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# taz.de -- Abgeordneter über Sorben im Landtag: „Die sorbische Kultur ist b…
> Heiko Kosel ist Landtagsabgeordneter in Sachsen – und Sorbe. Er fordert
> eine eigene Partei für Sorben. Denn die bestehenden hätten ihr
> Versprechen gebrochen.
Bild: Bei Sorben denkt man schnell an bemalte Eier und Trachten. Ein Problem, s…
taz: Herr Kosel, im sorbischen Parlament heißen Sie Hajko Kozel, warum
nicht auch im sächsischen?
Heiko Kosel: Das hat etwas damit zu tun, dass es eine Tradition gab,
sorbische Namen zu verdeutschen. Wir hatten zwar zu DDR-Zeiten die
Möglichkeit, unsere Namen in sorbischer Schreibweise zu führen, und jetzt
auch wieder, nach einer etwa 10-jährigen Pause seit der Wende. Aber wenn
man einmal mit einer Schreibweise aufgewachsen ist, ändert man das im Laufe
eines Lebens nur sehr schwer. Die doppelte Namensführung hat sich
historisch bei den Sorben entwickelt.
In Zeiten der starken Unterdrückung hatten Sorben intern an ihren Namen
festgehalten. Nur für die Behörden hatten sie einen deutschen. In meinem
Ausweis steht Kosel. Für meine deutschen Freunde und Partner ist diese
Schreibweise auch eine Art „Lesehilfe“. Aber wann immer ich einen
sorbischen Text schreibe, nutze ich Kozel. Auch als Anwalt nutze ich die
sorbische Sprache.
Vor Gericht?
Wir haben nach dem Gerichtsverfassungsgesetz das Recht, in unseren
Heimatkreisen vor Gericht die sorbische Sprache zu gebrauchen. Wenn es
Richter gibt, die die sorbische Sprache beherrschen, ist das kein Problem.
Allerdings gibt es nur einen in der ganzen Lausitz. Ansonsten muss der
Richter einen Dolmetscher hinzuziehen. Aber er tut das dann nicht für den
sorbischen Rechtssuchenden. Er tut es für sich, weil er die zweite
Gerichtssprache des Gerichts, an dem er tätig ist, nicht beherrscht.
Reagieren die Richter genervt?
Wir kündigen den Gebrauch der sorbischen Sprache natürlich an. Manche
Richter und Richterinnen, die den Paragrafen im Gerichtsverfassungsgesetz
nie zur Kenntnis genommen hatten, reagieren gereizt. Das hat auch
Auswirkungen auf die sorbischen Rechtssuchenden. Die schrecken manchmal
davor zurück, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. Manchmal kommt es aber
auch vor, dass Richter, die zunächst den Gebrauch des Sorbischen ablehnend
gegenüberstanden, im Kollegenkreis erklären, dass sie heute Verhandlung in
Sorbisch geführt hätten. Mit einem gewissen Stolz.
Sie sind Landtagsabgeordneter, Sorbe und fürchten trotzdem, dass die Sorben
im Parlament verschwinden. Sie fordern, notfalls eine sorbische Partei zu
gründen. Warum?
Als die sächsische Verfassung Anfang der 90er Jahre diskutiert wurde, war
in dem ersten gemeinsamen Entwurf ein Passus enthalten, der die gesonderte
Einzelwahl sorbischer Abgeordneter im Sächsischen Landtag vorsah und eine
Befreiung von der Fünfprozenthürde in Erwägung zog. Davon ist man dann
abgegangen, weil alle Parteien im Landtag erklärt haben, dass sie die
Sorben hinreichend vertreten würden.
Das ist immer schwieriger geworden und aktuell haben wir eine Situation, in
der die Gefahr besteht, dass kein Sorbe mehr im Sächsischen Landtag
vertreten sein wird. Meine Partei hat mich auf den letzten Listenplatz
gesetzt und die Abgeordneten der CDU haben auch nicht gerade
aussichtsreiche Plätze. Gleichzeitig bangen sie um Direktmandate wegen der
Konkurrenz der AfD. Wenn das Versprechen von damals nicht mehr gilt, dann
gehört die Diskussion über die Partizipation der Sorben durch eine
Minderheitenpartei wieder auf die Tagesordnung.
Sie sind Co-Sprecher der Bundes-AG „Ethnische Minderheiten“ Ihrer Partei.
Das sichert Ihnen keinen Listenplatz?
Ich kann in diesem Zusammenhang nur auf die Realität verweisen und den
Listenplatz, den ich bekommen habe.
Sorben sind in der Linken und der CDU, also nicht mal in allen Parteien.
Warum ist es so schwierig?
Die nachwachsende Generation weiß leider über Sorben immer weniger. Es gibt
eigentlich einen Paragrafen im sächsischen Schulgesetz, der alle Schulen
verpflichtet, die Grundlagen der sorbischen Kultur und Geschichte zu
vermitteln. Das gilt für alle Schulen in Sachsen. Aber wir stellen schon
seit Jahren fest, dass dieser Paragraf nicht umgesetzt wird.
Es gibt ein abnehmendes Wissen über die sorbische Geschichte und Gegenwart,
auch darüber, was das für die Zukunft Sachsens bedeuten könnte: Eine Region
zu haben, in der man relativ traditionell und deshalb auch unaufgeregt,
Bikulturalität und Mehrsprachigkeit leben könnte. Man könnte uns als
„politisches Labor“ für Herausforderungen des Zusammenlebens
unterschiedlicher Nationalitäten in einem Staat nutzen. Macht man aber
nicht. Das erstaunt mich.
Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten. Gibt es
eine sorbische Moderne?
Dass diese Frage gestellt wird ist schon ein Problem, weil sie zeigt, wie
wenig in der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Sorben bekannt ist. Man
greift auf uns immer als Klischee zurück. Sorben sind gut, um mit Brot und
Salz und in Trachten zu begrüßen. Kommt der Bundespräsident in die Lausitz,
erinnert man sich plötzlich an die Sorben. Dabei gibt es bei uns Rockmusik,
es gibt Literatur aller Genres, moderne Theaterstücke. Es gibt alles, was
unsere deutschen Nachbarn auch haben. Allerdings haben wir gewisse
Schwierigkeiten, wenn es darum geht, die Digitalisierung auch für unsere
Sprache zu nutzen. Da brauchen wir die Hilfe des Staates, weil die großen
Konzerne sagen, die Minderheitensprache ist für uns nicht wirtschaftlich
relevant.
Ortsschilder sind zweisprachig, 2018 haben Sie ein sorbisches Parlament
gegründet, den [1][Serbski Sejm], es gibt einen zugesicherten Platz im
MDR-Rundfunkrat. Was gefährdet die Sorben?
Wir müssen die Effizienz dieser Maßnahmen hinterfragen. Die Unesco hat das
Sorbische als bedrohte Sprache eingeschätzt. Verschiedene
Herrschaftsstrukturen haben alles Mögliche unternommen, um das Sorbische
auszurotten. Schon zu Zeiten des Kaiserreiches haben deutsch-nationale
Eliten darauf hingewiesen, dass man die sorbische Sprache und Kultur
ausrotten müsste, weil die Existenz einer slawischen Sprache vor den Toren
der Reichshauptstadt zeigen würde, dass Berlin auf „slawischem
Kolonialboden“ stünde. Aber natürlich war der Höhepunkt unter den
Nationalsozialisten. Es wäre doch verheerend, wenn das Ergebnis dieser
sorbenfeindlichen Ideen ausgerechnet jetzt, in einem demokratischen
Rechtsstaat, eintreten würde.
Wollen Sie noch etwas hinzufügen – auf Sorbisch?
Serbska rěč a kultura stej wohroženej. Přećiwo tomu dyrbimy so wobarać. Za
to trjebamy pomoc wšitkich demokratow w našim kraju a nowe móžnosće
demokratiskeho samo- a sobupostajowanja! (auf Deutsch: Die sorbische
Sprache und Kultur sind bedroht. Dagegen müssen wir uns wehren. Dafür
brauchen wir die Hilfe aller Demokraten in unserem Land und neue
Möglichkeiten demokratischer Selbst- und Mitbestimmung!)
29 Jul 2019
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[1] /Erstes-Sorben-Parlament-Serbski-Sejm/!5542139
## AUTOREN
Christina Schmidt
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