# taz.de -- Rechtsextremismus im Osten: Neue Rechte will Dresden erobern | |
> Der Verein „Ein Prozent“ will ein Hausprojekt aufbauen. Seit Pegida haben | |
> Rechtsextreme und Neurechte Dresden zu ihrer Hauptstadt auserkoren. | |
Bild: Quadratisch, praktisch, rechts: das neue Hausprojekt der Identitären | |
Ein hoher Metallzaun umschließt das Gelände. Ein Schild warnt: „Achtung, | |
Videoüberwachung.“ Der zweigeschossige Flachbau hat bodentiefe Fenster und | |
einen taubengrauen Anstrich. In dem Haus in der Kurt-Beyer-Straße 2 in | |
Dresden plant der neurechte Verein „Ein Prozent“ ein Hausprojekt. Experten | |
warnen: Es könnte zu einem neuen rechtsextremen Zentrum werden. | |
Ein Mann – Jeans, dunkles T‑Shirt mit Runenschrift, seitlich anrasierter | |
Haarschnitt – tritt an den Zaun. Es ist Volker Zierke, Aktivist der | |
rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), die seit Kurzem vom | |
Verfassungsschutz beobachtet wird. 2017 war Zierke mit zwei weiteren | |
Aktivisten der Identitären an einer Auseinandersetzung beteiligt, bei der | |
ein Antifaschist mit einem Messer am Hals verletzt wurde – angeblich aus | |
Notwehr. | |
Das Gespräch mit ihm bleibt kurz. Zu dem Hausprojekt will er am Zaun nichts | |
sagen und erklärt, dass man für Interviews eine E-Mail an den Verein „Ein | |
Prozent“ schreiben solle. Ebenso wenig will Zierke kommentieren, dass das | |
Haus einem AfD-Politiker gehört. | |
AfD, „Ein Prozent“ und Identitäre Bewegung in einem Haus: Die Konstellation | |
erinnert stark an ein Hausprojekt, das der lokale IB-Ableger 2017 in Halle | |
bezogen hat und das dort für Aufregung und Protest sorgte. Aus dem Haus | |
heraus kam es zu Angriffen auf Linke. | |
Seit 2016 versucht „Ein Prozent“ als Bindeglied zwischen AfD, Pegida und | |
Rechtsextremisten wie den Identitären zu fungieren. Entstanden aus dem | |
Umfeld des neurechten Verlegers [1][Götz Kubitschek], war es wohl das erste | |
rechte Projekt, das Geld über Crowdfunding sammelte. Auf seiner Website | |
schreibt der Verein von „Flüchtlingsinvasion“ und „Widerstand“, der Na… | |
verweist auf die Idee, dass für letzteren die Unterstützung von nur einem | |
Prozent der Bevölkerung nötig sei. | |
Der Verein finanziert Aktionen der Identitären Bewegung und hilft laut den | |
Rechtsextremismusexperten des Kulturbüros Sachsen bei Aufbau und Technik | |
auf [2][Pegida-Demonstrationen]. Auf eine Anfrage der taz reagiert der | |
Verein bis Redaktionsschluss nicht. | |
Auf dem Briefkasten des Hauses in Dresden stehen neben dem des | |
IB-Aktivisten Zierke drei weitere Namen: Stein, Monaco, Schäfer. Allesamt | |
sind sie führende Aktivisten der rechten Szene: Michael Schäfer und Julian | |
Monaco saßen jahrelang im Bundesvorstand der JN, der Jugendorganisation der | |
NPD. Philipp Stein ist Sprecher der extrem rechten Deutschen | |
Burschenschaft. Sie alle engagieren sich nun bei „Ein Prozent“, Stein ist | |
Vorsitzender des Vereins. | |
Vier einschlägige Namen auf dem Briefkasten an einem unscheinbaren Haus im | |
Stadtteil Reick: Was aktuell wie eine rechtsextreme Wohngemeinschaft wirkt, | |
soll mehr werden. Das belegt eine interne E-Mail, die der taz vorliegt. In | |
der Mail schreibt Stein Ende Mai, dass er in die Kurt-Beyer-Straße einlade, | |
um über eine Kampagne zur „Wahlbeobachtung“ der Europawahl zu informieren. | |
Weiter heißt es in dem Schreiben: „Zudem wollen wir patriotischen Dresdnern | |
und Sachsen unsere Pläne für ein Hausprojekt in der Hauptstadt der | |
patriotischen Bewegung vorstellen.“ Auf einer Skizze ist das Haus zu sehen | |
– mit einem Anbau, den es heute auf dem rund 850 Quadratmeter großen | |
Grundstück noch nicht gibt. Überschrift der Grafik: „Unsere Pläne für ein | |
Hausprojekt in Dresden“. | |
„Das Haus hat das Potenzial, zu einem wichtigen Ort der rechten Szene in | |
Dresden zu werden“, sagt Michael Nattke, Fachreferent beim Kulturbüro | |
Sachsen, bei dem die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus | |
angesiedelt sind. Seit es der Pediga-Bewegung in Dresden gelang, im Jahr | |
2015 mehrere Tausend Menschen für ihre Demonstrationen zu mobilisieren, sei | |
die Stadt im Fokus rechter und neurechter Gruppen. Die sächsische | |
Landeshauptstadt entwickle sich „zum organisatorischen und aktionistischen | |
Zentrum von ‚Ein Prozent‘ und Identitärer Bewegung“, sagt Nattke. | |
So fand etwa im August 2018 ein Treffen der Identitären Bewegung in Dresden | |
statt, bei dem von einer „Hauptstadt des Widerstands“ gesprochen wurde. | |
„Ein Prozent“-Chef Stein habe bei anderer Gelegenheit öffentlich davon | |
gesprochen, dass ein „Strukturausbau“ in der Stadt stattfinden solle, so | |
Nattke. Der Verein habe hier bereits seit 2017 Büroräume angemietet, seit | |
Anfang 2018 dann neue Räume gesucht. Wohl auch, weil vermutlich | |
AntifaschistInnen auf den Sitz des Vereins aufmerksam machten, indem sie | |
die Tür des Büros zumauerten. Der Vermieter kündigte dem Verein daraufhin. | |
Seit Januar 2019 ist nun der lokale AfD-Politiker [3][Hans-Joachim | |
Klaudius] Eigentümer des Flachbaus in Dresden-Reick. Das geht aus dem | |
Grundbucheintrag hervor, den die taz eingesehen hat. Eigentlich hat die AfD | |
2016 eine Unvereinbarkeit für die Zusammenarbeit mit der Identitären | |
Bewegung festgelegt, deren Nähe für die Partei hinsichtlich einer drohenden | |
Beobachtung durch den Verfassungsschutz schädlich sein könnte. Nicht nur | |
das Beispiel in Dresden zeigt: In der Praxis ist der Beschluss nicht ernst | |
zu nehmen – in vielen Landesverbänden bestehen enge Verbindungen. | |
Klaudius sagt dazu der taz, das Haus habe oben eine Wohnung und unten | |
Gewerberäume, es handele sich um „Mischbebauung“. Er vermiete die Räume. | |
„Alles andere ist von Ihnen hineinphantasiert“, erklärt er. Der | |
stellvertretende sächsische AfD-Landesvorsitzende und Europaabgeordnete | |
[4][Maximilian Krah] hingegen sagt der taz, Klaudius habe auf einem | |
Landesparteitag von dem Haus berichtet. Krah selbst erklärt, er habe mit | |
dem Projekt nichts zu tun, stehe den Aktivitäten von „Ein Prozent“ aber | |
grundsätzlich positiv gegenüber. | |
Die Sächsische Staatsregierung indes hat weder Erkenntnisse zu einem | |
Hausprojekt noch zur Nutzung durch extreme Rechte oder zu geplanten | |
Veranstaltungen. Das erklärte das Innenministerium im Juni auf eine Anfrage | |
des Grünen-Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann. Auch Lippmann sagt, dass | |
Akteure der Neuen Rechten, also Gruppen wie „Ein Prozent“ und die | |
Identitäre Bewegung, seit den Pegida-Demonstrationen auf Dresden als neue | |
„Hauptstadt der Bewegung“ schauten. „Es ist davon auszugehen, dass mit dem | |
Haus der Versuch verbunden ist, sich weiter in Dresden zu etablieren.“ Mit | |
der AfD als ihrem parlamentarischen Arm sei dabei die Hoffnung auf eine | |
günstige Ausgangslage für rechte Politik verbunden. | |
In Dresden-Reick wird es für die Neurechten in jedem Fall schwer sein, in | |
den Stadtteil hineinzuwirken. Zwar ist Reick bekannt für rechte Umtriebe, | |
erst vergangene Woche fand um die Ecke eine Razzia in einem Büro von | |
selbsternannten Reichsbürgern statt. Laut Nattke kommen viele Mitglieder | |
der Freien Kameradschaft Dresden, der derzeit wegen Bildung einer | |
kriminellen Vereinigung der Prozess gemacht wird, zu großen Teilen aus | |
Reick und dem Stadtbezirk Prohlis. Neben dem Flachbau allerdings befinden | |
sich nur Industriehallen. Das Gewerbegebiet wirkt fast ausgestorben. Auch | |
Stress mit Nachbarn ist hier also kaum zu erwarten. | |
Wie das rechte Haus der Identitären in Halle funktionierte, wissen die | |
Bewohner in Dresden indes sehr genau: Michael Schäfer und Julian Monaco | |
waren bei Demos vor Ort, mit Mario Müller, einem vorbestraften Gewalttäter | |
und führenden Kopf der IB in Halle, ist Monaco gut bekannt. Beide machten | |
vor Jahren in der Gegend von Delmenhorst bei Bremen gemeinsam rechtsextreme | |
Politik und drangsalierten Andersdenkende. | |
4 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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