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# taz.de -- Aufnahme traumatisierter Jesidinnen: Das große Warten
> Bremen prüft derzeit die Aufnahme von 20 jesidischen Frauen und Kindern
> aus dem Nordirak, schreckt aber vor den Kosten zurück.
Bild: Weiter Weg nach Bremen: Eine jesidische Familie in einem Flüchtlingscamp…
Bremen taz | Hunderte Menschen stehen auf dem Marktplatz vor dem Gebäude
der Bremischen Bürgerschaft. Einige halten Transparente in die Höhe, auf
denen steht: „Stoppt den Genozid an den Jesiden“ oder „Bring back our gir…
from ISIS“. Diese Szenen stammen aus einem Video, das die Linksfraktion auf
ihrem Twitter-Kanal veröffentlichte. Die Kundgebung fand am Weltfrauentag
statt.
Mittendrin stand damals auch Cindi Tuncel. Er ist Jeside und
Bürgerschaftsabgeordneter der Linken. Gemeinsam mit weiteren Jesid*innen
erinnerte er an 50 jesidische Frauen, die der Islamische Staat (IS) erst
einige Tage zuvor in ihrer letzten syrischen Hochburg in Baghuz hinrichten
ließ. Tuncel fordert, dass Bremen „endlich 20 jesidische Frauen aufnehmen
soll“.
Tuncel arbeitet bereits seit über zweieinhalb Jahren daran, Jesidinnen und
Kinder nach Bremen zu holen. Im August 2016 stellte er in der Bürgerschaft
einen Antrag zur Aufnahme von 50 jesidischen Frauen. Abgelehnt wurde dieser
nicht, angenommen aber auch nicht, obwohl der Antrag von einer breiten
Mehrheit unterstützt wurde.
Um die Möglichkeit zur Aufnahme schutzbedürftiger Frauen und Kinder zu
prüfen, verwies die Bürgerschaft Tuncels Antrag an die Sozial-Deputation.
Dort einigte man sich, 20 jesidische Frauen aufnehmen zu wollen. Mehr sei
nicht möglich gewesen, sagt Tuncel. Doch wie die Frauen und Kinder nach
Bremen kommen sollten, darauf fanden die Deputierten keine Antwort.
Denn es gab ein entscheidendes Problem. Bremen als kleinstes Bundesland sei
nicht in der Lage, die notwendige Infrastruktur und entstehenden Kosten zu
stemmen, sagt Bernd Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann
(Grüne). Bremen sprach sich daraufhin für die Unterstützung einer
Initiative auf Bundesebene aus.
Aber auch daraus wurde nichts. Tuncel musste weiter warten. Regelmäßig
unterrichteten ihn die Deputierten über den Stand der Gespräche. Und nun,
30 Monate nach dem Eingang seines Antrags, scheint eine Lösung in Sicht.
„Der Senat prüft derzeit die Möglichkeit, 20 besonders schutzbedürftige
Frauen und Kinder aus dem Nordirak in Kooperation mit Brandenburg oder
einem anderen Bundesland aufzunehmen“, sagt Karen Stroink, Sprecherin von
Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).
Jesidinnen über Brandenburg nach Bremen
Es werde geprüft, in welcher Form eine Kooperation möglich wäre und welchen
Beitrag Bremen dabei leisten könnte. Brandenburg bereitet derzeit die
Aufnahme von Jesidinnen vor. Frauen, die aus dem Brandenburger Kontingent
herausfallen, könnte Bremen aufnehmen.
Tuncel freut sich, dass nun etwas passieren soll. Es sei aber auch
enttäuschend, dass über zweieinhalb Jahre vergingen. Tuncel erinnert daran,
dass andere Bundesländer viel schneller gehandelt hätten.
Baden-Württemberg war 2015 das erste Bundesland, das bereits 1.000 schwer
traumatisierte vorwiegend jesidische Frauen aufnahm. Niedersachsen nahm 67
und Schleswig-Holstein 32 Jesidinnen und Kinder auf. Im Dezember 2016
entschloss sich Brandenburg zur Aufnahme von 60 Jesidinnen aus dem
Nordirak. [1][Auch der rot-rot-grüne Senat in Berlin beschloss, 100 Frauen
aufnehmen zu wollen.]
Nun soll auch Bremen folgen. Wann sei allerdings eine andere Frage, sagt
Tuncel. Er hofft, dass die jesidischen Frauen und Kinder noch vor der
Bürgerschaftswahl im Mai in Bremen ankommen. Ob das realistisch ist,
erfährt Tuncel Ende dieser Woche. Dann rechnet der Senat mit ersten
Ergebnissen und Kostenkalkulationen.
19 Mar 2019
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## AUTOREN
Stefan Simon
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