die öffentlichen | |
Verkehrsnetze. Auch die Solidarität einer offenen Zivilgesellschaft mit | |
Geflüchteten in den Kleinstädten gehörte zu den Forderungen auf dem Podium | |
und im Publikum. | |
Der 81-jährige Zwickauer Volkmar Ludwig freute sich über die Veranstaltung. | |
Seine Ehefrau und er gehörten zu den Gründungsmitgliedern der | |
Bürgerbewegung „Neues Forum“, das nach 1989 in den Grünen aufging. „Was… | |
optimistisch stimmt, ist, dass die Jugend in großem Maße vertreten ist“, | |
sagt er. Seine Enkelin sei heute auch als Ordnerin dabei. „Aber wir nehmen | |
mit großer Besorgnis wahr, dass es immer dieselben Leute sind, die an | |
diesen Veranstaltungen teilnehmen. Wir können oft schon ziemlich genau | |
sagen, wer wieder dabei sein wird. Viele Leute erreicht das aber nicht.“ | |
## Mehr als das NSU-Loch | |
Auf dem Fest waren am Samstag vor allem junge Leute vertreten, einige | |
reisten aus Leipzig oder Berlin, aber auch aus kleineren sächsischen | |
Städten wie Bautzen an. Die Zwickauerin Anna Brandner begrüßte das. Sie | |
heißt eigentlich anders, will aber ihren Namen nicht veröffentlicht sehen. | |
Brandner engagiert sich in der Stadt im linken Verein „Roter Baum“ gegen | |
Neonazis, die in der Stadt auch elf Jahre nach der Selbstenttarnung der | |
NSU-Terrorzelle in der Frühlingsstraße noch immer präsent sind. | |
Erst am Vortag hatte es in Zwickau wieder ein rechtsextremes Konzert | |
gegeben, mit etwa 50 bis 75 Besuchern. „Auch unsere Stadtratswahlen gingen | |
nicht so gut aus wie erhofft“, sagte Brandner. Die rechte Partei „Zukunft | |
Zwickau“ hat erstmals einen Sitz bekommen, die AfD elf, und ist damit | |
zweitstärkste Kraft. „Wir finden, jetzt müssen wir erst recht was machen. | |
Wir wollen den Menschen, die sich noch nicht in einer der Initiativen | |
engagieren, zeigen: Weltoffenheit ist möglich, Zwickau kann auch anders. | |
Wir sind mehr als dieses graue NSU-Loch, als das wir immer nach außen | |
wirken.“ | |
Für Brandner und ihre MitstreiterInnen, die sich jeden Tag für eine offene | |
Stadt einsetzen und schon froh sind, wenn zu einer linken Demo mal 150 | |
Leute kommen, sei die Hilfe der Initiative toll. „Wir hätten allein nie so | |
viele Leute erreicht und so ein Programm aufstellen können“, sagte | |
Brandner. „Das gibt uns auch einen wichtigen Motivationsschub vor den | |
Landtagswahlen.“ | |
Trotz der etwas geringen Resonanz bis zum Nachmittag waren die Veranstalter | |
am Samstagnachmittag guter Dinge. Zwei kommende Höhepunkte der Tour sieht | |
Rössel beim Tourstopp in Bautzen am 27. Juli und am 30. August beim | |
Cross-over-Festival vom „Dorf der Jugend“ in Grimma, das die Initiative mit | |
angestoßen hat. | |
Zwölf Stopps macht die Tour noch bis zu den Landtagswahlen, davon drei in | |
Thüringen, in Brandenburg vier. Anders als die Initiative „Wir sind mehr“, | |
die vergangenen Sommer einmalig 60.000 Besucher nach Chemnitz lockte, | |
strebe „Wann, wenn nicht jetzt“ einen dauerhaften Effekt an, sagte Rössel: | |
„Wir wollen eine langfristige Vernetzung der lokalen Initiativen über die | |
Bundeslandgrenzen hinaus“, so Rössel. „Das haben wir heute geschafft.“ | |
20 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Helke Ellersiek | |
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