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# taz.de -- Urteil zu Gruppenverfolgung: Jesiden jetzt schutzlos
> Jesiden droht keine Verfolgung im Irak, urteilt das
> Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Sie können dorthin abgeschoben, wo sie
> ermordet wurden.
Bild: Der Schrecken ist noch sichtbar: Sindschar drei Jahre nach der Rückerobe…
Bremen taz | Fünf Jahre können eine Ewigkeit sein aus Sicht der
Verwaltungsrechtsprechung. Am 3. August 2014 fand im Sindschar-Gebiet ein
Massaker statt, als Auftakt zum [1][Völkermord]: unter Führung von
IS-Kämpfern, aber auch unter tätigem Zutun von deren Mitläufern, den
frommen Nachbarn der jesidischen Opfer.
Männer, also alle ab 14 Jahren, mindestens 5.000, wurden ermordet, Frauen
und Mädchen ab acht Jahren aufwärts wurden systematisch vergewaltigt,
danach ermordet oder [2][verschleppt, gefangen gehalten, zwangsverheiratet
und versklavt;] entführt auch eine ungewisse Zahl Kinder. Etwa 400.000
Menschen flüchteten. Etliche sind verschollen. Zum Jahrestag hat die
Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker am Mittwoch eine [3][Studie
vorgelegt].
Aber eigentlich ist das alles Schnee von gestern. Das hat das
Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) schon am Dienstag entschieden und
anderslautende Urteile des Verwaltungsgerichts Hannover aufgehoben. Jesiden
können nach dessen Auffassung in den Irak zurückkehren, eine
Gruppenverfolgung drohe ihnen nicht. Was das heißt: Eine unmenschliche
Behandlung – ach Gottchen! – das kann ja jedem passieren. Und unbequeme
Nachbarn sind ganz sicher kein Abschiebehindernis.
## Sicherheitslage prekär
Das verblüfft und enttäuscht: Einerseits hat gerade auch das Außenamt
bekräftigt, dass die Sicherheitslage dort weiter „prekär“ ist. Anderersei…
waren Lüneburger Richter zuvor eher durch eine [4][humanitärere Auslegung]
des Asyl- und Ausländerrechts auffällig geworden. So hatten sie verboten,
Schutzsuchende nach Bulgarien abzuschieben, weil ihnen dort eine
menschenunwürdige Behandlung drohe.
Bulgarien ist also nicht okay. Das Herkunftsland Irak hingegen schon. Weil
– na einerseits, weil das aktuelle Urteil nicht der neunte, sondern der
zehnte Senat des OVG gefällt hat. Und, weil – nein, leider liegt die
schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vor. Aber man kann sich
anschauen, wie beispielsweise das Verwaltungsgericht Oldenburg begründet,
dass es zur selben Einschätzung kommt:
„Das Risiko, als Zivilperson in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines
Jahres verletzt oder getötet zu werden“, hatten die Juristen dort
vergangenen August befunden, „lässt sich nicht sachgerecht ermitteln, wenn
dazu eine bereits nicht valide ermittelbare Zahl von Vorfällen in das
Verhältnis zu einer zudem seit mehreren Jahren offensichtlich nicht mehr
bestehenden Bevölkerungszahl gesetzt wird.“
„Nicht mehr bestehende Bevölkerungszahl“ – da haben die Oldenburger
Verwaltungsjuristen wieder einen großartig unaufgeregten Ausdruck gefunden
für: durch Genozid ausgelöscht. Die Lüneburger werden ihnen dankbar sein.
Die Jesiden nicht. Benno Schirrmeister
2 Aug 2019
## LINKS
[1] http://docs.dpaq.de/8711-ohchr_report_iraq_-_18.03.2015_embargoed.pdf
[2] http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2014-0066_DE.html
[3] https://www.gfbv.de/de/news/5-jahrestag-des-genozids-an-den-yeziden-im-nord…
[4] http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psm…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Jesiden
„Islamischer Staat“ (IS)
Asyl
Abschiebung
Justiz
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Schwerpunkt Pressefreiheit
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