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# taz.de -- Eingeknickt im Erzgebirge: Roter Teppich für NPD-Kader
> Obwohl seine NPD nicht genügend Stimmen hat, wollte Stefan Hartung im
> Erzgebirge in den Finanzausschuss. Der Kreistag gab nach. Warum?
Bild: Stefan Hartung bei einer Diskussionsrunde mit Bürgern (2015)
DRESDEN taz | Am Ende nutzten dem NPD-Kreisrat und [1][Erzgebirgs-Obernazi
Stefan Hartung] all seine Dreistigkeiten und Erpressungsversuche nichts.
Das Schicksal in Gestalt eines Loses entschied gegen ihn, nachdem er und
sein Kontrahent von den Freien Wählern gleich viele Stimmen erhalten hatten
bei der Besetzung eines Sitzes im Kreis- und Finanzausschuss.
Den hatte sich Hartung ertricksen wollen, obschon die NPD bei den
Kommunalwahlen Ende Mai nur noch 1,6 Stimmenprozente erzielt und somit zwei
ihrer vier Sitze im 99-köpfigen Kreistag des [2][Erzgebirgskreises]
verloren hatte. Damit hätte Hartung auch kein Sitz im Finanzausschuss mehr
zugestanden. Doch Landrat Frank Vogel (CDU) beantragte für ihn, dass der
Ausschuss von 18 auf 24 Mitglieder erweitert wird – und alle Fraktionen
außer SPD und Grünen stimmten zu.
Warum selbst die Linke einknickte vor einem im Verfassungsschutzbericht
mehrfach erwähnten Neonazi, ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Die
Entscheidung wird heftig kritisiert. „CDU im Erzgebirge rollt NPD-Kader den
Teppich aus“, schrieb beispielsweise der grüne Bundestagsabgeordnete
Stephan Kühn. CDU-Fraktionschef Sylvio Krause berichtet aber, wie Hartung
bislang durch spontanes Erscheinen und Zwischenfragen auch in Ausschüssen,
deren Mitglied er nicht war, deren Arbeit sabotierte.
Über Hartungs Rederecht wurde stets diskutiert, die Sacharbeit litt
darunter. In der Hoffnung, ihn sozusagen zu domestizieren, habe man ihn mit
dem Ausschusssitz ruhigstellen wollen. „Ständiges Ignorieren und Ablehnen
von Wortmeldungen macht diese Truppe zu Märtyrern“, begründet Krause seine
Zustimmung zur Ausschusserweiterung. „Wenn es unsere großen Richter am
Bundesverwaltungsgericht nicht schaffen, die NPD zu verbieten, müssen wir
uns in den Niederungen der Politik weiter damit auseinandersetzen“,
antwortet er auf taz-Nachfrage.
## Linke Kommunalpolitiker und Landesspitze uneins
Außerdem hoffte der Kreistag, dass Hartung nach diesem Zugeständnis einem
schnelleren Besetzungsverfahren der Ausschusssitze zustimmen würde. Statt
einer geheimen Wahl sollen die Mitglieder nur von den Fraktionen benannt
und vom Plenum und dem Landrat bestätigt werden.
Diesen Grund führt auch die langjährige Linken-Kreisrätin Barbara Drechsel
für ihre Zustimmung an. Man habe so erreicht, dass NPD-Vertreter keine
geheimen Wahlen fordern konnten und so die Widerspiegelung des
Wahlergebnisses in den Ausschüssen möglicherweise verzerrten. Sie habe vor
der Wahl gestanden, entweder die Ausschusserweiterung für Hartung zu
akzeptieren oder „weiter die Gängelei des Kreistages durch die Vertreter
der NPD“ zu erleben, wie bereits in der vorigen Wahlperiode. Drechsel
betont ihre Distanz zur NPD.
Die sächsische Linken-Landesspitze wiederum distanziert sich von ihren
erzgebirgischen Kommunalpolitikern. Es verbiete sich, „einem NPD-Mann den
Roten Teppich auszurollen“, wählen die Landesvorsitzende Antje Feiks und
Fraktionschef und Spitzenkandidat Rico Gebhardt ähnliche Worte wie die
Grünen.
Demokraten müssten gerade in der gegenwärtigen Situation besonders sensibel
sein, wenn „rechte Ideologien immer weiter in den Alltag eindringen“. Es
dürfe kein Entgegenkommen gegenüber rechten Parteien geben, das diese
salonfähig mache. Das stehe im Widerspruch zu linker Programmatik. Man
wolle deshalb die „direkte Unterstützung“ der Kommunalpolitiker verstärke…
## Rechte Eminenz
Die Kritiker der Kreistagsentscheidung verweisen außerdem darauf, dass
Stefan Hartung 2014 die sogenannten [3][„Lichtelläufe“] gegen die
Flüchtlingsunterkunft Schneeberg mit bis zu 1.800 Teilnehmern organisierte.
Hartung ist populär. Bei den Wahlen zum Oberbürgermeister von Aue-Schlema
am 26. Mai erreichte er im ersten Wahlgang 19,1, im zweiten noch 18,2
Prozent der Stimmen. Damit lag er noch vor dem Linken-Bewerber.
Unterschiedlich wird ein Urteil des sächsischen Oberverwaltungsgerichtes
von 2011 interpretiert. Damals hatte die NPD geklagt, um in Ausschüsse zu
gelangen – und verloren. Landrat Vogel und der aus dem Erzgebirge stammende
Staatssekretär im Bundesinnenministerium Marco Wanderwitz (CDU) meinen,
jeder Kreisrat habe das Recht, in Ausschüssen zu arbeiten. Die
erzgebirgischen Grünen führen aber an, dass das Gericht mit der
Berücksichtigung aller kleinen Parteien und Wählergruppen eine
Handlungsunfähigkeit befürchtete. Außerdem habe es damals die
„Überrepräsentation“ der CDU gerügt.
In einer früheren Version dieses Textes stand, die SPD habe für den Antrag
gestimmt, den Finanzausschuss zu erweitern. Für diese Behauptung gibt es
keinen Beleg. Nach Angaben der Fraktion haben die SPD-Kreisräte mit Nein
gestimmt bzw. sich enthalten.
6 Jul 2019
## LINKS
[1] /Demos-der-Rechtsextremen/!5054753
[2] /Debatte-Umgang-mit-Gefluechteten/!5369642
[3] /Kampf-gegen-NPD-in-Schneeberg/!5054752
## AUTOREN
Michael Bartsch
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