Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Unterbringungskosten für Geflüchtete: Arbeit macht Geflüchtete a…
> Arbeitende Geflüchtete müssen für ihre Unterbringung in einer
> Flüchtlingsunterkunft selbst zahlen. Die Gebühren sind oft horrend.
Bild: Wie viel hier wohl ein Zimmer kostet? Flüchtlingsunterkunft in Brome im …
Hamburg taz | Je mehr sie verdienen, umso mehr müssen sie zahlen:
Geflüchtete, die Arbeit haben und in öffentlichen Unterkünften leben,
werden für diese Unterbringung von manchen Städten und Gemeinden gehörig
zur Kasse gebeten. [1][Vor wenigen Tagen] erregte so ein Fall aus dem
niedersächsischen Neustadt am Rübenberge Aufmerksamkeit: 622,45 Euro
monatlich zahlt demnach ein Mann für ein 12-Quadratmeter-Zimmer in einer
Flüchtlingsunterkunft. Das wären mehr als 51 Euro pro Quadratmeter.
Der Neustädter Fall ist keine extreme Ausnahme, sondern eher ein Beispiel
für gängige Praxis: Jede Gemeinde kann die Gebühren festsetzen, die sie
braucht, um Errichtung, Betrieb und Verwaltung einer solchen
Flüchtlingsunterkunft „kostendeckend“ zu gestalten. Nur bei massiven
Regelverstößen – faktisch fast nie – werden die Kommunalaufsichten tätig,
die meist bei den Innenministerien und -behörden angesiedelt sind. In
Neustadt etwa begründet Bürgermeister Uwe Sternbeck (Grüne) den Wohnwucher
so: Man habe die Unterkunft in der Bunsenstraße „schnell bauen“ müssen, d…
sei dann „teurer gewesen“ und nun wolle man diese Kosten über nur „zehn
Jahre abschreiben“.
Die Gebühren für die Unterbringung schwanken von Gemeinde zu Gemeinde
stark, wirken geradezu willkürlich. Nach einer aktuellen Erhebung des
Flüchtlingsrats Niedersachsen verlangt der Landkreis Harburg pro Person und
Monat höchstens 180 Euro, während in Garbsen mindestens 753,60 Euro fällig
sind; im südlich von Hannover gelegenen Hemmingen sind es sogar 930 Euro.
Weil die Betroffenen nicht einfach so auf den freien Wohnungsmarkt
ausweichen können, haben sie oft keine Alternative: Sie müssen zahlen. Da
werde eine „Zwangslage ausgenutzt“, sagt Kai Weber. Der Sprecher des
niedersächsischen Flüchtlingsrats bezeichnet Gebühren, wie sie in Neustadt
oder Hemmingen erhoben werden, [2][als „sittenwidrig“].
Sogar „rechtswidrig“ nannte im Januar die Linksfraktion in der
Hamburgischen Bürgerschaft die dortige Praxis: Hamburg verlangt Gebühren
von 590 Euro pro Person. [3][Ein Gutachten], das die Linke bei dem Bremer
Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano in Auftrag gegeben hatte,
kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die gesamte Hamburger Gebührenordnung
rechtswidrig sei. Sie entspreche weitgehend der bayerischen
Gebührenordnung, die der Bayerische Verfassungsgerichtshof [4][im Mai 2018]
als „Griff in die Kassen des Bundes auf dem Rücken der betroffenen
Asylberechtigten“ bezeichnete.
Tatsächlich dienen die hohen Gebühren dazu, Geld abzuziehen aus Töpfen des
Bundes. Denn der zahlt Gebühren für solche Geflüchteten, die über kein oder
nur wenig eigenes Geld verfügen und auf Sozialleistungen angewiesen sind –
also die meisten. Vor allem aus diesem Grund erhöhte Hamburg zum 1. Januar
2019 die geforderten Beträge um mehr als 300 Prozent: von 141 Euro pro
Person und Monat auf dann 587 Euro; inzwischen liegen sie bei den genannten
590 Euro.
Je höher sie aber ihre Gebühren festlegt, desto höher fallen die
Bundesmittel aus, die eine Kommune erhält: eine Umverteilungsaktion – auf
Kosten einiger Geflüchteter, nämlich derjenigen, die selbst Geld verdienen:
Sie werden an den Kosten für die Unterbringung in einer öffentlichen
Folgeunterkunft beteiligt. Carola Ensslen, integrationspolitische
Sprecherin der Hamburger Linken, weiß von mehreren Fällen, in denen
Geflüchtete einen Arbeitsplatz wieder aufgeben mussten oder gar nicht erst
annahmen – weil sie ohne eigenes Einkommen besser dastanden. Ensslen nennt
das „integrationsfeindlich“: So verhindere der Senat, dass Flüchtlinge
selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen.
In Hamburg leben zurzeit etwa 30.000 Flüchtlinge, knapp 10 Prozent, etwa
2.800 Menschen, sind „Selbstzahler“ im genannten Sinne: Sie haben Arbeit
und zahlen für die Unterkunft – aber meist einen ermäßigten Satz, was sich
in ihrem realen Einkommen begründet. Ein der taz bekannter Mann, der aus
Syrien nach Hamburg gekommen war, fand im vergangenen Jahr Arbeit – 1.500
Euro netto im Monat. Der städtische Träger Fördern & Wohnen verlangte für
ihn und seine fünfköpfige Familie 840 Euro im Monat – das wäre viermal der
ermäßigte Gebührensatz für Selbstzahler. Vier- statt fünfmal, weil die
[5][Hamburger Gebührenordnung] nur maximal vier Personen berücksichtigt.
„Ich bin sehr verzweifelt, weil ich die erhöhten Kosten nicht zahlen kann“,
sagt der Mann gleichwohl. Bei Freunden ohne Beschäftigung würden Jobcenter
oder Grundsicherungsamt zahlen; diese Familien verfügten dann über mehr
Geld als er.
Und wenn gar nicht erst ermäßigt wird? Die Linken-Abgeordnete Ensslen
rechnete zu Jahresanfang aus, dass bei einer siebenköpfigen Familie mit gut
3.000 Euro netto monatlich sieben mal 590 Euro, also 4.130 Euro
Unterbringungskosten anfallen – mehr als das genannte Einkommen.
29 Jul 2019
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Neu…
[2] https://www.nds-fluerat.org/39153/aktuelles/hohe-gebuehren-fuer-nutzung-von…
[3] https://www.linksfraktion-hamburg.de/wp-content/uploads/2019/01/Gutachten_f…
[4] https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-11762
[5] https://www.hamburg.de/fluechtlinge-unterbringung/10014330/gebuehrenanpassu…
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Integration
Asylpolitik
Unterbringung von Geflüchteten
Geflüchtete
Unterbringung von Geflüchteten
Niedersachsen
Seebrücke
Neues Bauen
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Hostel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gebühren für Geflüchtetenunterkunft: 54 Euro pro Quadratmeter
Asylbewerber müssen ihre Unterkunft selbst bezahlen, wenn sie arbeiten.
Wegen unverhältnismäßiger Kosten klagt Ayardeh gegen den Landkreis
Oberhavel.
Gebühren für die Unterkunft: Wucherpreise für Geflüchtete
Für einen Schlafplatz verlangt die Stadt Hemmingen 930 Euro. Dahinter
steckt ein Problem, auf das der Flüchtlingsrat schon lange aufmerksam
macht.
Senatorin begrüßt Pläne aus Potsdam: Eigene Wohnungen für Flüchtlinge
Potsdam möchte bald Gemeinschaftsunterkünfte aufzulösen. Auf die Situation
in Berlin ist dies laut Sozialsenatorin aber nicht übertragbar
Solidarisches Wohnprojekt in Berlin: Geflüchtete zu Genoss*innen
Ein Genossenschaftsbauprojekt in Weißensee nimmt Flüchtlinge auf – mithilfe
von Sponsor*innen, die deren Anteile finanzieren.
Prozessauftakt in Hildesheim: Geld gemacht mit Geflüchteten
Dass sich mit der Unterbringung von Geflüchteten Geld machen lässt, ist
bekannt. Die Dimensionen, um die es in einem Prozess geht, lassen aber
aufhorchen.
Kosten für Geflüchtete: Streit bei Flüchtlingskosten gelöst
Der Bund kommt den Ländern entgegen und beteiligt sich weiterhin mit
Milliardenbeträgen an der Unterbringung und Integration von Geflüchteten.
Negativpreis für Alternativ-Landkreis: Der Goldene Horst geht ans Wendland
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg nutzt Geld, das ihm für die Versorgung von
Geflüchteten zur Verfügung gestellt wurde zur Haushaltssanierung.
Hostelbetreiber unter Verdacht: Aus der Notlage Geld machen
Landeskriminalamt ermittelt: Aus der Wohnungsnot von Geflüchteten und
Obdachlosen wird durch Abrechnungsbetrug Profit geschlagen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.