| # taz.de -- Personalstreit nach der Europawahl: Merkel sorgt für schlaflose Na… | |
| > Mit einem Sondergipfel wollte die EU am Sonntag den wochenlangen | |
| > Personalstreit beilegen. Doch der Konflikt weitete sich sogar noch aus. | |
| Bild: Angela Merkels Vorschlag, Frans Timmermans zum Chef zu machen, erhitzte d… | |
| Brüssel taz | Der Sondergipfel der Europäischen Union [1][zur | |
| Personalpolitik] steht auf der Kippe. Rund fünf Wochen nach der Europawahl | |
| konnten sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU am Sonntag in | |
| Brüssel immer noch nicht auf einen Nachfolger für Kommissionspräsident | |
| Jean-Claude Juncker und andere Spitzenpolitiker einigen. | |
| Ausgerechnet [2][Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgte für Ärger]: Ihr | |
| Vorschlag, den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans zum | |
| neuen Chef der EU-Kommission zu machen – und nicht den deutschen | |
| CSU-Politiker Manfred Weber – erhitzte die Gemüter. | |
| Der Streit war so heftig, dass der Start des Gipfels um dreieinhalb Stunden | |
| aufgeschoben wurde. Doch um 23 Uhr war schon wieder Schluß. | |
| EU-Ratspräsident Donald Tusk versuchte danach, in nächtlichen | |
| Einzelgesprächen neue Kompromisse auszuloten. | |
| Das so genannte Beichtstuhl-Verfahren wird angewandt, wenn im großen Kreis | |
| nichts mehr geht. Es brachte jedoch zunächst kein Ergebnis. Italiens | |
| Ministerpräsident Giuseppe Conte ließ offen, wie es weitergeht. „Es ist | |
| schwierig zu sagen. Derzeit gibt es keine Einigung“, sagte er. | |
| ## Von Weber abgerückt | |
| Besonders pikant ist die Lage für Merkel. Sie war in die Schusslinie | |
| geraten, weil sie schon beim G-20-Gipfel in Osaka von Weber abgerückt war. | |
| Gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Spaniens | |
| Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und dem niederländischen | |
| Ministerpräsidenten Mark Rutte hatte sich Merkel in Osaka auf Timmermans | |
| als nächsten Kommissionschef verständigt. | |
| Doch die Konservativen wollen sich damit nicht abfinden. „Die Vereinbarung | |
| ist tot“, hieß es am späten Sonntagabend aus der Europäischen Volkspartei | |
| (EVP). Die EVP, der auch Merkels CDU angehört, habe erklärt, „dass sie den | |
| Deal von Osaka nicht akzeptieren wird“. | |
| Es sei ein „Skandal“, dass Weber „demontiert“ worden sei, obwohl er die | |
| Europawahl gewonnen habe, empörte sich Daniel Caspary, der Chef der | |
| deutschen CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. „Wir werden das Amt des | |
| Kommissionspräsidenten nicht so einfach aufgeben“, sagte der irische | |
| Premierminister Leo Varadkar. | |
| Der CSU-Politiker selbst hielt sich bedeckt. Er sei zu beschäftigt, um eine | |
| Stellungnahme abzugeben, ließ er die wartenden Journalisten wissen. Seit | |
| einem Treffen mit Merkel im Berliner Kanzleramt am Mittwochabend hatte sich | |
| Weber nicht mehr öffentlich geäußert. | |
| ## Großer Widerstand aus dem Osten | |
| Dass Tusk nun Timmermans vorschlägt, hat mit dem Streit um die | |
| Spitzenkandidaten zu tun. Merkel versucht, das „Prinzip“ der | |
| Spitzenkandidaten zu retten. Gegen dieses Prinzip – und gegen Weber – hat | |
| sich jedoch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron ausgesprochen. | |
| Der Niederländer Timmermans ist vor diesem Hintergrund ein Kompromiss, da | |
| er als „echter“ Spitzenkandidat in die Europawahl gegangen war. Zudem | |
| verfügt er – anders als Weber – über Regierungserfahrung. Der rechte | |
| Sozialdemokrat war Außenminister in Den Haag und zuletzt Vizepräsident der | |
| EU-Kommission in Brüssel. | |
| In dieser Funktion war Timmermans auch für die Rechtsstaats-Verfahren gegen | |
| Polen und Ungarn zuständig. Aus diesen Ländern kommt nun auch der größte | |
| Widerstand. Timmermans sei „kein Kompromisskandidat“, sagte Polens | |
| Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Er sei „sehr spaltend, er versteht | |
| Zentraleuropa nicht“. | |
| Auch Tschechien äußerte sich kritisch. Die Person sei nicht geeignet, um | |
| Europa zusammenzubringen, sagte Regierungschef Andrej Babis. Tusk sprach | |
| sich in der Nacht mit den so genannten Visegrad-Staaten, um dem Widerstand | |
| gegen Timmermans die Spitze zu nehmen. | |
| ## Vestager ist umstritten | |
| Die Osteuropäer verfügen nicht über genug Stimmen, um eine Entscheidung | |
| zugunsten Timmermans zu blockieren. Nach Angaben von EU-Diplomaten ist es | |
| dennoch schwer vorstellbar, einen Kommissionspräsidenten zu nominieren, der | |
| im Osten auf Ablehnung stößt. Dies könnte die EU noch mehr spalten. | |
| Sicherheitshalber hat Gipfelchef Tusk bereits eine Verlängerung bis Montag | |
| Vormittag eingeplant. Auch ein weiterer Sondergipfel am 15. Juli ist im | |
| Gespräch. Was passiert, wenn auch Timmermans scheitert, ist offen. | |
| Theoretisch könnte dann die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe | |
| Vestager zum Zuge kommen. | |
| Vestager ist jedoch umstritten, da sie erst spät ins Rennen um die | |
| Juncker-Nachfolge eingestiegen war. Zudem lehnen die Liberalen das Prinzip | |
| der Spitzenkandidaten ab. Es müsse um EU-weite Wahllisten ergänzt werden, | |
| fordern sie. | |
| Weitere mögliche Ausweich-Kandidaten sind die bulgarische Weltbank-Chefin | |
| Kristalina Georgieva und der irische Ministerpräsident Leo Varadkar. | |
| Ratspräsident Tusk brachte sie in der Nacht ins Gespräch – doch offenbar | |
| ohne großen Erfolg. Die Reaktionen seien zurückhaltend ausgefallen, sagten | |
| EU-Diplomaten. | |
| Immerhin haben die Chefs noch nicht ganz aufgegeben: Um sieben Uhr trafen | |
| sie sich am Montag wieder im Brüsseler Ratsgebäude – zum Frühstück. | |
| 1 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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