# taz.de -- Banda Comunale gegen Rechts: Die guten Vibes von Dresden | |
> Die Banda Comunale aus Dresden ist auf Demonstrationen und in | |
> Geflüchtetencamps aktiv. Inzwischen macht sie auch Workshops an Schulen. | |
Bild: Mitglieder der internationalen Banda Comunale aus Dresden, 2017 | |
„Musik ist positiv und fühlt sich für alle Beteiligten gut an“, weiß Ger… | |
Rieß, der 2013 mit seiner Trompete Teil der [1][Banda Comunale] wurde. | |
Seinerzeit spielte die Band auf Demos, aber auch auf Hochzeiten und gab | |
gewöhnliche Konzerte. Alles sei „viel kleiner und ganz anders als jetzt“ | |
gewesen, erinnert er sich. Das gilt auch für die Protestkultur in seiner | |
Stadt: Wenn sich früher 200 bis 300 linke Studierende gegen offensichtliche | |
Nazis positionierten, wurden sie von der Polizei als Linksterroristen | |
behandelt und vom Bürgertum nicht beachtet. Dann aber kam Pegida. | |
Seit Dezember 2014 bewegten sich Nazis, die in Sachsen schon immer geduldet | |
wurden, und ein verdeckter Rassismus, den es in Sachsen schon immer gab, in | |
immer größeren Schritten aufeinander zu. Montags gingen deren | |
Protagonist*innen gemeinsam „spazieren“. In den ersten Wochen wurde dies | |
nur von den üblichen Studierenden und antifaschistischen Gruppen ernst | |
genommen. Als aber am 1. Dezember 2014 lediglich 200 Menschen die | |
inzwischen 12.500 Pegida-Anhänger*innen auf dem Terrassenufer blockierten, | |
rief die Stadt ein einwöchiges Demonstrationsverbot aus. Die Lage drohte zu | |
eskalieren, und alle Augen richteten sich auf Dresden. | |
Dies führte vorerst zu breiterer Beteiligung an linken Protesten: Sie | |
wurden bunter, zielten jedoch auch nicht darauf ab, Pegida zu blockieren. | |
Als die Beteiligung zum Jahreswechsel wieder abebbte, rief die Banda | |
Comunale gemeinsam mit der Band Yellow Umbrella zum Neujahrsputz auf. | |
Daraufhin kamen montags bis zu 7.500 Menschen in Warnwesten und mit Besen | |
in der Hand auf den Theaterplatz, um den braunen Dreck von den | |
Pflastersteinen zu putzen. Links passierte mehr, als schlichtweg dagegen zu | |
sein. | |
Und auch, wenn diese Zeiten von Anspannung bestimmt waren, sorgte die von | |
Trommeln getaktete Blasmusik der Banda für etwas Fröhlichkeit und | |
Optimismus in den Protesten für ein buntes Dresden. Ihre Musik wurde so zum | |
Soundtrack einer Bewegung. Dass dies ein bewährtes Rezept ist, zeigt der | |
Blick in die Geschichte der Brassbands. | |
## Lungen der Arbeiter freiblasen | |
Ursprünglich etablierten sie sich in der Bergbauindustrie Englands im 19. | |
Jahrhundert. Ihre Konstellation war, was bereits vom Militär entdeckt und | |
genutzt wurde, besonders geeignet für unverstärkte Open-Air-Musik. Außerdem | |
ermöglichte sie die Bewegung der Musiker während des Spiels. Dass auch die | |
Industriearbeiter sich irgendwann in Bewegung setzen würden, sahen die | |
Kapitalisten aber vermutlich nicht voraus. | |
Die Musik sollte in den Fabriken ursprünglich eher zur Identifikation und | |
Bindung an das Arbeitsumfeld beitragen und, so sagt es die Geschichte, die | |
verstaubten Lungen der Arbeiter freiblasen. Bald hatten alle großen | |
Betriebe eigene Arbeiterbands, die zum Teil auch über die Lebzeiten ihrer | |
Arbeitgeber hinweg existierten. Sie waren es auch, die hundert Jahre später | |
den großen Miner’s Strike von 1984/85 musikalisch trugen. | |
In Sachsen kam eine weitere Zäsur im Juni 2015. Die erschreckenden Bilder | |
von der Lage der Geflüchteten im „Hotel Leonardo“, der | |
Erstaufnahmeeinrichtung in Freital, fanden bundesweit Beachtung. Tag und | |
Nacht wurden die Menschen im Leonardo belagert, beleidigt und bedroht. Wenn | |
nicht gerade Kamerateams und die Antilopen Gang vor Ort waren, | |
organisierten Antifa und Zivilgesellschaft den Schutz der Geflüchteten, der | |
von der Polizei nicht lückenlos gewährleistet wurde. | |
Auch die Banda Comunale kam in die kleine Stadt nahe Dresden, um den | |
Geflüchteten zu zeigen: „Ey, hier sind auch andere Leute.“ Germi erinnert | |
sich noch genau, wie Gründungsmitglied Michał Tomaszewski die | |
eingeschüchterten Menschen mit Konfetti begrüßte und so mit einer | |
Selbstverständlichkeit ihre Ankunft in Deutschland, ihr Überleben feierte. | |
Während sie die Sorgen für einen Moment mit ihren Instrumenten scheinbar | |
wegbliesen, wurde ihnen von rechter Seite gedroht, man werde sie köpfen. | |
## Ein völlig neuer Sound | |
In der Bahn zurück nach Dresden, noch immer vor Anspannung zitternd, | |
entstand die Idee, die Banda Comunale zur Banda Internationale wachsen zu | |
lassen. Die Band wurde also für geflüchtete Musiker geöffnet. Instrumente | |
wie Oud, Cello, Gitarre und Percussions kamen zu den Blechbläsern hinzu. | |
Klezmer stieß auf arabische Klänge, lässige Marschmusik auf verspielte | |
Umwege. | |
So entstand ein völlig neuer Sound. Den trug die Banda in wechselnder | |
Besetzung nun durch Camps und Demonstrationen, Benefizkonzerte für | |
Geflüchtete und deutsche Gefängnisse – und gab so Anlass für Begegnungen. | |
„Zu dieser Zeit taten alle, was sie konnten, im Kleinen wie im Großen“, | |
erinnert sich Germi. Linke Positionen wurden neu betrachtet, auch im | |
Bürgertum. Das brachte zwar noch längst nicht alle Menschen auf die Straße, | |
die gegen Rassismus waren. Doch viele fanden nun eigene Wege zu helfen: | |
spendeten Kleidung, Duschbad oder Unterwäsche, backten Kuchen. Um die hohe | |
Engagementbereitschaft aufzufangen, wurden zahlreiche Initiativen | |
gegründet. Einige hielten sich, andere wurden von Resignation geschluckt. | |
Die Banda aber blieb, entwickelte sich ständig weiter, verbreitete positive | |
Stimmung und Hoffnung. Das wurde gesehen: Radio-, Fernseh- und | |
Zeitungsbeiträge entstanden, Preise wurden gewonnen, das gemeinsame Album | |
„Kimlik“ aufgenommen, der Dokumentarfilm „Wann wird es endlich wieder | |
Sommer?“ gedreht. | |
Doch nach diesen Veröffentlichungen im Jahr 2017 konnten selbst sie nicht | |
mehr. Die wechselnden Besetzungen kosteten Kraft, von Pegida war nur noch | |
der unbekehrbare Kern übrig – und der Rassismus in der Gesellschaft war | |
dennoch nicht verschwunden. Es war wieder an der Zeit, umzudenken. | |
## Zeigen, dass es funktioniert | |
Sich künftig vor allem an Schülerinnen und Schüler zu richten, nennt Germi | |
heute die beste Entscheidung seines Lebens – dort könne man etwas | |
erreichen. In Workshops mit bis zu 150 Kindern und Jugendlichen werden | |
Instrumente gefertigt, Rhythmusübungen durchgeführt, arabische oder | |
afrikanische Lieder gesungen und es wird getanzt und schließlich gemeinsam | |
musiziert. | |
Dabei erzielt die Banda allein durch ihre Diversität einen Effekt: Die Band | |
hat inzwischen sechzehn verschiedene Gesichter, kann fast zwanzig | |
verschiedene Instrumente spielen, stammt aus acht Ländern, kann acht | |
Sprachen sprechen, einigt sich aber auf Deutsch. | |
Bei Besuchen ab der sechsten Klasse berichten die Zeitzeugen der Band | |
zusätzlich von ihrer Flucht und beantworten Fragen. „Wenn jemand dir so | |
etwas erzählt, dann geht es dir in jedem Falle nah. Es berührt dich. Du | |
kannst nicht mehr sagen ‚diese Flüchtlinge‘. Nein, da sitzt Thabet. Er ist | |
28 Jahre alt. Er ist aus gleichem Blut, spielt richtig geil Oud und ist | |
auch noch Arzt. Und der erzählt dir wirklich krasse Geschichten, aus seiner | |
Kindheit und von der Flucht – und der hat echt dolle Geschichten drauf“, | |
sagt Germi. | |
Das gestalte sich nicht immer unproblematisch. Während Kinder noch | |
vorurteilsfrei seien, sei es zum Teil schwerer, Jugendliche ebenso zum | |
Staunen, Zuhören und Mitdenken zu bringen. | |
## Du brauchst eine Gesprächskultur | |
An den „sächsischen Verhältnissen“ wird keine Wahl etwas ändern, denn | |
„egal, was für eine Regierung du hast – die Rassisten sind hier“, sagt | |
Germi. Statt einer Partei entscheide die Bildung über die Zukunft dieses | |
Bundeslandes. „Denn ohne Bildung hat eine Demokratie keine Chance. Du musst | |
aufgeklärt sein, musst wissen, wie demokratische Prozesse funktionieren, | |
brauchst eine Gesprächskultur.“ | |
Nicht umsonst fragen zahlreiche Schulen die Banda für Workshops an. Denn | |
was die Band durch ihre Offenheit – musikalisch wie menschlich – gewonnen | |
hat, kann allen zeigen, „dass es funktioniert“. | |
9 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bandacomunale.de/ | |
## AUTOREN | |
Pia Stendera | |
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