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# taz.de -- Negativpreis für Alternativ-Landkreis: Der Goldene Horst geht ans …
> Der Landkreis Lüchow-Dannenberg nutzt Geld, das ihm für die Versorgung
> von Geflüchteten zur Verfügung gestellt wurde zur Haushaltssanierung.
Bild: So beengt ist es im Wendland nicht: Dennoch gäbe es viele Verbesserungsm…
HAMBURG taz | Die Tische im Kreistag waren reichlich gedeckt. Wem der gut
gefüllte Haushalt nicht reichte, durfte sich auch noch seinen Bauch
vollschlagen. Dafür engagierte sich die Initiative „Solidarische Provinz
Wendland/Altmark“ mit einer bittersüßen Aktion, wie die
Elbe-Jeeetzel-Zeitung jüngst berichtete.
Während der öffentlichen Kreistagssitzung verteilte die Initiative
Gebäckstücke in Form von Horst Seehofers (CSU) Kopf. Der „Goldene Horst“
wurde mit der Erklärung verliehen, „Unser Heimatminister wäre stolz auf
Sie“.
Grund für diese zynische Aktion war eine Meldung aus dem Dezember
vergangenen Jahres. Dem Landkreis Lüchow-Dannenberg überwies das Land
Niedersachsen zwischen den Jahren 2012 und 2018 zusammengerechnet 1,66
Millionen Euro zu viel. Das Geld wäre eigentlich für die Versorgung und
Unterbringung von Geflüchteten gedacht. Stattdessen floss es in den
allgemeinen Haushalt.
In Niedersachsen wird eine Pauschale pro geflüchtetem Menschen errechnet –
jene, die auch Finanzminister Olaf Scholz (SPDd) für den Bund fordert. Das
sind jährlich pro Leistungsempfänger etwa 10.000 Euro. „Es liegt im Wesen
einer Pauschale, dass es auch Kommunen geben kann, die mit ihren Ausgaben
unter dem Pauschalbetrag bleiben“, teilte das Innenministerium mit.
## Im Rahmen der Rechtsordnung
Besonders die Kosten der Unterkunft schwanken enorm. Während Harburg und
Lüneburg draufzahlen muss, erfreut man sich im Wendland günstiger Mieten –
und erwirtschaftet einen Überschuss.„Das ist im Rahmen unserer
Rechtsordnung“, sagte dazu der parteilose Landrat Jürgen Schulz. „Alle
nötigen Leistungen werden ja im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes
vollumfänglich ausgezahlt.“ Auch das Landesinnenministerium sieht darin
keinen Gesetzesverstoß.
Dabei wird das Geld nach Ansicht von Flüchtlingshelfern gebraucht. „Die
zugeteilte Wohnung einer irakischen Familie roch muffig, und die Heizung
war kaputt, die wollten sofort zurück ins Erstaufnahmelager“, berichtet Uta
Müller von der Gruppe Zuflucht Wendland. „Eine andere Familie musste zu
sechst in einem Zimmer wohnen.“
Auch die Stadt Dannenberg hätte das Geld gebrauchen können, sagt Kurt
Herzog von der Kreistagsfraktion grüneXsoli: „Es ist nicht einzusehen, dass
Dannenberg Eigenmittel aufwendet, um zusätzliche Sprachkurse zu
finanzieren, während beim Landkreis die Mittel ungenutzt liegen.“
Um die Situation zu verbessern, könnte der Kreis Leerstand anmieten oder
ehrenamtliche Helfer/Innen angemessen entschädigen. Stattdessen führte
Lüchow-Dannenberg als einziger Landkreis in Niedersachsen wieder
Lebensmittel- und Sachgutscheine für Geflüchtete ein. Eine Maßnahme, die
erst nach lauten Protesten rückgängig gemacht wurde.
Dass der Landrat mit der Flüchtlingspauschale den Haushalt sanierte, wurde
erst bekannt, nachdem die Fraktion grüneXsoli dazu mehrfach eine Auskunft
erbeten hatte. In einer Antwort der Verwaltung aus dem Oktober 2018 wurde
der Überschuss als „glücklicher Umstand“ attestiert.
Hinzu kommt, dass die Anzahl geflüchteter Menschen im Wendland rapide
sinkt. Wurde die Pauschale im Jahre 2016 noch für 502 Personen gezahlt,
sind es 2019 nur noch 204.
Auch deshalb hat der Landkreis im Dezember 2017 einstimmig beschlossen, den
Bund zu unterstützen und „über das Kontingent hinaus Geflüchtete
aufzunehmen“. Für den Kreis würde sich das lohnen, doch umgesetzt wurde der
Beschluss bisher nicht.
## Spärliche Antworten
Auf die Frage der Initiative, weshalb sie der „Überführung der
Flüchtlingsgelder in den allgemeinen Haushalt“ zugestimmt hatten, gaben die
Kreistagsmitglieder nur spärliche Antworten. Ein Antrag vom Dezember
letzten Jahres, die Gelder zweckentsprechend einzusetzen, wurde mit großer
Mehrheit abgelehnt.
Landrat Jürgen Schulz spricht von „einem Missverständnis“, denn es seien
die „Unterdeckung und Überdeckung“ der Ausgaben aus mehreren Jahren zu
berücksichtigen. Auch das Land schreibt: „Bei der Bewertung der Überschüsse
ist zu berücksichtigen, dass die Kostenerstattung des Landes mit einer
zeitlichen Verzögerung vorgenommen wurde.“
Doch das Plus von fast 1,7 Millionen bleibt. Und auch für 2019 sieht es
rosig aus. 2,3 Millionen Euro erhält der Landkreis in diesem Jahr. Fast
700.000 Euro mehr als für die Leistungszahlungen benötigt. „Dass man dieses
Geld zweckentsprechend einsetzt, ist nicht zu erwarten“, glaubt Uta Müller
von Zuflucht Wendland, „die stärkste Fraktion ist nun mal die Verwaltung“.
## Kein Geld für Wohnungssanierung
Die teilte mit, es sei nicht zu vertreten, 204 geflüchteten Personen
zusätzliche Leistungen außer den gesetzlich festgelegten zukommen zu
lassen. „Für die Sanierung von leer stehenden Wohnungen besteht keine
gesetzliche Grundlage.“
Die Unterstützergruppen sind empört. „Der Kreistag zeichnet gern das Bild
von sich als weltoffen, bunt, zupackend und kreativ“, schreibt die
Initiative Solidarische Provinz Wendland/Altmark auf ihrer Internetseite,
„doch der Schein trügt!“
7 Apr 2019
## AUTOREN
Till Wimmer
## TAGS
Flüchtlinge
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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
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